Der Platz, auf dem früher die Puerta del Sol stand, ist nicht einfach irgendeiner der vielen historischen Orte in Spaniens Hauptstadt. Das nach Osten ausgerichtete Sonnentor der alten Stadtmauer ist vielmehr der Mittelpunkt des Landes: Ein farbiges Mosaik im Straßenpflaster markiert den Nullpunkt, von dem aus die Kilometersteine der sechs strahlenförmig von Madrid ausgehenden großen Nationalstraßen gezählt werden. Auch das unterirdische Herz der Metropole schlägt hier: In "Sol" treffen sich drei Metrolinien, 30 Meter unter dem Reiterstandbild des Königs Karl III. kann man auch in die Vorortzüge umsteigen.
Doch seit Anfang der Woche reiben sich viele Metrofahrer die Augen: Die drei Buchstaben des traditionsreichen Namens der Station wurden überklebt, sie heißt nun "Vodafone Sol". Der britische Mobilfunkriese bezahlte drei Millionen Euro an die hochverschuldete Stadt, um zwei Jahre lang seinen Namen nicht nur an den Bahnsteigen, sondern auch auf allen Hinweistafeln und Metroplänen lesen zu können. Die Madrider Meinungsmacher schweigen indes vielsagend dazu.
Zeitungen schweigen aus Angst
Die beiden großen Zeitungen El País und El Mundo haben die beispiellose Neuerung nicht kommentiert, geschweige denn bejubelt. Redakteure geben hinter vorgehaltener Hand zu verstehen, dass ihnen die Umbenennung überaus peinlich ist. Doch andererseits ist Vodafone ein potenter Anzeigenkunde, den man angesichts der finanziellen Schieflage der Verlage nicht vergrätzen dürfe.
Dafür wird in Cafés und im Internet umso heftiger darüber gestritten, dass "Madrids Herz" nun verkauft worden sei. Für manche Traditionalisten geht es um Grundsätzliches, nämlich die Ehre der Nation. Ein Blogger fragte ironisch, was wohl Karl III., der im 18. Jahrhundert seinem Reich eine wirtschaftliche Blüte beschert hatte, darüber dächte, dass sieben Generationen später seine Nachfahren diese Erniedrigung durch die ungeliebten Engländer hinnehmen müssten.
Auch für linke Gruppen ist das rote Vodafone-Logo gleichsam ein rotes Tuch: An der Puerta del Sol wurde 1931 die Republik ausgerufen, und 2011 fanden hier die großen Demonstrationen der Indignados, der Empörten, statt. Was also könnte besser die Niederlage im Kampf für eine gerechtere Gesellschaft symbolisieren, so lautete eine Klage in einem Internetforum.
Marketingexperten sehen Eigentor von Vodafone
Doch in guter spanischer Tradition werden sich die Traditionalisten, die über die verletzte Ehre der Nation lamentieren, und die Antikapitalisten kaum zusammentun, um wenigstens in diesem konkreten Fall an einem Strang zu ziehen. Denn die ideologischen Gräben sind zu tief. Lachende Dritte bleiben so die stets pragmatischen konservativen Stadtväter, die ihre Geschäftsidee als "Weg zum Schuldenabbau" anpreisen.
Marketingexperten sagen allerdings voraus, dass dieser Namenskauf ein Eigentor für Vodafone sein werde. Die Firma wecke bei niemandem positive Emotionen, doch mit Sicherheit reagiere ein Teil der Madrilenen mit Wut. Doch im fünften Krisenjahr sind die Hauptstädter der Proteste überdrüssig. So beschränkten sich die Unmutsbekundungen in der ersten Woche auf ein paar kaputte Namensschilder und übermalte Buchstaben in den Metro-Gängen.