Süddeutsche Zeitung

Überweisungen:Wenn die Iban nicht akzeptiert wird

Wer ein ausländisches Konto besitzt, dem werden des Öfteren Überweisungen, Lastschriften oder Vertragsabschlüsse verwehrt. Was hinter dieser Diskriminierung steckt und wie man sich wehren kann.

Von Benjamin Emonts

Die Liste der Beschwerden ist lang: Der litauische Angestellte eines deutschen Elektro-Großhandels beklagt etwa, dass sein litauisches Konto trotz mehrfacher Bitte nicht als Lohnkonto akzeptiert worden sei. Das Gehalt bekomme er nur auf ein deutsches Konto überwiesen. Ähnlich lief es für eine Studentin aus Belgien. Im Infoschreiben des Studentenwerks musste sie lesen, dass sie den Dauerauftrag für das Wohnheim nur über ein deutsches Konto abwickeln könne. Sie möge bitte eines hier vor Ort eröffnen, hieß es.

Umgekehrt ist das allerdings genauso. Auch Konten mit deutscher Iban werden im EU-Ausland teilweise nicht akzeptiert. Ein Beispiel: Im März 2021 beklagte der damalige Europaabgeordnete Sven Giegold (Grüne) in einem Brief an die EU-Kommission, dass die Verwaltung des Europaparlaments die Gehälter der parlamentarischen Assistenten nur auf Konten mit belgischer Iban überweisen wollte. Giegold bezeichnete diesen Vorgang als "besonders peinlich". Betraf er schließlich eine der wichtigsten europäischen Institutionen.

Im Fachjargon nennt man diese Fälle kurz und prägnant: "Iban-Diskriminierung". Den Betroffenen werden Überweisungen, Lastschriften oder Vertragsabschlüsse verwehrt, nur weil sie kein inländisches Konto besitzen. Die Folgen sind teils gravierend. Sie erhalten keinen Zugang zu Krankenkassen, kein Arbeitslosengeld, können keine Stromrechnungen zahlen und keine Mobilfunkverträge abschließen. Der einzige Ausweg ist häufig, ein Bankkonto mit lokaler Iban zu eröffnen.

Die Vorgabe gilt für 36 europäische Länder

In der Europäischen Union ist diese Praxis schon lange illegal. Sie wurde im Jahr 2014 durch die europäische Sepa-Verordnung 260/2012 verboten. Die Intention hinter der Einführung des Sepa-Raums (Single Euro Payments Area) war schließlich, einen schnellen, sicheren und grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr im Europäischen Wirtschaftsraum zu ermöglichen. Auch dafür hatte man die nationalen Kontonummern damals durch internationale Ibans (International Bank Account Number) ersetzt. Seit 2016 müssen Banken, Händler und Behörden diese Kontonummern akzeptieren. Die Vorgabe gilt für 36 europäische Länder.

Doch selbst jetzt, da das bargeldlose Zahlen immer mehr an Bedeutung gewinnt, reißen die Beschwerden über Iban-Diskriminierung nicht ab. Eine Reihe bekannter Finanzdienstleister wie Wise, Revolut und Klarna haben 2021 deshalb eine internationale Initiative namens "Accept my Iban" gegründet. Sie sammelt die Verbraucherbeschwerden und meldet sie nationalen Behörden und der EU-Kommission. Dass die Initiative von Neobanken und jungen Finanzdienstleistern geschaffen wurde, ist dabei kein Zufall. Für sie stellt Iban-Diskriminierung ein großes Problem dar, da sie ihren Kunden häufig ausländische Iban zuweisen. Im Fall von Wise sind es belgische Kontonummern.

