Umstrittener Käufer:Weltbild-Investor setzt auf Bücher statt Bohrmaschinen

Weltbild

Statt "Weltbild" soll über den Läden von Investor Rüdiger Wenk bald "Lesensart" stehen. Die Farben sollen aber rot und weiß bleiben.

(Foto: dpa)
  • Der kaum bekannte Buchhändler Lesensart will unter seinem Geschäftsführer Rüdiger Wenk 70 Läden der insolventen Weltbild-Kette übernehmen.
  • Danach sollen die Geschäfte den neuen Namen erhalten, außerdem soll das Sortiment wieder auf das Kerngeschäft mit Büchern konzentriert werden und die Filialen sollen mehr Freiheiten erhalten.
  • Eingeweihte Mitarbeiter beurteilen Wenks Pläne jedoch als "Himmelfahrtskommando". Der Investor selbst ist derweil nicht erreichbar und reagiert auch nicht auf Anfragen.

Von Stefan Mayr, Augsburg

Es ist Tag eins, nachdem bekannt wurde, dass der in der Öffentlichkeit kaum bekannte Buchhändler Rüdiger Wenk mit seiner Lesensart GmbH 70 Läden aus dem bundesweiten Filialnetz des Augsburger Handelsunternehmens Weltbild kaufen will. Die Stimmung unter den Mitarbeitern in den Buchgeschäften ist überaus zwiespältig. Die einen befürchten das Schlimmste - also die baldige Arbeitslosigkeit. Die anderen sind nach Monaten der Unsicherheit und des Umsatzeinbruchs froh, dass sich etwas tut. "Sie denken sich, schlimmer geht es eh' nimmer", sagt ein langjähriger Weltbild-Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Doch es gibt Kollegen, die tieferen Einblick haben und von einem sehr waghalsigen Abenteuer sprechen - sowohl für die verkauften Läden als auch für alle anderen Unternehmensteile, die unter dem Weltbild-Dach verbleiben.

Der designierte Eigentümer Rüdiger Wenk ist nach wie vor nicht zu erreichen und ruft auch nicht zurück. Die GmbH betrieb bislang nur zwei kleine Buchgeschäfte, und Geschäftsführer Wenk ist erst seit August im Amt. Vorher hatte er mit Buchhandel nicht zu tun. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat der 48-jährige Seiteneinsteiger den Vertretern der Weltbild-Mutter bei einem Treffen in Weimar sein Konzept vorgestellt. Dabei hat er die Zukunft der 70 Filialen angeblich in 13 Punkten auf zwei luftig beschriebenen DIN-A4-Seiten zusammengefasst. Das klingt übersichtlich und wenig vertieft. Dennoch bekam er den Zuschlag. Allerdings ist der Deal noch nicht ganz über die Bühne, der Gesamtbetriebsrat und der Gläubiger-Beirat von Weltbild müssen noch zustimmen.

Bohrmaschinen fliegen raus - das finden viele Verkäufer gut

In seinem Konzept bezeichnet Wenk den Ist-Zustand der Weltbild-Filialen als "Gemischtwarenladen", nicht ganz zu unrecht. Diese will er künftig in "hochwertige Buchhandlungen" umwandeln. Der Weltbild-Schriftzug über den Eingängen wird verschwinden und durch "Lesensart"-Schilder ersetzt werden. Diese sollen wie bisher bei Weltbild in rot-weißer Farbe gehalten sein. Auch inhaltlich soll sich einiges ändern: Jede Filiale wird im Gegensatz zur Vergangenheit selbständig arbeiten, und zwar in jeglicher Hinsicht vom Sortiment bis zur Schaufenstergestaltung. Damit sollen die Filialleiter auch regionale Besonderheiten beachten können. Der übrige Bereich neben den Büchern soll etwa 20 Prozent des Gesamtumsatzes einnehmen. Dabei will er sich aber auf klassische Artikel wie Geschenke, Kalender und Postkarten konzentrieren. Soll wohl heißen: Bohrmaschinen und Gartengeräte wird es künftig nicht mehr geben. Letzteres können viele Verkäufer sehr gut nachvollziehen.

Dennoch gibt es Mitarbeiter mit Einblick, die Wenks Aktion als "Himmelfahrts-Kommando" bezeichnen. Vor allem die Tatsache, dass er 80 Prozent des Umsatzes mit dem sogenannten Barsortiment machen will. Darunter versteht man jene Bücher, die der Laden selbst nicht vorrätig hat, die er aber bis zum nächsten Tag bestellen kann. Hier sind die Gewinnmargen kleiner als bei jenen, die der Händler vorab kauft und in sein Regal stellt. Aus Insider-Kreisen heißt es, Weltbild habe stets auf den direkten Einkauf bei Verlagen gesetzt und durch seine Marktmacht extrem hohe Rabatte erhalten. Dennoch schrieben viele Filialen vor allem aufgrund der hohen Mieten rote Zahlen. "Mit 80 Prozent Barsortiment kann man die Richtungsänderung nie schaffen", sagt ein Experte.

Wenk will die Mieten drücken

Rüdiger Wenk geht laut Konzept davon aus, dass er die Mieten in Verhandlungen massiv senken kann. "Das ist aussichtslos", so ein Weltbild-Mann. "Wir haben das nach der Insolvenz auch probiert und auf Granit gebissen." Wenks Konzept kündigt auch Schulungen für das Personal und eine Umstellung auf ein flexibleres EDV-System an. Er will also zusätzliches Geld in die Hand nehmen. Mitarbeiter fragen sich, wie er diese Investition mit seiner GmbH stemmen will, die nur zwei Buchgeschäfte betrieb, gerade 25 000 Euro Stammkapital hat und 2012 vier Mitarbeiter auswies. Rätselhaft auch, dass Weltbild schon seit 2010 die Internetadresse www.lesensart.de besitzt, sie führt zum Weltbild-Internetshop.

Hat Wenk noch potente Hintermänner, die ihm unter die Arme greifen? Insidern zufolge hat er die 70 Filialen zum Schnäppchen-Preis bekommen. Er musste Weltbild nur den Einkaufspreis aller Waren bezahlen. Mehr nicht. In seinem Konzept plant Wenk einen Gewinn von drei bis vier Prozent des Umsatz vor Steuern ein. Laut Weltbild will der neue Eigner alle 400 betroffenen Mitarbeiter weiterbeschäftigen.

Betriebsrat nennt Verkauf "eklatante Fehlentscheidung"

Weltbild hatte am Freitag angekündigt, 70 seiner 145 Filialen zu verkaufen und dies als "klares Bekenntnis zum Stationärgeschäft als Teil des Geschäftsmodells" bezeichnet. Betriebsrat Timm Boßmann sieht das komplett anders: "Mit dem Verkauf der 70 Geschäfte ist das Filialgeschäft von Weltbild unterhalb des Knies amputiert worden." Er gehe davon aus, dass durch den Wegfall der 70 Filialen sowohl in der Zentrale als auch bei der Logistik-Sparte weitere Arbeitsplätze akut gefährdet sind - zusätzlich zu den von der Geschäftsführung ohnehin schon geplanten 400 Stellenstreichungen. "Der Verlust der Läden schlägt natürlich auf die Abteilung Filialbelieferung durch", sagt Boßmann. "Und dass wir künftig nur noch Bücher für halb so viele Geschäfte einkaufen, wirkt sich natürlich auch auf die Rabatte unserer Lieferanten aus." Boßmann fasst den Verkauf so zusammen: "Das ist leider die nächste eklatante Fehlentscheidung."

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