Übernahmen:Warum Berlin gegen China mauert

Chinas Ministerpräsident Li Keqiang in Berlin

Chinas Ministerpräsident Li Keqiang und Bundeskanzlerin Angela Merkel trafen sich am Anfang des Monats noch in Berlin, um über engere Wirtschaftsbeziehungen zu sprechen.

(Foto: dpa)
  • Anfang des Monats kündigten China und Deutschland engere Wirtschaftsbeziehungen an. Nun blockiert die Bundesregierung zwei geplante Investitionen aus China.
  • Damit dürfte sie den neuen Partner überrascht haben. Normalerweise wird vor solchen Investments mit der Bundesregierung abgeklärt, ob sie zustimmen wird.
  • Es manifestiert sich ein grundsätzlicher Konflikt: Ausländische Investoren könnten sehr schlecht einschätzen, wie ihre Anfragen in Berlin beantwortet werden.

Von Cerstin Gammelin, Berlin, und Benedikt Müller, Düsseldorf

Insgesamt gilt, sagt Angela Merkel (CDU) an jenem Nachmittag im Kanzleramt: "Chinesische Unternehmen sind eingeladen nach Deutschland." Es ist der 9. Juli 2018, sie steht neben dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang und ist sichtlich froh, dass der wichtige Gast beteuert, die Handelsbeziehungen mit Deutschland intensivieren zu wollen. Nur zwei Tage vor dem Treffen war der Zollstreit der beiden größten Volkswirtschaften USA und China eskaliert. Die USA hatten zuvor auch Zölle gegen die EU verhängt. Merkel und Li Keqiang sind von US-Präsident Donald Trump in Bedrängnis gebracht worden. In Berlin schwören sie sich auf Freihandel und Multilateralismus ein; bereit, Washington Paroli zu bieten.

Und gut zwei Wochen später? Da bröckelt das Bild von den dynamischen Handelsbeziehungen zwischen den beiden Exportweltmeistern. Berlin stellt unversehens zwei Stopp-Schilder für chinesische Investoren auf: Der staatliche Netzbetreiber State Grid Corporation of China (SGCC) darf sich nicht in den hiesigen Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz einkaufen.

Und am kommenden Mittwoch soll das Bundeskabinett beschließen, den Verkauf des westfälischen Werkzeugmaschinenherstellers Leifeld Metal Spinning an chinesische Investoren zu verbieten. Was auffällig ist: Die Absagen an Peking fallen zusammen mit dem deutschen Jubel über die vage Aussicht, mit Trump doch wieder über Handelsverträge reden zu können. Und damit zunächst weitere Zölle, nämlich auf Autos, verhindert zu haben.

Die Regierung in Peking wird die deutschen Entscheidungen aufmerksam verfolgt haben. Nicht nur, weil Trump darauf bestanden hat, dass Europa tonnenweise Sojabohnen abnehmen soll, die nicht mehr nach China geliefert werden können wegen der hohen Gegenzölle, die Peking seinerseits verhängt hat. Sondern auch, weil sich Berlin unstet zeigt, wenn es um den Einstieg chinesischer Investoren in deutsche Firmen geht. Man darf davon ausgehen, dass die Absagen einen Schatten auf die Handelsbeziehungen werfen.

Auch, weil sie überraschend kommen. Zwar hatte Merkel bei dem Treffen mit Li Keqiang angedeutet, dass nicht jedes chinesische Investment willkommen sei und sie begründen werde, "warum wir an manchen Stellen auch etwas abweisender sind". In Berlin heißt es am Freitag dazu, aus Sicht der Chinesen sei das Problem jetzt nicht, dass zwei Investments abgelehnt worden seien. Vielmehr manifestiere sich ein grundsätzlicher Konflikt: Ausländische Investoren könnten sehr schlecht einschätzen, wie ihre Anfragen in Berlin beantwortet werden. Es fehle, so das Fazit, eine verlässliche Linie in der deutschen Außenwirtschaftspolitik.

Normalerweise gilt: Merkels Wort zählt

Normalerweise gehe eine Regierung wie die in Peking davon aus, dass sie in Vorgesprächen mit der Bundesregierung im Kanzleramt verlässlich herausfinden könne, ob ein Investment Aussicht auf Erfolg haben kann. Das Wort Merkels zählt. Und es zählen die Regeln im Außenwirtschaftsgesetz. Ein ausländischer Investor, der beides vorab kläre, sollte also vorab wissen, was geht und was nicht gehen kann. Und bei schlechten Aussichten auf eine Bewerbung gleich ganz verzichten.

