Süddeutsche Zeitung

Übernahmegespräche mit Lufthansa:Air-Berlin-Zerschlagung kommt wohl schneller als erwartet

  • Nach SZ-Informationen sollen die Verhandlungen zwischen Lufthansa und Air Berlin bereits am Freitag beginnen und im Idealfall in der kommenden Woche abgeschlossen werden.
  • Geht alles glatt, könnte Air Berlin so schon im September zerschlagen sein - und nicht erst im November.
  • Lufthansa will etwa 90 der 140 Air-Berlin-Maschinen übernehmen. Streit bahnt sich aber um die Tochtergesellschaft Niki an.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin könnte deutlich schneller zerschlagen werden als bislang bekannt. Nach SZ-Informationen nimmt Lufthansa bereits am Freitag die Verhandlungen mit Sachwalter Lucas Flöther und dem Air-Berlin-Vorstand auf. Das kündigte Lufthansa-Konzernchef Carsten Spohr dem Vernehmen nach bei einer Sondersitzung des Lufthansa-Aufsichtsrates an. Die Verhandlungen sollen klären, wie ein großer Teil der Strecken, Flugzeuge und Mitarbeiter im Lufthansa-Konzern aufgehen kann. Außerdem will Lufthansa die Air-Berlin-Tochter Niki komplett übernehmen.

Ein Abschluss könnte, so heißt es in Unternehmenskreisen, schon in der kommenden Woche erzielt werden. Lufthansa hat sich hinter den Kulissen bereits seit etwa einem Jahr auf eine Air-Berlin-Pleite vorbereitet und arbeitet nun einen detaillierten Ablaufplan ab. Die Bundesregierung hat die Pläne stets unterstützt und ist mit einem Übergangskredit in Höhe von 150 Millionen Euro eingesprungen, trotz Bedenken von Wettbewerbshütern und Protesten von Konkurrenten wie Ryanair. Dass das Geld wie angekündigt bis November reicht, gilt in der Branche als sehr unwahrscheinlich. Geht alles glatt, könnte Air Berlin aber bereits im September zerlegt sein, glauben Insider.

Allerdings zeichnet sich ein möglicher Bieterkampf um die Tochtergesellschaft Niki ab, die 20 der etwa 140 Flugzeuge der Air-Berlin-Gruppe betreibt. Neben Lufthansa wird auch der britischen Billigfluggesellschaft Easyjet Interesse an Niki nachgesagt. Die Tochter ist besonders wegen ihrer sehr niedrigen operativen Kosten und der vielen Start- und Landezeiten am Flughafen Düsseldorf für die Konkurrenz attraktiv. Da sie ein separates Unternehmen mit Sitz in Wien ist, ließe sie sich gut als Plattform für zusätzliche Maschinen nutzen.

Lufthansa will nach Angaben aus Unternehmenskreisen im Idealfall etwa 90 Flugzeuge der Air Berlin übernehmen und unter der Marke Eurowings weiterbetreiben. Darin enthalten sind 38 Maschinen, die sie schon jetzt mitsamt Besatzungen mietet, bis zu 40 weitere Kurz- und Mittelstreckenjets sowie voraussichtlich die Mehrzahl der 17 Großraumflugzeuge, die Air Berlin auf Langstrecken vor allem von Düsseldorf aus einsetzt. Ob es tatsächlich so viele werden, hängt von den Verhandlungen über das Wochenende und von der Zustimmung der Wettbewerbsbehörden ab.

Die Jets werden voraussichtlich in mehreren Flugbetrieben innerhalb des Lufthansa-Konzerns landen. Viele Details müssen derzeit noch geklärt werden. Für einen schnellen Übergang wäre es für das Unternehmen besonders wichtig, den Zuschlag für Niki zu bekommen. Allerdings ist der Status der Firma umstritten: Der bisherige Hauptaktionär Etihad hatte für einen 49-Prozent-Anteil an Niki 300 Millionen Euro an Air Berlin überwiesen, die Eigentumsübertragung wurde aber nicht mehr vollzogen.

Dass Air Berlin am Dienstag Insolvenz angemeldet hat, hängt nach SZ-Informationen auch mit einem Konflikt zwischen Etihad und Lufthansa zusammen, der sich in der vergangenen Woche zugespitzt hat. Lufthansa hatte Anfang des Jahres für die Miete der 38 Flugzeuge 130 Millionen Euro an Air Berlin vorgestreckt, um die Finanzsituation ihres neuen Partners zu verbessern. Sie hatte sich aber von Etihad die Rückzahlung für den Fall einer Insolvenz garantieren lassen. Etihad forderte nun, Lufthansa solle auf das Geld verzichten, und erklärte sich für diesen Fall bereit, den Flugbetrieb bei Air Berlin mit weiteren 50 Millionen Euro vorerst aufrechtzuerhalten. Lufthansa lehnte, so Spohr im Aufsichtsrat, den Vorschlag ab. Am vergangenen Freitag teilte Etihad daraufhin Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann mit, dass kein weiteres Geld mehr aus Abu Dhabi fließen werde - und die Bundesregierung sprang mit ihrem Überbrückungskredit ein.

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