Umdenken beim Finanzminister:Schäuble will Schuldenbremse lockern

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Wolfgang Schäuble ändert das Spiel: Nach seinen Vorstellungen sollen die Länder auch nach 2020 weiter Kredite aufnehmen dürfen. (Foto: REUTERS)

Die Länder sollen auch nach 2020 Kredite aufnehmen dürfen: Finanzminister Schäuble plant eine Lockerung der Schuldenbremse. Sein Angebot ist allerdings an harte Bedingungen geknüpft.

Von Guido Bohsem, Berlin

Wolfgang Schäuble ist schon so lange im politischen Geschäft, dass ihn eigentlich nichts mehr aus der Fassung bringen kann. Doch als der Bundesfinanzminister vergangenes Jahr mit den Ländern über das Hilfspaket für die von der Jahrhundertflut betroffenen Gebiete verhandelte, verlor er seine Gelassenheit angesichts der knallharten Position der Länder. Von der viel gerühmten Solidarität war nichts mehr zu spüren. Das Hilfspaket konnte nur geschnürt werden, weil der Bund das Gros der Kosten übernahm.

Schäuble hörte immer wieder die gleiche Begründung. Man könne sich leider nicht übermäßig engagieren, denn die Schuldenbremse komme ja demnächst und verbiete den Ländern, neue Schulden aufzunehmen. Der Bund hingegen habe Spielräume und könne freier handeln.

Es war nicht das erste Mal, dass die Schuldenbremse als Begründung für eine politische Blockadehaltung der Länder herhalten musste. Zuvor war Schäuble unter anderem deswegen im Bundesrat mit seinem Plan gescheitert, die Steuern zu senken und so die kalte Progression zu mildern, die vor allem Arbeitseinkommen belastet.

Der Bund könnte Kredit-Spielraum an die Länder abgeben

Und auch in den Verhandlungen über die Neuordnung des Finanzausgleichs zwischen den Ländern hörte er immer wieder das Schuldenbremsen-Argument. Deshalb hat Schäuble sich nun entschlossen, das Spiel zu ändern. Er will die Schuldenbremse lockern noch bevor sie tatsächlich richtig in Kraft tritt. Nach seinen Vorstellungen sollen die Länder auch nach 2020 weiter Kredite aufnehmen dürfen. Einen entsprechenden Vorschlag hat er nach Informationen der Süddeutschen Zeitung den Länderfinanzministern bereits vorgelegt. Schäuble riskiert damit viel. Schließlich präsentiert die Bundesregierung den europäischen Nachbaren die deutsche Schuldenbremse immer wieder als Vorbild. Es hat die deutsche Politik Jahre gekostet bevor man sich zu dem Regelwerk durchgerungen hat und nach nur fünf Jahren soll es wieder geändert werden.

Nach den Vorgaben der Verfassung dürfen die Länder von 2020 an keine Kredite mehr aufnehmen. Für den Bund gilt die Schuldenbremse schon von 2016 an. Er soll sich weiterhin verschulden können, wenn auch nur in engen Grenzen. Erlaubt sind 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), was derzeit etwa zehn Milliarden Euro entspricht. Ausnahmen davon soll es nur geben, wenn Naturkatastrophen das Land erschüttern oder die Wirtschaft unter einer schweren Rezession ächzt.

"Der Bund bietet an, den Ländern einen Teil seines Kreditfinanzierungsspielraums zur Verfügung zu stellen", heißt es in einer Verhandlungsunterlage, die der SZ vorliegt. Schäuble habe das Thema in den Gesprächen mit den Finanzministern der Länder auch schon persönlich angesprochen, hieß es. Konkret sei darüber gesprochen worden, dass der Bund künftig nur noch Kredite in Höhe von 0,2 Prozent aufnehmen dürfe, während den Ländern 0,15 Prozent zur Verfügung stünden.

In den Verhandlungen über die Schuldenbremse hatten die Länder sich auf das Verbot jeglicher Neuverschuldung eingelassen, weil ihnen im Gegenzug mehr Zeit blieb, die Schuldenbremse einzuhalten.

Neue Abstimmungsregeln im Stabilitätsrat

Schäubles Angebot ist allerdings an harte Bedingungen geknüpft. Sein Ziel ist es, den sogenannten Stabilitätsrat, der aus den Finanzministern von Bund und Ländern zusammengesetzt ist, in eine echte Kontrollbehörde für die Haushalte umzuwandeln. Nach Schäubles Vorstellungen soll das Gremium künftig Sanktionen bei Verstößen gegen die Schuldenbremse aussprechen. Damit die Sanktionen auch Eindruck hinterlassen, soll das Gremium das Recht erhalten, gegen einen Haushalt mit zu hoher Neuverschuldung vor dem Verfassungsgericht klagen zu dürfen.

Damit es überhaupt zu Sanktionen oder zu einer Klage kommen kann, will Schäuble nach den Informationen der SZ zudem die Abstimmungsregeln im Stabilitätsrat ändern. Derzeit können Beschlüsse nur gefasst werden, wenn Schäuble zwei Drittel seiner Länderkollegen an seiner Seite hat. Künftig könnte eine einfache Mehrheit ausreichend sein. Schon jetzt darf das betroffene Land nicht mitstimmen.

Die Länder haben diese Vorschläge bislang immer heftig zurückgewiesen, weil sie fürchten, dass dadurch ihre grundgesetzlich zugesicherte Unabhängigkeit in Haushaltsfragen in Zweifel gezogen würde. Schäuble kann also zunächst nicht mit großer Begeisterung rechnen.

Doch hat er noch andere Druckmittel in der Hand, denn schließlich sehen die Länder ohne zusätzliches Geld des Bundes keine Möglichkeit, sich auf eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs zu einigen. Der läuft 2019 aus, und einen neuen zu schaffen gilt als große Herausforderung.

Um die Gespräche schneller voranzutreiben, hat die große Koalition inzwischen eine Art Übergremium eingerichtet. Eine Vierergruppe, die aus Hamburgs Regierendem Bürgermeister Olaf Scholz, Vizekanzler Sigmar Gabriel (beide SPD), Schäuble und dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) besteht, soll in regelmäßigen Abständen tagen. Ziel ist es, sich möglichst noch in diesem Jahr auf zentrale Punkte für einen neuen Länderfinanzausgleich zu verständigen.

© SZ vom 12.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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