Süddeutsche Zeitung

Autoindustrie:Umwelthilfe will BMW zu Verbrenner-Aus ab 2030 zwingen

Spätestens dann habe der Autobauer sein CO₂-Budget verbraucht, wenn er die Pariser Klimaziele einhalten wolle, argumentieren die Umweltschützer. Wie groß sind ihre Erfolgschancen?

Von Christina Kunkel, München

Wann in Europa keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden sollen, steht seit wenigen Wochen fest: von 2035 an, so will es die EU-Kommission. Doch Umweltschützer rechnen vor, dass einzelne Autohersteller schon viel früher keine Benzin- oder Dieselfahrzeuge mehr verkaufen dürften, wenn sie die im Pariser Klimaabkommen definierten Ziele schaffen wollen. Deshalb klagt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gegen deutsche Autokonzerne. Vor dem Münchner Landgericht etwa hieß es am Dienstag: Umwelthilfe gegen BMW.

Es ist nicht die erste Klage dieser Art, die die Umweltschützer angestrengt haben: Im Sommer saßen sich Vertreter der DUH und des Autobauers Mercedes vor dem Stuttgarter Landgericht gegenüber. Im September wies das Gericht die Klage ab. Die Begründung: Es obliege dem Gesetzgeber zu entscheiden, welche Maßnahmen zur Einhaltung der Klimaschutzziele ergriffen werden. Dies könne durch eine Individualklage vor einem Zivilgericht nicht vorweggenommen werden. Das Verfahren geht in die nächste Instanz, ans Oberlandesgericht. Möglichweise ist auch dort noch nicht Schluss.

Was passiert, wenn die aktuellen Gesetze nicht ausreichen?

Vor der gleichen Frage steht nun auch die Zivilkammer in München: Es gibt zwar nationale Klimaschutzgesetze und europaweit geplante Maßnahmen wie das Verbrenner-Aus 2035. Doch was, wenn das nicht reicht, um die Paris-Vorgaben zu erfüllen? Können einzelne Autohersteller dann schon jetzt dazu verurteilt werden, deutlich früher den letzten Verbrenner zu verkaufen? "14,2 Jahre wird ein Auto im Schnitt gefahren", sagt Umwelthilfe-Anwalt Remo Klinger. Wenn man aber 2045 klimaneutral sein wolle, könne das ohne einen deutlich früheren Verkaufsstopp als 2035 gar nicht funktionieren.

Rückenwind bekamen die Umweltschützer zuletzt durch eine Analyse von Greenpeace, aus der auch der Vorsitzende Richter der Zivilkammer, Peter Falk, zu Beginn der Verhandlung zitierte. Darin rechnet die Organisation vor, dass die Absatzpläne der Autoindustrie für den Verkauf von Verbrennern "unvereinbar mit dem Klimaziel von 1,5 Grad" seien. Der Umstieg auf klimaneutrale Antriebe müsste viel schneller passieren. Bislang hat sich BMW kein Ziel gesetzt, wann man den letzten Verbrenner verkaufen möchte. Der Konzern bekenne sich zu den Pariser Klimazielen, allerdings sei der Gesetzgeber dafür zuständig, die nötigen Regeln zu erlassen. "Plenarsaal statt Gerichtssaal", nennt das der Autobauer.

Entscheidung im Februar

Und auch diesmal sieht es so aus, als ob der Prozess zugunsten der Industrie ausgeht, eine Entscheidung will das Landgericht am 7. Februar 2023 verkünden. Richter Falk deutete aber bereits an, dass er die Klage für unbegründet hält. Zunächst müsse man beobachten, wie sich die Gesetze zum Klimaschutz auswirken, die ja noch vergleichsweise neu seien - und ob die Regierung gegensteuert, falls der CO₂-Ausstoß einzelner Sektoren nicht wie geplant sinkt. Er sehe noch "kein Staatsversagen", sagte Falk. Doch er wies auch darauf hin, dass diese Einschätzung in ein paar Jahren anders aussehen könnte. Aus diesen Worten ziehen die Umweltschützer ihre Hoffnung, vielleicht in den nächsten Instanzen erfolgreich zu sein.

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