Süddeutsche Zeitung

Umwelt:Verlorener Boden

Die intensive Landwirtschaft zerstört in Deutschland immer mehr Ackerland. EU-Subventionen sollen nun an Naturschutzauflagen gekoppelt werden.

Von Silvia Liebrich

Fruchtbarer Boden ist neben Wasser die wichtigste Ressource der Menschheit. Er sichert die Ernährung und sorgt buchstäblich für ein gutes Klima. Trotzdem gibt es davon immer weniger. Allein in der Europäische Union gehen nach Schätzungen der EU-Kommission durch Erosion etwa 970 Millionen Tonnen fruchtbarer Boden im Jahr verloren. Eine Menge, die ausreichen würde, um ein Gebiet von der Größe Berlins um einen Meter anzuheben. Gelingt es nicht, diesen Schwund zu stoppen, werden Ernteerträge sinken und Lebensmittelpreise steigen, davor warnt eine Studie, die den Zustand der Böden analysiert und an diesem Donnerstag in Berlin von den Grünen vorgestellt wird.

Als eine der Hauptursachen für den Verlust wird die Ausbeutung durch eine industriell betriebene Landwirtschaft genannt. Intensives Düngen, enge Fruchtfolgen auf den Feldern und der hohe Einsatz von Pestiziden setze den Böden stark zu, heißt es weiter. Schärfere Gesetze zum Schutz des Bodens seien dringend notwendig, um den Raubbau zu stoppen.

Handlungsbedarf sieht auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, die am Mittwoch das Naturschutzprogramm der Regierung bis 2020 vorlegte. Sie verlangt ein massives Umsteuern der Bauern, auch für einen besseren Schutz der Natur in Deutschland. "Die heute vorherrschende Form der Landwirtschaft ist leider ein Problem für die Natur", sagte die SPD-Politikerin. Dies gelte nicht für alle Agrarbetriebe, der Trend sei aber stark negativ. Viele alte Probleme, etwa die zu hohen Stickstoff-Einträge durch Gülle in die Böden, seien nach wie vor nicht gelöst. Stickstoff ist ein wichtiger Nährstoff, doch zu viel davon schadet der Umwelt.

Hendricks fordert zudem Reformen bei den Agrarsubventionen. Sie werde sich dafür einsetzen, dass diese künftig an den Naturschutz gekoppelt werden, sagte sie. Agrarsubventionen, die sich nur an den landwirtschaftlichen Flächen orientierten, "sollten abgeschafft werden". Die Umweltanforderungen an geförderte Betriebe seien zu gering. Dies sei fragwürdig, wenn die Artenvielfalt und die Landschaftsqualität unter der herkömmlichen Landwirtschaft litten. Der schlechte Zustand der Böden alarmierte zuletzt auch die Vereinten Nationen. Sie haben den Bodenschutz in ihre Liste der nachhaltigen Entwicklungsziele aufgenommen.

In Europa verschwinden pro Jahr Wald- und Ackerflächen von der Größe Berlins

Der Verlust an fruchtbarem Boden betrifft laut der Studie der Grünen nicht nur Europa, er ist ein globales Problem. Weltweit gehen demnach pro Jahr 0,3 bis 0,5 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen verloren. Und die lassen sich nicht einfach ersetzen. "Wir verlieren weltweit Böden 30 bis 40 Mal so schnell, wie sich wieder bilden können", heißt es in dem Papier mit dem Titel "Down to Earth - der Boden von dem wir leben". Schuld daran ist nicht nur die Erosion, sondern auch die Tatsache, dass sich Siedlungsgebiete immer weiter ausbreiten und so offene Flächen versiegelt werden. So verschwindet etwa in Europa pro Jahr Wald- und Ackerflächen so groß wie die Stadt Berlin. Weltweit können der Studie zufolge nur noch etwa zwölf Prozent der globalen Landfläche für einen intensiven Ackerbau genutzt werden, weitere 22 Prozent sind eingeschränkt nutzbar. Und die Anbauflächen werden weiter schrumpfen, so die Prognose.

Das erhöht den Druck auf die bestehenden Flächen, die in Zukunft noch mehr Menschen ernähren müssen. Vor 50 Jahren standen jedem Menschen rein rechnerisch noch 5000 Quadratmeter Anbaufläche zur Verfügung, um seine Ernährung zu sichern. Heute sind es nur noch 2500 Quadratmeter und bis zum Jahr 2050 werden es nur noch 1000 Quadratmeter sein, so die Schätzung. Die Ressource Boden ist aber nicht nur knapp, sie wird auch zunehmend teurer. Im Kampf um Ackerland mischen immer mehr Finanzinvestoren mit, die vor allem eines wollen: hohe Renditen und das möglichst schnell. Dies werde den Raubbau noch verschärfen, warnt die Studie. Deshalb bestehe dringender Handlungsbedarf. Für Abhilfe soll unter anderem eine europäische Bodenschutzstrategie sorgen, die auch zum Ziel haben muss, die Bauern finanziell zu unterstützen, die ihr Land umweltfreundlich bewirtschaften.

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Quelle:
SZ vom 15.10.2015
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