Liechtenstein:Wo russisches Geld gut aufgehoben war

Liechtenstein: Blick über Liechtensteins Hauptstadt Vaduz. Für Ausländer ist es nicht möglich, sich in der Stadt Immobilien zu kaufen. Als Finanzplatz dürfen sie Vaduz aber nutzen.

Blick über Liechtensteins Hauptstadt Vaduz. Für Ausländer ist es nicht möglich, sich in der Stadt Immobilien zu kaufen. Als Finanzplatz dürfen sie Vaduz aber nutzen.

(Foto: ARNO BALZARINI/picture alliance / dpa)

Schneller als der große Nachbar Schweiz übernahm Liechtenstein die EU-Sanktionen. Nicht jeder dort findet das gut. Denn die Geschäfte mit reichen Russen liefen prächtig.

Von Uwe Ritzer, Vaduz

Ein paar Stunden lang spekulierte der Finanzplatz Liechtenstein darauf, zu den Kriegsgewinnern zu gehören. Während Zehntausende russische Soldaten ihre letzten Vorbereitungen für die Invasion der Ukraine trafen, dachten Finanzmanager in Vaduz über die Vorteile der Krise nach. Erfahrungsgemäß würden sich in geopolitisch unsicheren Zeiten reiche Anleger aus Deutschland und anderen Ländern "sichere Häfen" für ihr Geld suchen, hieß es.

Und solche seien nun mal der Schweizer Franken als Währung, die auf Vermögensverwaltung spezialisierten und obendrein eigenkapitalstarken Liechtensteiner Banken und das Fürstentum an sich, das als winzige, aber sehr reiche Monarchie Stabilität in jeder Hinsicht garantiere. Deswegen sei "davon auszugehen, dass sich die anhaltend unsichere politische Lage in den Halbjahreszahlen der Banken sicher bemerkbar machen wird", orakelte Simon Tribelhorn, der Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands - nämlich in Form von viel frischem Geld aus dem Ausland.

Keine 24 Stunden später marschierten Putins Truppen in die Ukraine ein. Und die Regierung in Vaduz kündigte schneller noch als die benachbarte Schweiz an, die EU-Sanktionen gegen Russland vollständig zu übernehmen. Zweifellos eine von Landesfürst Hans-Adam II. mitbestimmte Entscheidung, der Wladimir Putin umgehend einen "rücksichtslosen Diktator" nannte, dem man unter allen Umständen Einhalt gebieten müsse (und der im Übrigen von Wirtschaft nichts verstehe). Noch während sich die Verantwortlichen des mit nicht einmal 40 000 Einwohnern sechstkleinsten Staates der Erde sortierten, trat ein anderer prominenter Liechtensteiner von seinem Posten zurück: Klaus Tschütscher, von 2009 bis 2013 Regierungschef des Landes, fungierte seit 2014 als russischer Honorarkonsul in Liechtenstein, wie schon einer seiner Vorgänger.

Dass zwei ranghöchste Politiker nach ihrem Ausscheiden als russische Honorarkonsuln reüssierten, ist ein Indiz, wie wichtig Russland für Liechtenstein ist. Schließlich bunkern nicht wenige reiche Russen seit Jahren dort sehr viel Geld. In Trusts, Familienstiftungen oder anderen, von Treuhändern diskret verwalteten Konstrukten, oder direkt bei Banken. Umso mehr ließ die Ankündigung der Regierung aufhorchen, auch gegen Oligarchen und andere Günstlinge Putins vorzugehen, deren Namen auf den EU-Sanktionslisten stehen. Liechtenstein wolle sich nicht zum Komplizen für Putin und dessen Gefolgsleute machen, so die offizielle Lesart. Der andere Teil der Wahrheit dürfte sein, dass das Fürstentum unter keinen Umständen wieder unter Druck von EU und USA kommen will, wie nach dem großen Steuerskandal 2008.

Wie wichtig russische Kundschaft für Liechtensteiner Banken und Treuhänder ist, zeigt das Beispiel VP-Bank. Sie hat 2020 explizit Russland und die Ukraine als Zielmärkte definiert. Diese Woche sagte ihr Vorstandschef Paul H. Arni, in den vergangenen zehn Jahren seien jeweils zehn Prozent der Netto-Neugeldzuflüsse aus Osteuropa gekommen, das meiste mutmaßlich aus Russland. Entsprechend trifft die Liechtensteiner Sanktionspolitik auch den Finanzplatz. Experten schätzen, dass dort viele Hundert Millionen Franken russisches Geld gebunkert sind.

Nicht jeder Liechtensteiner befürwortet die Sanktionspolitik gegen Russland

Dass Liechtenstein auch in fragwürdige Geldströme eingebunden war, steht außer Frage. Einer der Nutznießer soll Wladimir Putin persönlich gewesen sein. 2014 sollen zwei ihm nahestehende Geschäftsleute umgerechnet 200 Millionen Dollar russische Steuergelder abgezwackt haben, die eigentlich für die Modernisierung von Krankenhäusern gedacht waren. Das Geld floss unter anderem über eine britische Firma auf Schweizer Konten einer Gesellschaft namens Lanaval, die wiederum 48 Millionen Dollar nach Liechtenstein überwies. Auf das Konto einer Medea Investment, die Medienberichten zufolge der italienische Architekt Lanfranco Cirillo kontrollierte. Er ist der Planer von Putins bombastischem Palast am Schwarzen Meer, der eine Milliarde Euro gekostet haben soll. Und angeblich auch mit jenen 200 Millionen Euro bezahlt wurde, die eigentlich für Hospitäler bestimmt waren.

Als Russland 2014 die Krim annektierte, verpflichtete sich Liechtenstein lediglich dazu, nicht gegen die deswegen von EU und USA verhängten Sanktionen zu verstoßen. In der Praxis vermieden viele Finanzmanager jedoch aus Furcht vor den Amerikanern auch nur den Anschein, sie könnten Sanktionen unterlaufen. Nun, nach dem Überfall auf die Ukraine, ist Liechtenstein merkwürdig geteilt. Offiziell fährt Vaduz einen harten, klaren Kurs. Im Land selbst hält ihn mancher für geschäftsschädigend. So warfen die rechtspopulistischen Demokraten pro Liechtenstein (DpL) der Regierung "bedingungslose Kapitulation und vollständige EU-Unterwerfung vor", weswegen Liechtenstein auf einer russischen Liste "unfreundlicher Staaten" gelandet sei. Und im Übrigen: Dass auf der EU-Sanktionsliste 699 russische Staatsbürger namentlich, mit Wohnorten und Geburtsdaten aufgelistet werden, verstoße gegen den Datenschutz.

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