Süddeutsche Zeitung

Umweltpolitik:Ziele verfehlt

Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft gibt der Regierung in Sachen Energiewende schlechte Noten.

Von Benjamin Emonts

Kaum sinkende CO₂-Emissionen, hohe Strompreise, wenig Versorgungssicherheit: Die Ergebnisse des aktuellen Energiewende-Monitorings der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (VBW) lesen sich düster. Der Stromnetzausbau schreitet demnach nicht schnell genug voran. Der Ausbau der erneuerbaren Energien gerät ins Stocken. VBW-Präsident Wolfram Hatz: "Eine erfolgreiche Energiewende in Deutschland liegt unverändert in weiter Ferne."

Die Studie fällt in eine Zeit, in der viel passiert in Sachen Klimaschutz. Die Bundesregierung hat ein Klimapaket von 50 Milliarden Euro geschnürt. Das Bundeskabinett hat den Kohleausstieg beschlossen. Städte, wie zuletzt Mainz, verhängen Dieselfahrverbote. Doch das sind alles Maßnahmen, bei denen sich erst zeigen muss, wie wirksam sie sind. Auf dem Prüfstand des Monitorings stehen jene Projekte, die die Bundesregierung schon vor Jahren angepackt hat: der Ausbau erneuerbarer Energien und Stromnetze, Elektromobilität. Die Erfolge bleiben der Studie zufolge aus.

Das Ziel der Bundesregierung, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf den deutschen Straßen zu haben, wurde deutlich verpasst. Zwar ist die Zahl der E-Autos seit 2012 kontinuierlich gestiegen, doch liegt sie immer noch deutlich unter 200 000. Der Anteil an Fahrzeugen mit alternativen Antrieben am Gesamtbestand lag 2019 bei 1,7 Prozent. Dürftig sieht obendrein das Angebot an Ladesäulen aus, die entscheidend für eine flächendeckende und reibungslose Elektromobilität sind. Deutschlandweit kamen der Studie zufolge 2019 knapp elf Autos auf einen Ladepunkt, das waren etwa sieben mehr als 2016. "Die Infrastruktur kommt nicht hinterher", schlussfolgert Studienautorin Almut Kirchner.

Auch die gewünschte Reduzierung der Treibhausgasemissionen wurde verfehlt. Die CO2-Emissionen sind nur wesentlich niedriger als vor fünf Jahren. Im Vergleich zum Jahr 1990 sind sie nach einer ersten Schätzung bis 2019 um 35 Prozent gesunken. Angepeilt für 2020 sind 40 Prozent. Auch das von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ausgegebene Ziel eines Bayern ohne CO₂-Nettoemissionen bis 2050 liegt demnach in weiter Ferne: "Wir lagen schon über dem alten Zielpfad, und über dem neuen sowieso", sagt Kirchner. Eingebrochen ist im vergangenen Jahr zudem der Ausbau der Windenergie in Deutschland. Insgesamt wurden nach Angaben des Bundesverbands Windenergie (BWE) und des Branchenverbands VDMA 325 Windräder errichtet, 55 Prozent weniger als 2018 und 80 Prozent weniger als 2017. In Bayern stoppt die Abstandsregel 10H viele Windkraftprojekte.

Um Windstrom von Nord- nach Süddeutschland transportieren zu können, fordert die VBW den "schnellstmöglichen" Bau zweier geplanter Gleichstromtrassen. "Wenn die Energiewende gelingen soll, brauchen wir mehr Tempo beim Netzausbau", sagt Wolfram Hatz und fordert ein klares Bekenntnis der Politik. Für Bürgerinitiativen, die sich gegen die Trassen aussprechen, findet er kein Verständnis. "Ich kann nicht gegen Stromleitungen, gegen Windräder, gegen Wasserkraft und gleichzeitig für die Energiewende und für den Klimaschutz sein. Wer die Energiewende will, muss auch ertragen, dass sie stattfindet." In Bayern könnte der verzögerte Netzausbau nach Ansicht der Studienautoren in den kommenden Jahren dazu führen, dass die Stromversorgung an ihre Grenzen gelangt. "Ab 2021/22 wird es knapp", prognostiziert Expertin Almut Kirchner. Die Strompreise und die CO₂-Emissionen stiegen wegen der Verzögerung an. "Jeder Tag, der uns beim Netzausbau verloren geht, bedeutet mehr Netzstabilisierungsmaßnahmen und damit Mehrkosten in Milliardenhöhe", sagt Wolfram Hatz.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4781485
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 03.02.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.