Contra:Gegen jede Vernunft

Übergewinnsteuern sind beliebt, aber fatal. Sie helfen nicht, sondern schaden.

Von Marc Beise

Es war Mario Draghi, der viel gerühmte Wirtschaftsversteher, der als Premierminister in Italien im vergangenen Jahr eine Übergewinnsteuer eingeführt hat. Es könne nicht sein, so das Argument, dass einzelne Unternehmen gewaltige Gewinne einheimsen würden, während es der Wirtschaft insgesamt und dem Land schlecht gehe. Zehn Milliarden Euro wollte Draghi auf diese Art und Weise umverteilen, am Ende ist es viel weniger geworden - auch weil viele Unternehmen sich zunächst weigerten zu zahlen und lieber vor Gericht zogen. Das kann man als unternehmerische Renitenz abtun, aber richtigerweise sollte man es als Hinweis auf ein grundsätzliches Problem betrachten: Diese spezielle Steuer ist juristisch umstritten, sie führt zu einem heillosen Durcheinander. Und sie macht es den Kritikern leicht, gegen sie zu opponieren. Sie hilft nicht, sie schadet.

Es ist kein Zufall, dass es im Bundestag trotz seiner eher linken Mehrheit dafür bisher keine Mehrheit gab. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium, der einige der klügsten Finanzexperten des Landes vereint, riet bereits im Juli 2022 "dringend" von der Einführung einer solchen Steuer ab. Dennoch kommt die Diskussion in diesen Tagen, da insbesondere die großen Energiekonzerne ihre Jahreszahlen vorlegen und teilweise gewaltige Gewinne ausweisen, mit voller Kraft zurück.

Verdächtig ist bereits, dass meist moralische Argumente ("es kann doch nicht sein, dass ...!") im Vordergrund stehen. Das ist immer sehr ehrenwert, aber wenn sich ausgerechnet in der komplexen Unternehmenswelt moralische Überlegungen mit komplizierten Fragen der Steuersystematik vermischen, geht es - Entschuldigung! - leider meistens schief.

Das beginnt schon bei der Frage, was ein Übergewinn eigentlich ist. Etwas Böses, klar, worauf schon der Vorsatz "Über-" hinweisen soll, aber blickt man genauer hin, stellt man fest, dass ein Übergewinn in der Praxis kaum vernünftig abgrenzbar ist. In der aktuellen Debatte scheint es bereits auszureichen, dass ein Unternehmen in einem Jahr ungewöhnlich gut verdient. Das kann aber schon im kommenden Jahr wieder ganz anders sein - sollen dann die "Untergewinne" vom Staat umgekehrt kompensiert werden? Es ist eben so, dass wirtschaftliche Aktivitäten typischerweise großen Schwankungen unterliegen - hier punktuell einzugreifen, geht selten gut.

In der Regel verweisen die Übergewinn-Apologeten auf den Zeitvergleich - aber wie lang soll der sein? Der Gewinn dieses Jahres zu dem des Vorjahres? Oder zum Durchschnitt der Vorjahre? Welcher Vorjahre? In den USA wurde bei einem entsprechenden Gesetzesvorhaben zur Abschöpfung der Übergewinne von Ölfirmen der Ölpreis 2015 - 2019 als Referenzwert genommen. Für 2011 - 2015 hätten sich gar keine Übergewinne ergeben.

Ohnehin muss man bei Steuern immer fragen, was sie wirklich bringen. Nur moralische Forderungen zu erfüllen, reicht nicht. Die beste Steuer ist die, die dem Gemeinwesen das notwendige Geld bringt, ohne in wirtschaftliche Aktivitäten einzugreifen. In der Marktwirtschaft sind Preise wichtige Marktsignale. Sind sie in einem Sektor hoch, animiert das mehr Unternehmen, hier tätig zu werden. In der Regel ist das dann auch volkswirtschaftlich sinnvoll.

Vor allem aber widerspricht eine Übergewinnsteuer dem Leistungsfähigkeitsprinzip, das eines der Grundrechte des Steuerrechts ist. Wer hohe Einkommen oder Gewinne erzielt, zahlt höhere Steuern, das leuchtet ein. Wenn aber gleiche Gewinne unterschiedlich besteuert werden, je nachdem wo, wie oder wann sie erzielt werden, dann herrscht die Willkür.

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