Überwachung im Supermarkt:Abgescannt im Supermarkt

Metro-Konzern Real-Markt

Nicht nur Internetfirmen, sondern auch stationäre Händler wie Real wollen Daten über ihre Kunden sammeln.

(Foto: dpa)
  • Bei der Supermarktkette Real wird mit Gesichtserkennung geprüft, wie Kunden auf Werbung reagieren. Mittlerweile versuchen stationäre Händler, möglichst viele Informationen über ihre Kunden zu sammeln.
  • Dazu testen sie verschiedene Technologien, die zum Beispiel Emotionen auswerten oder einschätzen sollen, wie vermögend der Kunde ist.

Von Michael Kläsgen und Helmut Martin-Jung

Frauen oder Männer, 20-Jährige oder 60-Jährige - zielgerichtete Werbung für bestimmte Personengruppen, das kannte man bisher vor allem aus dem Internet. Da läuft das sogenannte Targeting darüber, wie sich der Nutzer beim Surfen im Netz verhält. Jetzt ist die Technik auch für den stationären Handel so weit ausgereift, dass Werbung auch zielgerichtet für bestimmte Personengruppen im Laden ausgespielt werden kann. Die Supermarktkette Real bietet derzeit Platz für "TV in der Kassenzone". Da steht ein Bildschirm über der Kasse, daneben eine Kamera, die die Gesichter der Kunden nach Alter und Geschlecht scannt. Stehen fünf Männer an der Kasse, spielt die Software Werbung des Autohändlers in der Nähe der Real-Filiale ab. Sind es fünf Frauen, läuft ein Filmchen des Blumenhändlers nebenan. Idealtypisch natürlich nur.

"Wir können jetzt das leisten, was bisher nur in der digitalen Welt möglich war", sagt Michael Kimmich, der Chef der Augsburger Firma Echion, die den Platz an der Kasse in bundesweit 40 Real-Märkten mietet und betreibt. Die Daten fließen direkt an das Unternehmen nach Augsburg und werden dort auch ausgewertet. Die Technik nennt sich Adpack und stammt von dem Berliner Unternehmen Indoor Advertising (IDA).

Vor gut einem Monat ließ die Post die Technik in etwa 25 Partnerfilialen, also Schreibwarenläden oder Getränkemärkten mit Postschalter, testen. Das Ziel von IDA ist es, ein Werbenetzwerk mit Gesichtserkennungs-Displays aufzubauen und dann automatisierte Werbeplatzierungen zu verkaufen. Werbetreibende sollen ähnlich wie bei der Online-Werbung ihre Schaltungen automatisiert nach Zielgruppen buchen können. Es wäre der Punkt, an dem das Tracking zu Werbezwecken, so wie man es aus dem Internet kennt, also das Nachvollziehen des Standortes oder des Surfverhaltens einer Person, in das analoge Leben tritt. Das gilt nicht nur für Werbung auf Bildschirmen in Läden, sondern auch für Außenwerbung an Haltestellen oder in U-Bahnen, wie sie etwa von Ströer betrieben wird.

Echion und Real sind sich sicher, datenschutzrechtlich auf der sicheren Seite zu sein dank eines Zertifikats der zuständigen Behörde. "Die aufgenommenen Bilder werden rein automatisch ausgewertet und dann sofort wieder verworfen", versichert ein Real-Sprecher. "Die Bilder sind nur für jeweils etwa 150 Millisekunden im Speicher und werden weder übertragen noch gespeichert." Es würden lediglich Metadaten zum eigentlichen Bild übertragen. "Das Recht am eigenen Bild wird daher nicht berührt. Die Erkennung der Personen erfolgt komplett anonym." Kimmich betont, dass eine Verknüpfung mit persönlichen Daten nicht möglich sei. Anders ist das etwa bei den sogenannten Beacons.

Die kleinen Sender, die für Datenaustausch sorgen, waren als eine kommende Technologie in Supermärkten und Warenhäusern gehandelt worden, sind inzwischen aber wieder etwas in Vergessenheit geraten. Der Grund: Ihr Nutzen für den Kunden ist nicht erwiesen. Findet der Datenaustausch beispielsweise mit einem Smartphone statt, hätte der Betreiber der Beacons Zugriff auf persönliche Daten des Besitzers. Somit birgt die Technik an dieser Stelle ein Datenschutz-Problem.

Echion und Real setzen keine Beacons ein, aber Real informiert seine Kunden auch nicht ausdrücklich über das Gesichtsscanning an der Kasse, sondern weist lediglich auf die Kameraüberwachung des gesamten Marktes hin. Ähnlich ging auch die Post vor.

Unternehmen testen viele Technologien, bisher ist der Nutzen gering

Auch wenn Real und Post keinen unmittelbaren Nutzen von den Tests haben, klar ist: Um den Kunden gezielt ansprechen zu können, was immer wichtiger wird, muss man ihn möglichst genau kennen. Die Technik von IDA ist da nur eine von vielen, die derzeit von verschiedenen Unternehmen von Media Saturn über Gap bis Ikea ausprobiert werden. Das ostfriesische Handelsunternehmen Bünting beispielsweise testete mit dem Lebensmittelkonzern Mondelez sogenannte Digital Promoter. Auf Bildschirmen konnten sich Kunden sehen und Rezepte passend zu den beworbenen Produkten wählen oder animierte Fotos von sich ausdrucken.

Der deutsche Software-Konzern SAP zeigte vor Kurzem auf seiner Hausmesse den Prototypen eines Systems, das im Schaufenster eines Bekleidungshauses installiert werden kann. Eine Person, die vor dem Fenster steht, wird in Sekundenschnelle gescannt. Auf eine weiße Fläche, die den erfassten Körpermaßen entspricht, werden Vorschläge für neue Kleidungsstücke projiziert. Das System versucht am Gesichtsausdruck zu erkennen, ob die Vorschläge gefallen oder nicht. Falls nicht, zeigt es neue Vorschläge. Das Besondere daran ist, dass mithilfe künstlicher Intelligenz versucht wird, emotionale Reaktionen zu erfassen.

Bei Real wird Mimik-Analyse bisher nicht eingesetzt. Generell dürfte es im Supermarkt schwer sein, Emotionen der Kunden auszuwerten, da die meisten beim Einkaufen von Alltagsprodukten kaum wahrnehmbare Gefühlsregungen zeigen. Aber klar ist: Die Technik steht erst am Anfang. Bald wird es auch möglich sein, nicht nur das Gesicht, sondern auch die Kleidung zu scannen und daraus zu schließen, wie vermögend der Kunde ist.

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