Insbesondere die Entscheidung im Fall 50 Hertz zeigt, dass es anders läuft. Der chinesische Investor hatte sich zwei Mal um eine finanzielle Beteiligung am deutschen Netzbetreiber beworben, in der Annahme, die gesetzlichen und informellen Vorgaben zu erfüllen. Jedoch vergeblich. Beim ersten Versuch im Frühjahr hatte der Mehrheitseigner von 50 Hertz, der belgische Versorger Elia, anstatt SGCC, weitere Anteile übernommen und seine Beteiligung auf 80 Prozent erhöht.

Der Kauf der Anteile soll nur eine "Brückenlösung" sein

Jetzt, beim zweiten Versuch, kauft Elia die restlichen 20 Prozent - um sie an den deutschen Staat weiterzureichen. Auf Betreiben von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kauft die deutsche Staatsbank KfW die Anteile auf. Zwar soll es nach Auskunft aus dem Bundeswirtschaftsministerium nur eine "Brückenlösung" sein. Fest steht aber, dass mit der Verstaatlichung des deutschen Übertragungsnetzbetreibers ein Tabu gebrochen wurde.

Der damalige Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hatte einst verhindert, dass der Bund einen strategisch wichtigen Anteil von 25,1 Prozent an der deutschen Netzgesellschaft übernehmen durfte. Jetzt kauft sich der Staat nur mit 20 Prozent ein, also ohne besondere Rechte. Die Bundesregierung habe aus "sicherheitspolitischen Erwägungen ein hohes Interesse am Schutz kritischer Energieinfrastrukturen", teilte das Wirtschaftsministerium mit. Bevölkerung und Wirtschaft erwarteten eine zuverlässige Energieversorgung.

Was rein von der Wirtschaftskraft her bizarr klingt: SGCC lag 2017 mit fast 350 Milliarden Dollar Umsatz und 1,6 Millionen Mitarbeitern auf Platz zwei der "Fortune Global 500"-Liste der weltweit größten Unternehmen. 50 Hertz baut, betreibt und wartet die Übertragungsnetze in Ostdeutschland, Berlin und Hamburg. Sie versorgen etwa 18 Millionen Menschen mit Strom und sind laut der Unternehmensbilanz knapp 1,8 Milliarden Euro wert

Aus Sicht der Chinesen ist es bitter, dass das deutsche Außenwirtschaftsgesetz erst ab einer geplanten Beteiligung von 25 Prozent vorschreibt, die Käufe staatlicherseits zu prüfen. SGCC wähnte sich auf der sicheren Seite als Finanzinvestor; man wollte 20 Prozent übernehmen, mithin ohne strategisch wichtige Mitspracherechte. Dennoch: Berlin lehnt trotzdem ab. In Peking dürfte das unter "willkürliche Entscheidung" gebucht werden.

Chinesen dürfen Maschinenbauer nicht übernehmen

Auch das geplante Veto gegen den Verkauf von Leifeld dürfte in diese Kategorie fallen. Das Geschäft des westfälischen Unternehmens mutet zunächst recht harmlos an: Leifeld Metal Spinning stellt Werkzeugmaschinen her, mit denen sich etwa Leichtmetallfelgen und Lichtreflektoren formen lassen oder Kochtöpfe und Ventilatorenteile. Die Firma wurde im Jahr 1891 gegründet, hatte ihren Sitz stets in Ahlen und zählt heute gut 200 Beschäftigte. Doch neben der Automobilbranche nennt Leifeld auch die Luft- und Raumfahrtindustrie als wichtigste Kunden. Mit den Werkzeugmaschinen aus Westfalen lässt sich etwa Titanstahl zu Propellerhauben oder Triebwerksteilen verformen.

Dass ein Investor aus China bei Leifeld einsteigen will, ist dort seit wenigen Wochen bekannt. Es habe Fragezeichen unter den Beschäftigten hervorgerufen, sagt Hans-Werner Heißmann-Gladow von der IG Metall Gütersloh-Oelde. "Diese Skepsis wäre aber genauso vorhanden, wenn etwa ein Hedgefonds aus Europa Interesse bekundet hätte", sagt der Gewerkschafter. "Erfahrungsgemäß geht es Hedgefonds vor allem um die Rendite, den Chinesen hingegen um Technologietransfer."

Das Unternehmen selbst wollte die Diskussion um den möglichen Investor am Freitag zunächst nicht kommentieren. Leifeld meldet einen Jahresumsatz von gut 40 Millionen Euro, bilanzierte zuletzt Rekordaufträge und einen Gewinn im einstelligen Millionenbereich. "Dem Unternehmen geht es gut", betont eine Sprecherin. Bislang gehört Leifeld dem früheren Premiere-Chef und Sportunternehmer Georg Kofler. Der Südtiroler hat sich vor gut einem Jahrzehnt an der Firma beteiligt. Seitdem expandierte Leifeld in die USA und nach China. Zuletzt erhielt der Maschinenbauer mehr als ein Drittel seiner Aufträge aus China.

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