Überwachung:Die Handynummer ist in China ein Kontrollinstrument

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Eine Frau nutzt ihr Smartphone auf einer Mobilfunk-Konferenz in Peking. (Archivbild von 2016) (Foto: AFP)

Google will in seiner geplanten China-Suchmaschine Fragen der Nutzer mit ihren Nummern verknüpfen. Das ist in China Vorschrift - um die Bürger im Auge zu behalten.

Von Lea Deuber

Das neue iPhone, das Apple diesen Monat vorgestellt hat, verspricht den Nutzern, mit nur einer SIM-Karte zwei Handynummern in ihrem Gerät nutzen zu können. Wie Apple ankündigte, wird das Modell weltweit verkauft werden - nur in China nicht. Im August wurde Googles Geheimprojekt "Dragonfly" bekannt: eine zensierte Suchmaschine speziell für China. Nun heißt es, durch sie solle jede Suchanfrage mit der Handynummer des Nutzers verknüpft werden.

Beide Nachrichten hängen zusammen. Das Problem des neuen Apple-Handys ist: In das Modell für das nichtchinesische Ausland kann man eine physische SIM-Karte einlegen - und zusätzlich bietet Apple eine virtuelle eSIM zur Nutzung einer zweiten Nummer an. Die macht eine weitere Chipkarte überflüssig. Mit der eSIM könnte es allerdings schwieriger werden, eine Klarnamen-Registrierung für die Handynummer zu erzwingen. Denn Nutzer sind nicht mehr auf SIM-Kartenanbieter angewiesen, die beim Verkauf der Karten die Identität überprüfen.

Deshalb soll sich Apple gegen den Verkauf in China entschieden haben, so der Apple-Experte und Journalist Tripp Mickle. Schon bei der Apple Watch, in der die gleiche Technologie steckt, gibt es LTE-Empfang laut Apples Internetseite beim Anbieter China Mobile nur in sieben Städten und nicht in der Hauptstadt Peking. China Telecom und China Mobile bieten den Dienst gar nicht an.

Ähnlich verhält es sich mit Googles geplanter China-Suchmaschine: Seit 2016 sind Betreiber von Internetdiensten in China verpflichtet, "illegale Inhalte" zu melden. Und seit vergangenem Jahr müssen Nutzer sich in fast allen Diensten online mit Klarnamen und Handynummer registrieren. Anonymität im Internet ist staatlich nicht gewollt. Egal ob für einen Account in einem sozialen Netzwerk, einen mobilen Bezahldienst, Essenslieferung oder den Versand eines Päckchens - das meiste läuft über die elfstellige Nummer. Sie ist zur digitalen Identifikationsnummer der ganzen Gesellschaft geworden - und ausländische Konzerne wie Apple und Google spielen jetzt mit.

In den frühen 2000er Jahren war es in China noch leicht, eine anonyme Prepaid-Karte für sein Handy zu bekommen. Mobilfunkshops und Imbissbuden vertrieben die Karten gegen wenige Renminbi, die Verkäufer hatten sie meist mit einem Gummiband in 20er-Packs verknotet. 2010 verschärfte China die Vorschriften zum Verkauf der Chipkarten, 2017 schlossen Behörden die letzten Schlupflöcher. Inzwischen müssen Käufer wie in Deutschland Personalausweis und Meldeadresse hinterlegen. Anders als hierzulande wird sie inzwischen standardmäßig fast überall für Anmeldungen von Bankkonten bis hin zu Messenger-Diensten abgefragt. Jedes Mal, wenn ein Nutzer sie im Internet verwendet, können seine Bewegungen, Kommentare und Posts eindeutig identifiziert werden.

Wie weit das mittlerweile geht, zeigt der Bezahldienst "Smile to pay" von Alipay. Seit vergangenem Jahr testet der chinesische Fintech-Konzern in einem Einkaufszentrum in Hangzhou Bezahlen per Gesichtserkennung. Kunden bestellen ihr Essen an einem Selbstbedienungsschalter. Die Maschine scannt das Gesicht des Kunden und ordnet ihn automatisch seiner digitalen Geldbörse zu. Um zu bestätigen, muss er nur noch seine Handynummer eingeben, um den Bezahlvorgang abzuschließen.

Massive Kritik an Google - von den eigenen Mitarbeitern

Seit Bekanntwerden der Suchmaschinen-Pläne steht Google massiv in der Kritik. In einem Brief an Google-Chef Sundar Pichai nannte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch die Entwicklung eine "alarmierende Kapitulation" vor dem Regime. 1400 Google-Mitarbeiter schrieben ihren Konzernchefs eine Protestnote. Mehrere Mitarbeiter kündigten, darunter Jack Poulson, einer der leitenden Wissenschaftler. Aber der Konzern erliegt der Verführung wohl.

Acht Jahre nachdem Google mit Verweis auf seine ethische Integrität das Land verlassen hat, sucht es einen Weg zurück. Damals liefen vor allem Unternehmensgründer Sergey Brin die staatlichen Eingriffe zuwider, er konnte als Kind mit seinen Eltern aus der Sowjetunion ausreisen. Aber China ist mittlerweile zum größten digitalen Markt der Welt geworden. Die chinesischen Techkonzerne setzen jedes Jahr Milliarden um. Dazu investiert die Regierung große Summen in die Erforschung künstlicher Intelligenz. Ohne den Zugang zu den Daten der 800 Millionen Internetnutzer im Land fürchtet Google offensichtlich, den Anschluss zu verlieren.

Auch Apple folgt diesem einfachen Kalkül. China ist der drittwichtigste Markt nach den USA und Europa. Will der Konzern seinen Zugang zu Chinas digitalem Ökosystem behalten, muss er nach dessen Regeln spielen. Während er in den USA dem FBI die Hilfe bei der Entschlüsselung eines iPhones verweigert, gibt er sich in China weniger kämpferisch. Erst Anfang dieses Jahres hat er auf Druck der chinesischen Regierung Dutzende Anwendungen aus seinem chinesischen App Store gelöscht, mit denen Nutzer die Internetzensur im Land umgehen können. Aktuell plant Apple ein neues Datenzentrum mit einem chinesischen Staatskonzern in der südwestlichen Provinz Guizhou, das in Zukunft die in China gesammelten Daten des Konzerns verwalten soll.

Ex-Google-Chef Eric Schmidt stellte bei einer Veranstaltung in San Francisco vergangene Woche eine düstere Prognose auf: Er glaube, dass das Internet in den kommenden zehn Jahren in zwei Teile zerfallen könnte. Auf der einen Seite ein US-amerikanisch dominiertes freies Netz. Auf der anderen Seite ein chinesisch geführtes Internet. Das, so Schmidt, würde zwar "fortschrittliche Produkte und Dienstleistungen" enthalten, aber auch strenger Zensur unterliegen. Googles zensierte Suchmaschine Dragonfly wäre ein Teil davon.

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