Umweltprämie:Glücksfall und Reinfall

Die Abwrackprämie - Fluch oder Segen? Eine Geschichte über zwei Männer, die ganz unterschiedliche Erfahrungen mit dem staatlich subventionierten Verschrotten gemacht haben.

Miriam Olbrisch

Der Motor stotterte schon lange. Die Stoßdämpfer taten mehr schlecht als recht ihren Dienst, und auch die Bremsen hatten ihre besten Tage hinter sich. Lange hätte es nicht mehr gedauert, bis dass der TÜV Ralf Uthmann und seinen Opel Vectra geschieden hätte. Aber ein neues Auto kostet. Eine Investition, die der Betriebsschlosser gerne noch ein wenig aufschieben wollte.

Abwrackprämie, dpa

Die Abwrackprämie läuft aus, jetzt gehen die Fördermittel von 6,5 Milliarden Euro zur Neige.

(Foto: Foto: dpa)

Ab in den Autohimmel

Dann kam die Abwrackprämie. "Der Zeitpunkt war perfekt", sagt er. Die Entscheidung war schnell getroffen: 2500 Euro würde ihm niemand für den 15 Jahre alten Opel zahlen, und so günstig kommt man nicht so schnell wieder an einen Neuwagen. Dank des Zuschlags aus dem Konjunkturpaket II zahlte er für einen nagelneuen Dacia Logan 10.000 Euro statt der üblichen 12.500 - und schickte seinen Vectra in den Autohimmel.

Tausende Deutsche taten es ihm gleich: Der Ansturm auf die Prämie war so groß, dass die Flut der Antragsteller zeitweise die Server des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle lahmlegte. Jetzt gehen die Fördermittel von 6,5 Milliarden Euro zur Neige. Deutsche Haushalte haben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im ersten Halbjahr 2009 rund 36 Milliarden Euro für Autokäufe ausgegeben, 23 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Ein Großteil davon ist Abwrackern wie Ralf Uthmann zu verdanken.

Die Umweltprämie lohnte sich aber längst nicht für jeden. Eigentlich hatte Benjamin Witzel nicht vorgehabt, sich in diesem Sommer auf die Suche nach einem neuen Wagen zu machen. Sein alter lief ja noch prächtig - bis zu dem Tag, als er ohne Vorwarnung stehenblieb. Motorschaden. Das Todesurteil für den 17 Jahre alten VW-Golf. Damit wäre der schwarze Kleinwagen eigentlich ein idealer Kandidat für die Abwrackprämie gewesen. Doch Witzel entschied sich dagegen. "Ich habe mich in der Vergangenheit ab und zu nach Jahreswagen umgeschaut, weil ich wissen wollte, was man dafür ungefähr auf den Tisch legen muss", erzählt der Chemiefacharbeiter. Dass der Golf nicht ewig halten würde, damit hatte er gerechnet.

Mit der Abwrackprämie kam dann der Preisschock: "Viele Händler haben bei den Wagen, die für die Förderung geeignet sind, oft einfach 2500 Euro auf den Preis draufgeschlagen." Damit seien sie wieder genauso teuer gewesen wie vorher. Der Wiesbadener fühlte sich übers Ohr gehauen. "Das Spiel wollte ich nicht mitspielen - und gelohnt hätte es sich ohnehin nicht."

Die "Entsorgung" übernimmt der Händler

Denn sein Traumauto, ein schwarzer BMW 1er, sollte als Jahreswagen mit Prämie immer noch 20.000 Euro kosten. "Viel zu teuer", sagt Witzel entschieden. Bei einem Gebrauchtwagenhändler wurde er dann fündig: ein schwarzer BMW 1er, drei Jahre alt, top gepflegt. Preis: 12.000 Euro. "Ein Glückstreffer war das", sagt der 21-Jährige. "8000 Euro günstiger, so viel Wert verliert ein Jahreswagen normalerweise nicht in zwei Jahren. Ein echtes Schnäppchen."

Doch wohin mit dem alten? Für Ralf Uthmann stellte sich diese Frage nicht. Er ließ seinen Opel Vectra mit den Papieren direkt beim Händler stehen, der sich um die Abmeldung bei Straßenverkehrsamt und Versicherung, Verschrottung und den Antrag für die Prämie kümmern wollte. Die 2500 Euro bekam er als Preisnachlass angerechnet. Der Händler holte sich das Geld bei der Bafa zurück. Uthmann musste lediglich ein Formular unterschreiben. "Schön, wie reibungslos das läuft", freute sich der 48-Jährige, setzte sich in seinen neuen Dacia und rollte vom Hof.

Bußgeldbescheid von der Stadt

In den kommenden Wochen, so hoffte er, sollte auch die Rückzahlung von der Versicherung eintreffen. Schließlich war erst April, und er hatte die Prämie für ein Jahr im Voraus bezahlt, und für das neue Auto hatte er einen Vertrag mit einem anderen Anbieter geschlossen. Als sich Monate später nichts rührte, rief er seine Versicherung an. Die reagierte verständnislos. Das Auto sei überhaupt nicht abgemeldet, sagte ihm die Sachbearbeiterin. "Da bin ich aus allen Wolken gefallen", sagt der Solinger. Der Autohändler, den er wutentbrannt aufsuchte, bescheinigte ihm aber, dass der Wagen ordnungsgemäß verschrottet war.

Umweltprämie: Benjamin Witzel wollte die Abwrackprämie nutzen, musste aber feststellen, dass Händler die Prämie  einfach auf den Kaufpreis draufgeschlagen haben.

Benjamin Witzel wollte die Abwrackprämie nutzen, musste aber feststellen, dass Händler die Prämie einfach auf den Kaufpreis draufgeschlagen haben.

(Foto: Foto: Oh)

Was dann kam, war allerdings nicht das Geld, sondern ein Bußgeldbescheid von der Stadt Solingen. Laut dem Schreiben fuhr Uthmann den Opel Vectra nun ohne Versicherungsschutz, weil diese die Police nach dem Telefongespräch aufgelöst hatte. "In dem Moment habe ich mir gewünscht, ich hätte mich auf das ganze Theater gar nicht erst eingelassen", sagt er. "Ohne die Prämie hätte ich mir wahrscheinlich einfach einen Gebrauchten gekauft." Ein paar Telefonate und ein Besuch beim Straßenverkehrsamt später stand fest: Die Abmeldung war verlorengegangen und hatte das Straßenverkehrsamt nie erreicht. Eine ärgerliche Panne, aber ein Einzelfall.

Schwerer Abschied

"Gut, dass sich noch alles aufgelöst hat." Sein Geld hat Ralf Uthmann mittlerweile bekommen, und auch mit dem Dacia ist er sehr zufrieden. "Ein gutes Auto", findet er. "Auch wenn es schade um den Vectra ist. Nach so vielen Jahren habe ich irgendwie dran gehangen."

Das Schicksal blieb dem Golf von Benjamin Witzel erspart. "Ich wollte ungern noch Geld für die Entsorgung ausgeben", sagt der Wiesbadener - zumal die Verwertungshöfe alle hoffnungslos überfüllt waren. "Da hätte ich ewig gesucht", glaubt er. Jetzt steht der Golf samt Motorschaden bei einem Freund, der daran herumschraubt. Ein Glücksfall, auch für den Freund. Den Wagen hat er geschenkt bekommen. "Das war für alle die beste Lösung", sagt Witzel, "und das Auto musste nicht in die Presse."

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