Umwelttechnik:Schlauer heizen und kühlen

Umwelttechnik: Die Idee: Wenn Heizung und Klimaanlage via Internet mit dem Smartphone verbunden sind, wird es nur dann in der Wohnung warm oder kühl, wenn man sich ihr nähert.

Die Idee: Wenn Heizung und Klimaanlage via Internet mit dem Smartphone verbunden sind, wird es nur dann in der Wohnung warm oder kühl, wenn man sich ihr nähert.

(Foto: oh)

Energie sparen durch vernetzte Technologie - das klingt nach einer zukunftsträchtigen Idee. Toon Bouten, Chef des Umwelttechnik-Start-ups Tado, will die Firma zu einer internationalen Plattform ausbauen.

Von Helmut Martin-Jung

Warum gerade Tado? Ja schon, Toon Bouten wollte nach vielen Jahren bei Konzernen wie Philips und Compaq am liebsten wieder in ein kleines Unternehmen, "wo man noch viel verändern kann". Also sah er sich um und traf schließlich die Gründer des aufstrebenden Umwelttechnik-Start-ups Tado, Christian Deilmann und Johannes Schwarz. Sie sprachen ihn an, ob er nicht ihr CEO werden wolle. Er hatte da aber erst noch ein paar Fragen.

Der Niederländer Bouten, Jahrgang 1959, graumeliertes Haar, gepflegter Rudi-Carrell-Akzent, wirkt sehr sortiert, als er sie aufzählt. Erstens: Wie groß denn der Markt wirklich sei. Denn nur mit Geräten fürs vernetzte Zuhause sei substanzielles Wachstum kaum möglich. Wie, zweitens, das Unternehmen im Markt dastehe. Und drittens, die wichtigste Frage: Wie sich die Gründer denn die Zusammenarbeit vorstellten. "Wir haben fast zwei Monate darüber geredet, wie wir das machen", erzählt Bouten beim Videogespräch, das er aus einem kleinen Hotel im Allgäu führt - am letzten Tag eines Kurzurlaubs.

Für manche Gründer ist das ja nicht so einfach. Sie haben ihr Unternehmen mit viel Herzblut und großem Einsatz gegründet und hochgebracht, und dann soll ein neuer Chef, eine neue Chefin plötzlich übernehmen? Doch es hat funktioniert: Vier Jahre ist Bouten nun schon in München und hat es nicht bereut. Die Zusammenarbeit mit den Gründern, die als Finanz- und Produktverantwortliche nach wie vor im Unternehmensvorstand sind, laufe "wunderbar".

Im Schnitt 22 Prozent Energieeinsparung

Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass die Geschäfte sich gut entwickeln. Das Start-up, das mit seinen Produkten und Dienstleistungen Heizungen und Klimaanlagen energiesparender macht, wächst zweistellig. Im Schnitt 22 Prozent weniger Energie soll verbraucht werden, wenn das Tado-System eingesetzt wird. Vor allem gewinnt das Start-up mehr und mehr gewerbliche Kunden.

Da sind zum einen die Energieversorger. Bouten legt viel Wert darauf, die Zusammenarbeit mit ihnen zu verstärken, weil er hier noch ein großes Potenzial sieht. Denn diese betreuen etwa 70 Millionen Haushalte in Europa - ein riesiger Markt. Vor allem in Frankreich, England und Italien klappt das schon gut, 34 europäische Energieversorger hat Tado bereits als Kunden, darunter zehn der 20 größten. "In Deutschland ist das noch nicht so entwickelt", sagt Bouten. In Frankreich etwa bietet ein Energieversorger für 1,7 Millionen Kunden Heizen als Dienstleistung an. Sie garantieren also im Rahmen eines Wartungsvertrages, dass die Heizung oder die Klimaanlage läuft.

Ihr Problem: Ihr Angebot funktioniert dann am besten, wenn sie nicht darauf angewiesen sind, dass der Nutzer einer Heizung sich bei ihnen meldet, wenn etwas nicht läuft. Der weiß oft nicht einmal, welche Heizung eigentlich im Keller steht und kann auch das Problem oft nicht genau genug beschreiben. Die Anlagen müssten also online erreichbar sein. Hier kommt Tado ins Spiel. Das Unternehmen hat Schnittstellen zu allen in Europa gebräuchlichen Heizungs- und Klimasystemen geschaffen. Die Energieversorger können darüber eine Online-Verbindung zu den Heizungen ihrer Kunden herstellen und müssen sich nicht mit den Hunderten Systemen der verschiedenen Hersteller herumschlagen.

Die Versorger sehen so auf ihren Monitoren, wenn es ein Problem gibt und können aus der Ferne einen Neustart der Anlage auslösen oder gegebenenfalls einen Monteur losschicken. Der weiß dann gleich, um welches Modell es geht und welches Problem vorliegt. Mittlerweile macht Tado ein Drittel seines Umsatzes mit den Energieversorgern.

