Übernahme-Schlacht:Dinosaurier gegen Micky Maus

April 25 2012 Los Angeles CA USA A street facing billboard on the Fox Studios lot indicates t

Die Fox-Serie „Dr. House“ ist längst zu Ende, der Bieterwettbewerb zwischen Comcast und dem Disney-Konzern aber ist gerade wieder in eine neue Runde gegangen.

(Foto: imago/ZUMA Press)

Warum sich die amerikanischen Medienkonzerne Comcast und Disney spinnefeind sind und sich um Filetstücke von Rupert Murdochs Medienimperium Fox balgen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Der Brief klingt freundlich, ja sogar heiter, so als würde jemand einem alten Freund ein paar nette Zeilen schicken. Brian Roberts, Chef des Medienkonzerns Comcast, spricht die Empfänger, den ausgebufften Medienmogul Rupert Murdoch und dessen Söhne James und Lachlan, ganz nonchalant bei deren Vornamen an, er verwendet kleine Schmeicheleien wie das Verb "bewundern" und setzt am Ende des Schreibens der üblichen Grußformel "hochachtungsvoll" sogar noch "sehr" voran. Hach, mag man nun meinen, was ist dieser Brian Roberts doch für ein höflicher Mensch - dabei ist dieser Brief nichts anderes als eine Kriegserklärung.

Comcast möchte einen Großteil des Murdoch-Medien-Imperiums 21st Century Fox übernehmen und hat am Mittwoch ein offizielles Angebot abgegeben: 65 Milliarden Dollar, cash. Das ist sehr viel Geld, angesichts der zum Verkauf stehenden Filetstücke aber auch angemessen. Comcast würde das Hollywood-Studio 20th Century Fox bekommen, die Kabelsender FX und National Geographic und damit erfolgreiche Produktionen wie "The Simpsons", "The X-Files", "Modern Family" oder "American Horror Story". Dazu regionale Sportsender und -rechte, eine Beteiligung an den europäischen Bezahlsendern von Sky und Anteile am Streamingportal Hulu.

"Ich freue mich auf unsere Diskussionen und darauf, gemeinsam mit euch am Abschluss dieses für die Fox-Anteilseigner aufregenden Geschäfts zu arbeiten", schmeichelt Roberts in seinem Brief.

Schließlich gilt die Kriegserklärung ja nicht Murdoch, sondern vielmehr dem Disney-Konzern. Der hatte sich im Dezember grundsätzlich mit Murdoch darauf verständigt, 52,4 Milliarden Dollar in Aktien für die Fox-Filetstücke zu bezahlen und Schulden in Höhe von 13,7 Milliarden Euro zu übernehmen - am 10. Juli hätten die Fox-Aktionäre darüber abstimmen sollen. "Unser Angebot liegt, Stand Mittwochmittag, um etwa 19 Prozent über dem von Disney", schreibt Roberts: "Wir sind zuversichtlich, das Geschäft finanzieren zu können (...) und dass es sämtliche nötigen Genehmigungen erhalten wird."

Würde der Deal glücken, stünde Comcast auch in der Digitalsparte gut da

Dieser Satz ist des Pudels Kern bei diesem Angebot. Denn Comcast ist schon seit geraumer Zeit an einem Zukauf interessiert und hatte im vergangenen Jahr bereits 60 Milliarden Dollar in Aktien geboten, wollte nun allerdings die Entscheidung des Bundesrichters Richard Leon abwarten. Der genehmigte in der vergangenen Woche die 85,4-Milliarden-Dollar-Übernahme des Medienkonzerns Time Warner durch den Internet- und Mobilfunk-Konzern AT&T. Das amerikanische Justizministerium hatte versucht, diese Fusion per Klage zu verhindern, US-Präsident Donald Trump hatte wiederholt und in der ihm eigenen Deutlichkeit dagegen gewettert: "Das ist ein Geschäft, das nicht gut für unser Land ist."

