Süddeutsche Zeitung

UKW-Radio:Sendepause

Wegen eines Streits um die Nutzung von Antennen droht Millionen der Blackout. Es geht um viel Geld. Bis Montag ist noch Zeit, sich zu einigen.

Von Helmut Martin-Jung

Sie heißen Sender, der Mitteldeutsche Rundfunk etwa, Radio FFH oder Deutschlandradio. Senden im eigentlichen, technischen Sinne tun sie jedoch nicht, das überlassen sie Dienstleistern. Und genau das ist der Grund dafür, warum von Mittwoch an bis zu zehn Millionen Radiohörer womöglich keinen UKW-Empfang mehr haben werden. Es gibt nämlich Streit um die Antennen, von denen aus UKW-Radio ausgestrahlt wird. Dieser Streit währt schon einige Zeit, und natürlich geht es dabei ums Geld.

Früher wurden die Sendeanlagen in der ehemaligen DDR von der dortigen Post gebaut und betrieben, im Westen von der Bundespost, später der Telekom. Die Telekom lagerte dieses Geschäft in eine Tochter namens Media Broadcast aus. Diese Tochter wurde vom privaten Mobilfunkkonzern Freenet gekauft, den man auch als Betreiber des Digital-Fernsehens (DVB- T2) und Digital-Radios über Antenne (DAB+) kennt. Viele Radiomacher im Osten beauftragten Media Broadcast mit der Verbreitung ihrer Sendungen.

Media Broadcast war eine Zeitlang Monopolist auf diesem Sektor. Die Firma fungierte sowohl als Sendernetzbetreiber - transportierte also die Inhalte der Radiomacher zu den Antennen und betreiben die Antennen. Doch vor sechs Jahren wurde das alte Monopol abgeschafft, von der Liberalisierung des Marktes erhoffte man sich mehr Konkurrenz. Neue Anbieter sollten ebenfalls Zugriff auf die Antennen haben - und zwar zu regulierten Preisen. Das aber gefiel Media Broadcast nicht, denn nun waren die Sendeanlagen mit einem Mal kein einträgliches Geschäft mehr.

Deshalb entschied sich das Unternehmen, die Antennen zu verkaufen. Diese gingen zum 1. April 2018 an 30 verschiedene Käufer, etwa ein Drittel davon an Sender in Bayern und Baden-Württemberg. Dort hat man nun auch keine Probleme. Man muss die Sendeantennen zwar selbst betreiben, aber eben auch keine Miete dafür zahlen. Öffentlich-rechtliche Sender im ehemaligen Westen wie etwa der bayerische Rundfunk sind ohnehin nicht betroffen, weil sie ihre Sendernetze inklusive der Antennen selbst betreiben.

Die Antennen-Mietgebühr ist für die anderen Sendernetzbetreiber der Knackpunkt. Die neuen Eigentümer der Antennen wollen kein Minusgeschäft machen, weshalb sich die Preise für die Nutzung der Antennen kräftig erhöhen sollen, die Rede ist von Aufschlägen zwischen 20 und 40 Prozent. Und da die Antennen ja nun vielen Besitzern gehörten, könne die Bundesnetzagentur die Preise dafür auch nicht mehr regulieren. Die saftigen Aufschläge treffen nun die Dienstleister, die für die Radiomacher das Signal zu den Antennen bringen und dann senden sollen. Durch die Preiserhöhung stimmt deren Kalkulation nicht mehr, ihr ganzes Geschäftsmodell, das offenbar auf den alten, regulierten Preisen für die Antennennutzung beruht, ist in Gefahr. Sie wittern ein abgekartetes Spiel: Dass Freenet/Media Broadcast die Antennen abgestoßen habe, diene doch bloß dazu, die Konkurrenz auszubooten. Die neuen Eigentümer stimmten sich untereinander ab. Bei Freenet wiederum hält man das für eine Verschwörungstheorie.

Bei einem Runden Tisch im März versuchten die wichtigsten Akteure im deutschen Rundfunkmarkt, das drohende Desaster noch abzuwenden. Eigentlich gab es auch eine Einigung, der zufolge noch bis Juni weiter über die Antennen gesendet werden dürfe. Allerdings verlangte Media Broadcast dafür einen Auftrag entweder von den Rundfunkanstalten oder von deren Dienstleistern. Nun heißt es bei Media Broadcast, dass bis dato allerdings erst zehn von insgesamt 40 Betroffenen einen solchen Auftrag erteilt hätten. Falls der Auftrag auch bis Montag noch fehlt, will Media Broadcast den Betrieb betroffener Sender einstellen. Sollte man sich in letzter Minute doch noch einigen, werden letztlich die Rundfunkanbieter mehr zahlen müssen.

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Quelle:
SZ vom 07.04.2018
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