Unterstützung vom Gründer-Hub

Die Idee für Tado kam Mitgründer Christian Deilmann bei seinem Auslandsstudium in den USA. Er hatte sich darüber geärgert, dass die Klimaanlage in seiner Studentenbude entweder durchlief, wenn keiner zu Hause war, was viel Strom verbrauchte. Oder aber sie wurde erst eingeschaltet, wenn der erste Mitbewohner nach Hause kam - dann dauerte es lange, bis es wieder kühl genug war. So kam er darauf, die Heizung via Internet mit dem Smartphone zu verbinden. 2011 gründete er das Start-up, für das es auch Unterstützung des Gründer-Hubs Unternehmertum der TU München gab. Die Idee: Verlässt man die Wohnung, werden die Heizung oder smarte Thermostate an den Heizkörpern auf einen niedrigeren Wert heruntergefahren, nähert man sich wieder, fährt die Heizung wieder hoch.

Das Schwierige dabei war, die smarten Thermostate mit den Heizungen und Kühlgeräten von Hunderten verschiedener Hersteller zu verbinden - jeder davon setzt auf ein selbst entwickeltes Steuerungssystem, die Tado-Programmierer mussten also am Anfang erst einmal die Verbindung zu all diesen Heizungssteuerungen schaffen.

Gerade das aber macht sie nun interessant nicht nur für Hausbesitzer, die Energie und Geld sparen wollen, sondern auch für Energieversorger und zunehmend für die gewerbliche Wohnungswirtschaft, Konzerne wie die Deutsche Wohnen etwa. Die müssen sich schon aus finanziellen Gründen um die Energieeffizienz ihrer Objekte kümmern. Denn die CO₂-Steuer, die auf den Energieverbrauch erhoben wird und an der auch die Vermieter sich beteiligen sollen, wird natürlich beeinflusst von der Effizienz der Anlagen, sagt Tado-Chef Bouten.

Sparen und abrechnen

Das war auch ein Grund dafür, dass die Noventic Group sich im Zuge der jüngsten Finanzierungsrunde an Tado beteiligt hat. Noventic, das Gebäude energieeffizient steuert, führte die Investitionsrunde an, bei der Tado insgesamt 38 Millionen Euro eingesammelt hat. Geld, das Bouten vor allem dafür nutzen will, die eigenen Produkte weiterzuentwickeln, sodass sie auch von großen Vermietern eingesetzt werden können. "Die gewerbliche Wohnungswirtschaft hat besondere Anforderungen", sagt Bouten, "da müssen zum Beispiel auch Schnittstellen für die Hausverwaltungen geschaffen werden." Die Kooperation mit Noventic mache es möglich, künftig auch die Abrechnung für Heizung und Klima mit zu übernehmen, da Noventic in diesem Bereich schon sehr stark sei.

Schon öfters ist im Zusammenhang mit Tado über einen Börsengang in den USA die Rede gewesen - immerhin ein gewaltiger Markt, den zu erobern der Gang an die Börse das nötige Geld liefern könnte. Bouten aber zeigt sich eher vorsichtig: "Der Markt ist ein ganz anderer als in Europa", sagt er. "Was wir ganz sicher nicht machen, ist, selbständig zu expandieren. Der Markt ist ja schon stark besetzt." Die einzige Möglichkeit sei es, Investoren zu gewinnen. Aber die wollten irgendwann ihren Gewinne abschöpfen und aussteigen. Ein Verkauf könne eine Möglichkeit sein, aber auch der Gang an die Börse - "man muss beides verfolgen und langsam aufbauen", sagt der erfahrene Manager.

Aufbauen, das ist überhaupt seine Devise für die Firma. Boutens Blick richtet sich dabei zunächst mehr nach Asien und Ozeanien. In Australien hat Tado bereits Fuß gefasst, ein zweiter Markt in Südostasien soll bald folgen. Dort wird es weniger um Heizungen als um Kälteanlagen gehen. Tado arbeitet dabei immer mit seinen Investoren Amazon und Apple als Vertriebspartner zusammen. Die Tado-Produkte gibt es in den Apple-Ladengeschäften zu kaufen.

Gewinn macht Tado noch keinen, "weil wir noch viel in unsere Services und die Technologie investieren". Zum Beispiel, um die eigenen Produkte und Services fit zu machen für den Einsatz bei großen Vermietern. "Wir wollen in zwölf bis 18 Monaten unsere Entwicklungskapazität verdoppeln", sagt Bouten. Kein Kinderspiel, denn Software-Entwickler, und um die geht es hauptsächlich, sind rar: "Man muss auch mal Freelancer nehmen, die vom Ausland aus arbeiten", sagt Bouten, "anders geht es nicht." Aber man habe auch viel Spaß miteinander, "und wir haben das Gefühl, etwas Gutes zu tun für die Umwelt, das motiviert uns."

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