Süddeutsche Zeitung

Umweltschädliche Frachter:Dreckschleudern, volle Kraft voraus

Mehr als 90 Prozent des globalen Handels werden über Containerschiffe abgewickelt. Auch 25 Jahre nach der Havarie der "Exxon Valdez" fahren die meisten mit schadstoffreichem Schweröl. Gegen Ökostandards wehren sich die Reeder vehement - dabei gibt es einfache Maßnahmen, die nicht mal teuer sind.

Von Kristina Läsker, Hamburg

Genau 25 Jahre ist die Ölpest her, und eine ganze Region leidet bis heute: Am 24. März 1989 lief der Supertanker Exxon Valdez vor der Küste von Alaska auf ein Riff. Etwa 40 000 Tonnen Rohöl strömten aus; es verschmutzte die Strände und tötete Hunderttausende Tiere. Noch immer muss Alaska mit den Folgen einer der schlimmsten Ölkatastrophen der USA fertig werden. Es liegt viel Schweröl auf dem Meeresgrund, Fischarten wie der pazifische Hering sind nie zurückgekehrt.

25 Jahre sind eine lange Zeit. Doch ist das lang genug, um die Ozeane besser vor Umweltschäden durch die Schifffahrt zu schützen? Das Gegenteil ist der Fall, meint der Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Demnach ist der Widerstand der Schiffsbetreiber gegen Öko-Auflagen so zäh wie das klumpige Schweröl, das sie als Treibstoff verwenden. "Es ist ein Mythos, dass moderne Containerschiffe umweltfreundlich sind", sagt Dietmar Oeliger, der die Verkehrspolitik beim Nabu leitet.

0,2 Cent mehr für ein T-Shirt

Dabei lässt sich mehr Umweltschutz auf See locker vom Verbraucher bezahlen, das ergibt die jüngste Studie des Nabu. In Übersee produzierte Produkte würden kaum teurer, wenn Containerschiffe mit wirksamer Abgastechnik führen und auf sauberen Treibstoff umstellten, sagt Oeliger. Die Kunden würden den Aufwand für umweltfreundlich transportierte Waren an der Kasse kaum merken. "Die Mehrkosten sind marginal." Der Nabu-Studie zufolge würde der Preis eines T-Shirts bloß um 0,2 Cent steigen, ein Tablet-PC würde einen Cent mehr kosten, und für einen Drucker würden 20 Cent mehr verlangt.

Es wäre ein großer Dienst für die Weltmeere: Gut 90 Prozent des globalen Handels werden über etwa 45 000 Handelsschiffe abgewickelt. Diese Frachter tragen erheblich zur Umweltverschmutzung bei, weil sie meist mit hoch belastetem Schweröl fahren. Schiffsabgase verursachen in Europa jedes Jahr 27 000 vorzeitige Todesfälle, hat die Weltgesundheitsorganisation ermittelt. Der Grund: Beim Verbrennen des teerartigen Schweröls entsteht gesundheitsschädliches Schwefeldioxid.

Weniger strenge Regeln als für Laster

Was auffällt: Für Transporteure auf See gelten weit weniger strenge Regeln als für Transporteure auf der Straße. So darf der Schwefelgehalt im Schiffstreibstoff bis zu 3,5 Prozent betragen. "Das ist 3500 Mal so viel wie bei Lkw-Diesel", sagt Nabu-Fachmann Oeliger. Das soll sich erst 2020 ändern: Dann darf der Schwefelanteil nur noch bei 0,5 Prozent liegen. Lediglich in Nord- und Ostsee werden die Auflagen bald schon härter: Von 2015 an darf der Anteil 0,1 Prozent nicht übersteigen, schreibt die Internationale Schifffahrtsorganisation (IMO) bald vor. Hiesige Schiffsbetreiber sind davon besonders betroffen: Mit 3700 Containerschiffen betreibt Deutschland die drittgrößte Handelsflotte der Welt.

Neben dem Schwefeldioxid sind es vor allem der hohe Ausstoß an Rußpartikeln und an Stickoxiden, die Containerschiffe im Vergleich zu Lastwagen zu Dreckschleudern machen. Deren unsichtbare Gefahren haben es in sich: Rußpartikel sind krebserregend, Stickoxide erhöhen das Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen.

Was die Umweltexperten des Nabu monieren: Obwohl moderne Technologien wie Katalysatoren und Filter für Containerfrachter bereits längst entwickelt sind, würden diese kaum an Bord eingesetzt. "Wir können nicht nachvollziehen, warum kein Handelsschiff Rußpartikelfilter hat, obwohl es sie längst gibt", sagt Oeliger.

"Billiges Schweröl sollte verboten werden"

Doch das dürfte an den Investitionen liegen. Nabu zufolge kostet ein neues mittelgroßes Handelsschiff, das etwa 10 000 Container fassen kann, etwa 100 Millionen Euro. Der zusätzliche Einbau von Stickoxid-Katalysatoren und eines modernen Rußpartikelfilters koste etwa 500 000 Euro. Zu viel Geld aus Sicht der Reeder: In dem hart umkämpften Markt ließen sich Mehrkosten und höhere Frachtraten nicht einfach an Kunden - also Spediteure oder Hersteller - abwälzen, sagt der Sprecher des Verbands Deutscher Reeder (VDR). "Wenn die Kunden bereit sind, die Mehrkosten zu tragen, würden wir die umweltfreundlichen Technologien auch einsetzen."

Der Nabu hält solche Argumente für Hinhaltetaktik. Die Umweltexperten glauben, dass neben den Konsumenten auch Produzenten wie etwa der Sportartikelhersteller Adidas durchaus dazu bereit wären, die ökofreundlichen Transporte auch zu vergüten. Doch dazu müsste der Transport der Waren erst einmal in die Nachhaltigkeitsberichte der Produzenten aufgenommen werden. Und die weisen den Schadstoffausstoß der Schiffe nicht aus: "Die Emissionen auf Hoher See hat keiner auf dem Schirm", klagt Oeliger.

Und so will der Naturschutzbund nicht warten, bis die Hersteller größeren Druck machen und die Reeder sich beugen. Schon jetzt sollten alle Handelsschiffe vom giftigen Schweröl zu schwefelarmen Diesel oder einem vergleichbar sauberen Treibstoff - etwa Flüssiggas (LNG) - wechseln, fordert Oeliger: "Billiges Schweröl sollte verboten werden."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1920805
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.03.2014/sks
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.