Darf der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat in Europa weiterhin eingesetzt werden? Darüber müssen die EU-Länder in den nächsten Monaten entscheiden. Viele Landwirte wollen das Mittel nutzen, kein anderes Pestizid wird weltweit so häufig eingesetzt. Behörden in Europa, den USA, Japan und Kanada halten den Wirkstoff für relativ sicher.
Doch nun wirft ein Zivilprozess in den Vereinigten Staaten neue Fragen über die Sicherheit von Glyphosat und das daraus hergestellte Produkt Roundup auf. Der amerikanische Konzern Monsanto, der das Mittel in den Siebzigerjahren auf den Markt brachte, muss sie beantworten. Es steht der Vorwurf im Raum, die Firma habe mögliche Risiken verschwiegen und heimlich Einfluss auf Behörden, Forscher und Studien genommen. Monsanto weist dies alles zurück. Die Süddeutsche Zeitung erklärt, welche Bedeutung das Verfahren hat, worum es geht und was in den Dokumenten steht, die ein US-Gericht Mitte März veröffentlicht hat:
Wer klagt?
In dem Prozess vor einem kalifornischen Gericht (United States District Court, Northern District of California) sind 15 Verfahren mit 60 Klägern aus mehreren US-Bundesstaaten zusammengefasst. Er hat also exemplarischen Charakter. Geklagt haben Betroffene, die am Non-Hodgkin-Lymphom - einer bösartigen Erkrankung des Lymphsystems - leiden oder Angehörige dadurch verloren haben. Sie machen Glyphosat und Roundup dafür verantwortlich. Sie stützen sich dabei auf das Urteil der Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC). Diese schätzt den Stoff im Gegensatz zu Behörden als möglicherweise krebserregend ein.
In den Vereinigten Staaten sind darüber hinaus Hunderte ähnlicher Verfahren anhängig, viele der Kläger kommen aus der Landwirtschaft. Ein Urteil des kalifornischen Gerichts ist nicht so schnell zu erwarten. Ziel sei es, solche Verfahren innerhalb von drei Jahren zu lösen, sagt eine Gerichtssprecherin. Häufig werden solche Verfahren aber mit einem Vergleich vorzeitig beendet, auch das könnte Monsanto viel Geld kosten.
Der Prozess wird weltweit beachtet. "Wir haben in den vergangenen Wochen erlebt, wie sich dieses Thema von einem einfachen Prozess zu einem globalen öffentlichen Gesundheitsthema entwickelt hat", meint Timothy Litzenburg von der Anwaltskanzlei The Miller Firm, die Kläger vertritt. Selbst Regierungsstellen anderer Länder zeigten Interesse. Das Besondere ist, dass erstmals brisante Firmendokumente in großem Umfang publik werden, gegen den Widerstand des Konzerns. Die Papiere machten für alle Seiten sichtbar, wie Monsanto hinter den Kulissen agiere und wissenschaftliche Literatur manipuliert habe, meint Litzenburg. Monsanto widerspricht: Die veröffentlichten Dokumente und Mails seien aus dem Zusammenhang gerissen, "um ein falsches Bild von Glyphosat zu zeichnen", heißt es.
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"Du kannst nicht sagen, dass Roundup keinen Krebs verursacht. Wir haben keine Krebsstudien mit Roundup gemacht." Mail vom 21. September 2009
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"Wir könnten die Kosten niedrig halten, wenn wir das Schreiben übernehmen und sie würden nur bearbeiten und mit ihrem Namen zeichnen." Mail vom 19. Februar 2015
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"Wenn ich es schaffe, das zu killen, sollte ich eine Medaille bekommen." Mail vom 28. April 2015
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Was das für Bayer bedeutet
Brisant ist das Verfahren auch aus deutscher Sicht. Monsanto steht kurz vor der Übernahme durch die Bayer AG - mit einem Volumen von 66 Milliarden Euro eine der teuersten weltweit. Ein Prozess bedeutet also auch ein finanzielles Risiko für den deutschen Konzern. The Miller Firm ist nur eine der Kanzleien auf der Klägerseite. Sie ist auf Sammelklagen spezialisiert und hat nach eigenen Angaben Hunderte Millionen Dollar für Opfer schädlicher Diätnahrung, Medikamente oder Medizinprodukte erstritten.
Bei Bayer hält man sich bedeckt: "Aussagen zu den finanziellen Risiken aufgrund der Unwägbarkeiten des gerichtlichen Verfahrens wären derzeit rein spekulativ", heißt es in einer Stellungnahme. Der Komplex sei aber bei den Übernahmegesprächen berücksichtigt worden. "Auf die Übernahme von Monsanto wird der Ausgang des Verfahrens keine Auswirkungen haben", betont Bayer.