CO₂ verpressen:Weg mit dir, Klimakiller

CO₂ verpressen: Die "Aurora Storm" hat diese Woche erstmals verflüssigtes CO₂ zur Offshore-Plattform Nini-West transportiert. Dort wird es in das ausgeförderte Ölfeld eingespeist.

Die "Aurora Storm" hat diese Woche erstmals verflüssigtes CO₂ zur Offshore-Plattform Nini-West transportiert. Dort wird es in das ausgeförderte Ölfeld eingespeist.

(Foto: Steffen Trumpf/dpa)

Kohlendioxid einfach im Meeresboden zu lagern - das klingt wie eine gute Lösung auf dem Weg zur Klimaneutralität. Das ist sie aber nur unter einer Bedingung.

Kommentar von Michael Bauchmüller

Über Vergangenheit und Zukunft kann die Plattform Nini West eine Menge verraten. Es ist noch nicht lange her, da wurde hier, in der dänischen Nordsee, Öl gefördert. Und seit dieser Woche wird an genau dieser Stelle offiziell Kohlendioxid in den Meeresboden gepumpt. Das Ölfeld ist mittlerweile leer, das schafft Platz für CO₂. Mit anderen Worten: Jene Ölförderung, die mit Jahrmillionen alten Kohlenstoffen die Erderwärmung erst anheizte, hinterlässt nun Hohlräume, um die katastrophalen Ergebnisse dieser Förderung zumindest teilweise zu reparieren. Ironischer geht es kaum.

Die Technologie, die dahinter steckt, nennt sich "Carbon Capture and Storage", kurz CCS. Kohlendioxid wird dabei abgeschieden, etwa in Industrieprozessen oder in Kraftwerken, es wird zu Orten wie Nini West transportiert und dort unter großem Druck in den Meeresboden gepresst. Das Gestein dort unten ist porös, es kann den Klimakiller gut speichern. Und weil dort vorher über Ewigkeiten Öl und Gas fest eingeschlossen waren, dürften die Lager auch für CO₂ dicht genug bleiben. Auf dem Weg zu netto Null Emissionen, zur Klimaneutralität, wird dieses Verfahren unverzichtbar sein. Doch den faden Beigeschmack wird es nicht los.

Das liegt paradoxerweise an der Perspektive, die es eröffnet. Denn wenn sich auf diese Weise das Klimaproblem doch technisch lösen lässt - warum dann der ganze Aufwand rund um den Abschied von fossiler Energie? Wer immer an der fossilen Energie klebt - sei es, weil er Geld mit der Förderung verdient, sei es, weil er für seine Produktionsverfahren nicht umstellen will - könnte sich künftig bequem per CCS klimaneutralisieren. Denkbar sind sogar Methoden, mit denen Kohlendioxid der Luft entzogen wird, um es anschließend zu speichern. Wieder einmal hätte die Menschheit ein Problem, das aus ihrem vermeintlichen Fortschritt heraus entstanden ist, mit vermeintlichem Fortschritt gelöst.

So einfach ist die Sache leider nicht

Wenn es nur so einfach wäre. Einmal abgesehen davon, dass auch die Lagerstätten für Kohlendioxid begrenzt sind; dass die Speicherung je aufwändiger wird, desto tiefer die Lagerstätten liegen; dass mit Abscheidung, Transport und vor allem Speicherung wiederum ein gigantischer Energieaufwand verbunden ist - im großen Stil wäre CCS eine Scheinlösung, die im schlimmsten Fall die Abkehr von fossiler Energie bremst. Das jedenfalls mag erklären, warum ausgerechnet die Öl- und Gasindustrie Gefallen an dieser Technologie findet - neben der Chance, so selbst ausgebeutete Felder noch zu Geld zu machen.

Aber es geht eben auch nicht ohne CCS - und damit nicht ohne jene Industrie, die wie keine andere weiß, wie man tiefe Löcher bohrt. In der chemischen Industrie, bei der Herstellung von Zement, letztlich auch in der Landwirtschaft werden klimaschädliche Emissionen anfallen, die sich durch noch so viele erneuerbare Energien, durch Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe nicht vermeiden lassen. Mehr noch: Wird CO₂ bei der Verbrennung von Biomasse, etwa in Kraftwerken, abgeschieden, dann entzieht die Speicherung der Atmosphäre sogar Treibhausgase - schließlich hatten die Pflanzen den Kohlenstoff beim Wachstum gebunden.

Es wäre ein Fehler, die Technologie des faden Beigeschmacks wegen zu verteufeln. Aber es wäre ein noch größerer Fehler, sie zum Hintertürchen für fossile Geschäftsmodelle werden zu lassen. Die Speicherung von Kohlendioxid braucht deshalb einen großen Bruder, und das ist ein über die Jahre steigender CO₂-Preis. Er würde einerseits fossile Rohstoffe verteuern und so die erneuerbaren Alternativen wettbewerbsfähiger machen. Und für die Industrie macht ein CO₂-Preis es erst attraktiv, den Klimakiller wegzuspeichern. Wenn er nur hoch genug ist.

Der Weg dahin ist weiter, als die Nordsee tief ist. Wenn das aber gelingt, dann stehen die Chancen gut, dass in der dänischen Nordsee tatsächlich ein Stück Zukunft begonnen hat. Zeit wird es.

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