Süddeutsche Zeitung

Ukraine-Krieg:Konsumgenossenschaften fordern Ende der Sanktionen gegen Russland

In einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz warnen Unternehmer aus Ostdeutschland vor den Folgen des Embargos. Dabei übersehen sie manches.

Von Michael Kläsgen

Die Vorsitzenden mehrerer Konsumgenossenschaften und Unternehmen in Ostdeutschland fordern in einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz, "die Embargopolitik gegenüber Russland neu zu justieren". Gemeint ist damit, dass die Bundesregierung die infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verhängten Sanktionen aufheben soll. Dabei zeigen selbst russische Wirtschaftsdaten, dass die überwiegend westlichen Sanktionen gegen Russland ihre Wirkung entfalten. So stockt beispielsweise die Produktion von Autos, Flugzeugen und Maschinen. Und das, obwohl sich laut der Nachrichtenagentur Bloomberg nur die Hälfte der G20-Staaten, die insgesamt für etwa 85 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung stehen, an den Sanktionen beteiligen.

Die Konsumgenossenschaften argumentieren hingegen in ihrem Brief an Scholz: Die Sanktionen sollten "Putin treffen, nicht aber den deutschen Mittelstand ruinieren". Nun seien aber viele Genossenschaftsmitglieder aus Handel, Industrie und Hotellerie "akut in ihrer Existenz gefährdet". Ändere die Ampelregierung nicht ihre Sanktionspolitik, drohe Deutschland "durch die weiter rückläufige Wirtschaftsleistung ein massives Unternehmenssterben, damit verbundene Arbeitslosigkeit und sinkende (Steuer-)Einnahmen". Um die Brisanz der Situation zu verdeutlichen, führen die Verfasser mehrere Beispiele an, von Fachkräftemangel bis Energiekosten.

Zu den zwölf Unterzeichnern gehören Vorstände und Vorstandsvorsitzende mehrerer Konsumgenossenschaften etwa aus Weimar und Dresden, die Geschäftsführer der Stendaler Landbäckerei, des Kaffeerösters Röstfein und des Konsumhotels Oberhof-Weimar. Nach eigenen Angaben stehen sie für ein Umsatzvolumen von 700 Millionen Euro und etwa 6280 Mitarbeiter.

Die Kritik an der Sanktionspolitik generell ist nicht neu. Innerhalb der Europäischen Union zählt der ungarische Ministerpräsidenten Viktor Orban zu den vehementesten Gegnern. Auch aus seiner Sicht hätten die Sanktionen angeblich nicht nur die an sie geknüpften Hoffnungen nicht erfüllt, sondern sogar eine entgegengesetzte Wirkung ausgelöst. Tatsache ist, dass Sanktionen zweischneidig sein und auch den Sanktionierenden schaden können. Das weiß nach eigener Aussage auch Russlands Machthaber Wladimir Putin.

Wie sich die Verfasser des Briefes die Neujustierung der Sanktionspolitik vorstellen, schreiben sie nicht. Sie verurteilen in dem Schreiben auch den verbrecherischen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine nicht. Ebenso wenig thematisieren sie, dass die Sanktionen mit anderen EU-Staaten abgesprochen und in die EU-Politik eingebunden sind. Kein Wort auch dazu, dass sie dazu dienen, höhere Werte zu verteidigen, etwa die Demokratie in der Ukraine und darüber hinaus.

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