Ukraine-Konflikt:Geld als Hebel gegen Putin

Ukraine-Konflikt: Einer der Oligarchen: Roman Abramovich lächelnd beim Spiel seines britischen Fußballklubs Chelsea.

Einer der Oligarchen: Roman Abramovich lächelnd beim Spiel seines britischen Fußballklubs Chelsea.

(Foto: AP)

Der Westen droht im Ukraine-Konflikt die Vermögen russischer Oligarchen einzufrieren. Doch dafür braucht es strengere Gesetze.

Kommentar von Markus Zydra, Frankfurt

Wie bringt man einen Menschen zur Raison? Man sollte dort zupacken, wo es ihm weh tut. Das ist die Strategie des Westens im Ukraine-Konflikt. Russische Milliardäre, die in London oder New York ein luxuriöses Leben führen, sollen Angst bekommen um ihre Vermögen. Für den Fall, dass Russlands Präsident Wladimir Putin den Befehl zum Einmarsch in die Ukraine gibt, drohen Europa und die USA die Reichtümer einiger Oligarchen einzuziehen. Die Oligarchen im Westen gehören zum Machtapparat Putins -sanktioniert man sie, trifft man auch den Präsidenten. Aber ist das überhaupt möglich?

Um die Vermögen der Oligarchen einfrieren zu können, muss man herausfinden, wo sich diese befinden und wem sie gehören. Das ist sehr schwer, denn die Oligarchen selbst besitzen die Immobilien, Jachten, Firmen und Wertpapiere meist gar nicht: Die offiziellen Eigentümer sind in aller Regel Firmen mit Strohleuten als Geschäftsführer. Und die Besitzer dieser Firmen sind wiederum andere Firmen, die in wieder anderen Ländern registriert sind. Die Namen der Oligarchen tauchen in den Urkunden wohl nur selten auf.

Deshalb ist der Ermittlungsaufwand, beispielsweise eine bestimmte Londoner Immobilie konkret einem bestimmten Oligarchen zuzuordnen, sehr groß. Darüber hinaus muss die mögliche Beschlagnahmung rechtsstaatlichen Prinzipien genügen. Die Betroffenen wehren sich regelmäßig vor Gericht gegen solche Maßnahmen, und der Staat besitzt da schlechte Karten, wie die britische Denkfabrik Chatham House in einer Studie feststellte: Die britischen Strafbehörden haben demnach schon aufgrund ihrer Unterbesetzung kaum eine Chance gegen die hochbezahlten und hochqualifizierten internationalen Anwaltskanzleien, denen russische Oligarchen enorm hohe Honorare bezahlen.

Es sind härtere Strafen gegen die Komplizen notwendig

Der Westen möchte russischen Oligarchen glaubhaft drohen? Dann sollten sich die Regierungen zunächst einmal die Juristen, Wirtschaftsprüfer und Banker vorknöpfen, die im Westen studiert haben, hier leben, die Vorzüge der Demokratie genießen und gleichzeitig Oligarchen, Kleptokraten und kriminellen Banden helfen, die Herkunft von inkriminierten Vermögen zu verschleiern. Härtere Strafen gegen diese Komplizen-Clique sind notwendig.

Doch diese Maßnahme allein reicht nicht. Der Ukraine-Konflikt ist Ausdruck der sich zuspitzenden globalen Auseinandersetzung zwischen Demokratien und Autokratien vom Schlage Russlands: In diesem Konflikt wird Geld als Waffe eingesetzt. Die US-Präsidentschaftswahlen 2016, das Brexit-Referendum in Großbritannien, aber auch jüngste Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in EU-Staaten sind durch böswillige Desinformationskampagnen torpediert worden - mutmaßlich gesteuert und finanziert durch Russland. Diese verdeckte Einflussnahme geschieht beispielsweise über PR-Firmen, deren Eigentümer und Auftraggeber sich hinter intransparenten Unternehmens - und Finanzstrukturen verbergen.

Ähnlich ist die Entwicklung bei Parteispenden. Britische Experten sind sicher, dass post-sowjetische Kleptokraten mit ihren Zuwendungen inzwischen die konservativen Tories politisch beeinflussen. Die "Kaviar-Diplomatie" des aserbaidschanischen Autokraten Ilham Alijew im Europarat zeigte, dass auch deutsche Parlamentarier anfällig für Bestechungsversuche waren.

Anonyme Firmenstrukturen müssen verboten werden

Die westlichen Demokratien müssen diese Unterwanderung im eigenen Interesse stoppen - auch unabhängig vom Ukraine-Konflikt. Die Strafverfolgungsbehörden brauchen dazu mehr Personal. Anonyme Firmenstrukturen - die westliche Demokratien geradezu selbstzerstörerisch anbieten und von Oligarchen natürlich dankbar genutzt werden -gehören verboten. Doch das wichtigste Instrument ist: Vermögen, deren Besitzer nicht bekannt oder deren Herkunft zweifelhaftem Ursprungs sind, müssen von den westlichen Behörden solange eingefroren werden, bis der wahre Eigentümer belegt, dass er die Reichtümer legal erworben und versteuert hat. Der italienische Staat behandelt die Vermögen mutmaßlicher Mafia-Mitglieder schon seit den 1980er Jahren auf diese Art.

Diese effektive Durchsetzung einer Beweislastumkehr im Kampf gegen Geldwäsche ist kein unbotmäßiger Angriff auf die Privatsphäre. Vielmehr belegen Vermögensbesitzer dadurch ihre Integrität. Der Normalbürger muss das schließlich auch tun - jährlich in seiner Steuererklärung.

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