Uli Hoeneß' Schweizer Bankkonto:Der Preis der Anonymität

Uli Hoeneß

Steuerhinterzieher Uli Hoeneß

(Foto: dpa)

Lange hat Uli Hoeneß gehofft, dass sich Deutschland und die Schweiz auf ein Steuerabkommen einigen. Zwar hätte der FC-Bayern-Präsident dann deutlich mehr zahlen müssen als bei seiner Selbstanzeige. Dafür wäre er aber nicht aufgeflogen. Dass man sich für Geld Anonymität kaufen kann, haben SPD und Grüne verhindert.

Von Guido Bohsem und Wolfgang Koydl

Wie groß die Ähnlichkeit zwischen den beiden ist, mag jeder selbst beurteilen: hier der Präsident des FC Bayern München, dort Frankreichs Groß-Schauspieler Gérard Depardieu. Sicher ist: Beide Männer fallen in die Kategorie älterer Bauchträger - und beide darf man seit Kurzem Steuerflüchtling nennen.

Weil ihm der französische Fiskus zu viel seines Geldes nehmen wollte, ist Depardieu seit Anfang 2013 Bürger der russischen Stadt Saransk, die in der Region Mordwinien liegt. Hoeneß ging einen anderen Weg. Er ist weiterhin in Bayern, Deutschland wohnhaft, hat aber über ein Konto in der Schweiz einen Teil der fälligen Steuern hinterzogen. Dies räumte er Mitte Januar in einer Selbstanzeige ein. Der Fußball-Promi wandte sich nach eigenen Aussagen an die Behörden, nachdem das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz gegen Ende des Jahres endgültig gescheitert war. Gescheitert, aber nicht vergessen: Über das Abkommen wird nun wieder heftig diskutiert.

Der Merkel-Koalition ging es darum, die Kapitalerträge deutscher Anleger künftig in der Schweiz in der gleichen Höhe wie in Deutschland zu besteuern - also mit einer Abgeltungsteuer von 25 Prozent, plus Solidaritätszuschlag von 5,5 Prozent. Um die Anonymität zu wahren, hätten die Schweizer Banken zwar das Steueraufkommen weiterleiten sollen, aber nicht die Namen der Steuerflüchtigen.

Die Regelung hätte für Deutsche gegolten, die unversteuertes Geld in der Schweiz angelegt haben wie auch für solche, die Kapitalerträge auf ihr versteuertes und in der Schweiz angelegtes Geld kassierten und diese Einkünfte nicht versteuert haben. SPD und Grüne blockierten das Inkrafttreten des Abkommens im Bundesrat. Was schon im Sommer 2012 abzusehen war, geschah Mitte Dezember: Das Abkommen scheiterte im Vermittlungsausschuss zwischen Länderkammer und Bundestag endgültig.

Geld für Anonymität

Wer sich in den Feinheiten des Abkommens auskennt, hält Hoeneß' Begründung für stichhaltig. Zwar hätte er unter den Bedingungen des Abkommen deutlich mehr Steuern zahlen müssen - wäre aber für den deutschen Fiskus unerkannt geblieben. Ein Rechenbeispiel des Berliner Steuerprofessors Frank Hechtner zeigt das deutlich. Wer vor zehn Jahren zwölf Millionen Euro und dafür pro Jahr fünf Prozent Zinsen erhalten hat, müsste danach - sämtliche Zinsen und Strafzuschläge eingerechnet - bei einer Selbstanzeige etwa 3,3 Millionen Euro nachzahlen. Hechtner: "Das Steuerabkommen hätte bei der gleichen Konstellation zu Belastungen von etwa 4,1 Millionen Euro geführt." Immerhin ein Unterschied von 800.000 Euro. "Für die von der Schweiz garantierte Anonymität hätten wohl viele Steuerpflichtige finanzielle Nachteile in Kauf genommen."

SPD und Grüne störten sich genau an dieser garantierten Anonymität und am Umstand, dass Anleger von Schwarzgeld ihrer Strafe entkommen und am Ende noch profitieren. Laut Hechtners Berechnungen hätten die Inhaber von einmal in die Schweiz verschobenem Schwarzgeld in 78 Prozent aller denkbaren Fälle lediglich den Mindest-Steuersatz von 21 Prozent zahlen müssen. Wer regelmäßig Schwarzgeld in die Schweiz geschafft hat, hätte mit einem Steuersatz zwischen 32 und 35 Prozent rechnen müssen. Beides ist deutlich günstiger als der Spitzensteuersatz auf Einkommen, der bei 42 Prozent liegt.

Die Zukunft gehört dem elektronischen Datenaustausch

Die Schweizer hatten vergrätzt auf das gescheiterte Abkommen reagiert. Daran zeigen sich die unterschiedlichen steuerpolitischen Ansätze von beiden Ländern. Jahrelang waren eidgenössische Emissäre durch ganz Europa gereist und hatten die im Abkommen verankerte Abgeltungsteuer als der Weisheit letzten Schluss in der Schwarzgeld-Problematik gepriesen. So könnten Altlasten entsorgt und neue Einlagen anonym besteuert werden. Doch heute gilt das Konzept auch in der Schweiz als Auslaufmodell. Die Zukunft, so tönt es mittlerweile fast unisono in Politik und Finanzwirtschaft, gehöre wohl dem automatischen Informationsaustausch.

Sogar Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf, die noch bis zuletzt für die Abgeltungsteuer geworben hatte, schloss sich dem Trend an. Auf der jüngsten Tagung der Finanzminister der G-20-Staaten setzte sie nun ihre Unterschrift unter das Kommuniqué, das den automatischen Datenaustausch als weltweiten Standard verlangt. Voraussetzung sei nur, dass alle relevanten Staaten mitmachten, wandte die Ministerin mit Seitenblick auf die USA ein. Die fordern bislang zwar Informationen anderer ein, weigern sich aber, selbst Daten herauszugeben.

Die Banken wollen einen Schlussstrich

Mittlerweile bröckelt sogar das letzte Bollwerk des Widerstandes in der Schweiz: Selbst Patrick Odier, der Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung, hat ein Einlenken angedeutet. "Wenn der automatische Informationsaustausch zum globalen Standard wird, können wir uns ebenfalls anpassen", sagte er in einem Interview mit der NZZ am Sonntag.

Die Interessenvertretung der Finanzinstitute hatte ohnehin schon lange ein einsames Rückzugsgefecht geführt. Viele Banken, darunter die Schwergewichte UBS und Crédit Suisse, rechnen seit Längerem mit mehr Transparenz im Geschäft. Ihnen geht es in erster Linie darum, einen Schlussstrich unter die anrüchige Vergangenheit zu ziehen und unbelastet ein neues Kapitel aufzuschlagen.

In Deutschland werden nun am Fall Hoeneß die Schlachten über das Abkommen erneut geschlagen. Der Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, dass dem Staat durch die Blockade von SPD und Grünen einige Milliarden entgangen seien. "Es wäre uns gelungen, nicht nur den Einzelfisch zu fangen, sondern den ganzen Schwarm im Netz zu haben."

SPD und Grüne hatten Hoeneß' Selbstanzeige zuvor als Beleg genommen, dass die Blockade des Abkommens und die Konzentration auf den Ankauf von Steuer-CDs richtig war. Für Hoeneß jedenfalls dürfte es zu spät sein, es Depardieu gleichzutun und die russische Staatsbürgerschaft anzunehmen.

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