Laut einer aktuellen Auswertung der Initiative sind seit März 2021 mehr als 2200 Beschwerden auf deren Homepage eingegangen. Die meisten Probleme in Deutschland betrafen Unternehmen aus der Finanzbranche (28 Prozent), dem E-Commerce (21 Prozent), der Telekommunikation (21 Prozent) und dem öffentlichen Sektor (acht Prozent). Deutschland spielt in der Auswertung eine große Rolle. So betraf jede zweite Beschwerde eine deutsche Iban, die im Ausland nicht akzeptiert wurde. Zwölf Prozent der Beschwerden richteten sich gegen in Deutschland ansässige Unternehmen. Die Dunkelziffer schätzen Experten als hoch ein. Bei Weitem nicht alle Betroffenen melden die Fälle, zumal viele die Rechtslage nicht kennen.

Viele Unternehmen geben veralteten IT-Systemen die Schuld

In Deutschland können sich Verbraucher auch an die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs in Bad Homburg wenden. Die Wettbewerbszentrale, wie sie landläufig genannt wird, hat seit 2017 insgesamt 680 Beschwerden über Iban-Diskriminierung gesammelt. In Deutschland sind dem Verein zufolge besonders Versicherer, Energieversorger und Bausparkassen betroffen. Stellt die Zentrale eine Iban-Diskriminierung fest, fordert sie eine Unterlassungserklärung der Unternehmen. Notfalls erhebt sie sogar Klage bei den zuständigen Landgerichten. In 35 von 36 Fällen war sie damit bislang erfolgreich, selbst gegen große Unternehmen wie das Vergleichsportal Verivox, den Immobilienkonzern Vonovia und die Versicherung Arag. Die Prozesse haben dem Verein zufolge stets Wirkung gezeigt. Beschwerden über die Unternehmen blieben seit den Urteilssprüchen bisher aus.

Die Ursachen der Iban-Diskriminierung sind eher trivial. Die meisten Unternehmen geben laut der Initiative "Accept my Iban" veralteten IT-Systemen die Schuld. Diese hätten Schwierigkeiten, Iban zu verarbeiten, deren Format vom deutschen abweicht. In Form und Länge sind nämlich nicht alle Ibans gleich. Deutsche beginnen etwa mit den Buchstaben "DE" und setzen sich mit 20 Ziffern fort, in anderen Ländern können es jedoch auch mehr oder weniger Ziffern sein oder Buchstaben inmitten der Zahlenreihen stehen, beispielsweise in den Niederlanden. Das Überweisen scheitert bei manchen Händlern deshalb bereits in der Eingabemaske, in der die Länderkennzeichen vorausgefüllt sind oder nicht ausreichend oder zu viele Kästchen bereitstehen. Darüber hinaus würden manche Unternehmen und Mitarbeiter die geltenden Vorschriften bis heute schlicht nicht kennen, teilt die Wettbewerbszentrale mit. Einige Verbraucherinnen und Verbraucher berichteten zudem, dass Transaktionen mit ausländischer Iban aus Sicherheitsgründen nicht verarbeitet würden.

Konfrontiert man die Unternehmen mit den Beschwerden, fällt die Reaktion fast immer gleich aus: Den Vorwurf der Iban-Diskriminierung streiten sie entschieden ab. In manchen Fällen beruft man sich auf unwissende Mitarbeiter. Das Studentenwerk beteuert etwa, dass das Infoschreiben "missverständlich" und "veraltet" gewesen sei. "Wir werden es umgehend aktualisieren."

Erste Erfolge hat die Initiative "Accept my Iban" dennoch bereits verbucht. Beispielsweise in Frankreich haben die Generaldirektion für Wettbewerb, Verbrauch und Betrugsbekämpfung (DGCCRF) und das Nationale Komitee für bargeldlosen Zahlungsverkehr (CNPS) Ende 2021 erklärt, dass sie Geldstrafen gegen jeden verhängen, der ein nichtfranzösisches Bankkonto diskriminiert. Die Strafen können bis zu 375 000 Euro betragen. Erfolgreich war schließlich auch der Protestbrief des ehemaligen Europaparlamentariers Giegold. Die Gehälter für parlamentarische Assistenten werden mittlerweile auch auf nichtbelgische Konten überwiesen. Der öffentliche Druck hatte sich in dem Fall ausgezahlt.

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