Die Entscheidung des Bundesrichters und seine 172 Seiten lange und recht deutliche Begründung für das Urteil waren deshalb nicht nur ein Sieg für die Beklagten und eine herbe Schlappe für Trump, es war auch ein deutliches Signal an andere Unternehmen: Vereint können sich die Medienkonzerne besser gegen Technikgiganten wie Amazon, Facebook oder Netflix aufstellen. Zum Comcast-Konzern gehören bereits die Sendergruppe NBC, das Hollywood-Studio Universal Pictures und die dazugehörigen Freizeitparks, bei einem Zukauf der Fox-Sparten stünde das Unternehmen tatsächlich auch in der Digitalsparte herausragend da. "Um unser Interesse zu bekräftigen, bieten wir an, die 1,525 Milliarden Dollar zu übernehmen, um Disney für das Scheitern des Deals zu entschädigen", schreibt Roberts: "Und für den unwahrscheinlichen Fall, dass unser Geschäft nicht genehmigt wird, würden wir die dann fälligen 4,025 Milliarden Dollar an Entschädigungen übernehmen."

Roberts ist sich seiner Sache offenbar ziemlich sicher, und auch Rupert Murdoch reagierte sogleich. "Angesichts des Angebotes von Comcast haben wir noch keine Entscheidung getroffen, ob wir die außerordentliche Aktionärsversammlung am 10. Juli vertagen sollen", heißt es in einem Statement: "Wir werden das Angebot gemeinsam mit externen Beratern gewissenhaft prüfen."

Disney-Chef Iger ist bekannt dafür, nicht so leicht aufzugeben

Das Angebot ist freilich ein Fehdehandschuh ins Gesicht von Disney-Chef Robert Iger. Der ist ein Genie in der Kunst, kreative Inhalte wie die Sternenkrieg-Saga "Star Wars", die Superhelden-Franchises "X-Men" und "Fantastic Four" oder Trickfilmreihe "Ice Age" nicht nur auf der Kinoleinwand, sondern auch in Freizeitparks und Spielzeugläden zu monetisieren - da hätte ihm dieser Zukauf wunderbar ins Konzept gepasst, wie er selbst sagte: "Diese herausragende Sammlung spiegelt die steigende Nachfrage der Zuschauer nach vielfältigen Erlebnissen im Unterhaltungsbereich wider." Zudem hieß es immer wieder, dass Iger, dessen Vertrag bei Disney bis 2021 läuft, gerne James Murdoch zu seinem Nachfolger heranziehen wolle. Es geht also nicht nur um Wettbewerb, sondern um das ganz persönliche Vermächtnis von Iger.

Das Angebot von Comcast dürfte nun ein Wettbieten um die Fox-Filetstücke auslösen, es ist nicht zu erwarten, dass Disney - das sich auf Anfrage nicht äußern wollte - einfach so aufgibt. Iger steht im Ruf, seine Angebote zu verbessern, wenn er ein Unternehmen unbedingt haben möchte. 2006 etwa bezahlte er für die Produktionsfirma Pixar 7,4 Milliarden Dollar. Experten schlugen damals die Hände über den Köpfen zusammen, mussten danach aber eingestehen, dass Iger ein Coup gelungen war. Es dürfte nun also auf eine heftige und womöglich auch hässliche Schlacht hinauslaufen, denn in Wirklichkeit ist es ja keine neue Kriegserklärung, die Brian Roberts mit seinem Brief an Murdoch da abgibt, sondern lediglich das Erneuern einer wunderbaren Feindschaft.

Im Jahr 2004 wollte Comcast den Disney-Konzern übernehmen, der damalige Disney-Geschäftsführer Iger wehrte die Offerte ab, wurde ein Jahr später zum Konzernchef befördert und baute das Unternehmen zum ebenbürtigen Rivalen auf. Wie sehr sich die beiden Konzerne mittlerweile verabscheuen, zeigt eine Fahrt mit der Jurassic-Parc-Achterbahn im Freizeitpark Universal Studios: Im Wasser treibt eine Micky-Maus-Mütze neben einem Boot, das ein Dinosaurier demoliert und dabei offenbar die kleine Maus gefressen hat.

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