Überblick:Warum die Kfz-Steuer teurer wird

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Abgastest bei einem VW: Ein neues Verfahren liefert realistischere, höhere Werte – das macht’s teurer. (Foto: dpa)

Wer vom 1. September an ein Auto neu zulässt, muss eine höhere Kfz-Steuer bezahlen. Das liegt an einem geänderten Messverfahren. Was kostet das und worauf muss man achten? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Von Daniela Dau

Vier Buchstaben - WLTP - krempeln derzeit die Autowelt um. Sie stehen für den neuen Abgastest, der den alten Testzyklus NEFZ ablöst. Ab 1. September 2018 gilt WLTP für alle Autos, die neu zugelassen werden - und das wirkt sich direkt auf die Kfz-Steuer aus.

Wer ist von der Umstellung betroffen?

In erster Linie Autokäufer, die ab dem 1. September eine Erstzulassung für ihren Neuwagen bekommen wollen. Ab diesem Stichtag gilt der neue Standard für die Berechnung der Kfz-Steuer. Bereits seit September 2017 müssen Hersteller alle neuen Typzulassungen nach dem WLTP-Zyklus prüfen lassen.

Was unterscheidet das neue Testverfahren vom alten?

Die Kfz-Steuer wird nach dem Hubraum und dem CO₂-Wert eines Fahrzeugs bemessen, der sich aus dem Spritverbrauch ergibt. Ermittelt wurden die dafür nötigen Werte bisher mit einem standardisierten Testverfahren namens "Neuer Europäischer Fahrzyklus". Bereits seit seiner Einführung in den 1990er-Jahren steht der NEFZ in der Kritik. Das neue Messverfahren "Worldwide harmonized Light Duty Test Procedure" (WLTP) soll nun realitätsnähere Angaben liefern. So berücksichtigt es die physikalisch bedingten Fahrwiderstände wie Masse, Luft- und Rollwiderstand umfassender, testet nicht nur die Standardversion eines Fahrzeugtyps, sondern prüft alle erhältlichen Motor-Getriebe-Kombinationen und bezieht auch Sonderausstattungen ein. Wie der NEFZ wird auch die WLTP in zertifizierten Testlaboren unter genau definierten Bedingungen durchgeführt. Entwickelt wurde das Verfahren von der UNECE United Nations Economic Commission for Europe) im Auftrag der EU-Kommission.

Warum wird NEFZ überhaupt abgelöst?

Die Kritikpunkte am NEFZ waren zahlreich: Die genormten Durchschnittsprofile hätten nichts mit den tatsächlichen Nutzungsprofilen der Fahrzeughalter zu tun; eine energiesparende Fahrweise werde angenommen, aber in der Wirklichkeit nicht immer eingehalten; Zusatzverbraucher wie Heizung und Klimaanlage seien bei der Messung ausgeschaltet - um nur einige zu nennen. Laut einer von der Deutschen Umwelthilfe veröffentlichten Studie des von 2013 betrug die durchschnittliche Differenz zwischen Herstellerangabe und wahrem Kraftstoffverbrauch 25 Prozent, mehrere deutsche Premiumhersteller lagen sogar darüber. Experten erwarten, dass die Verbrauchswerte nach WLTP deutlich höher ausfallen.

Was bringt die Einführung von WLTP?

Mehr Transparenz. Autofahrer bekommen genauere und realistischere Verbrauchs- und Emissionsangaben für ihr Modell. Denn im Rahmen der WLTP steigen auch die Anforderungen an die Abgasreinigungssysteme der Fahrzeuge, weil zusätzlich RDE-Tests (Real Drive Emissions) auf der Straße Pflicht werden. Doch die neue Klarheit wirkt sich auf die Höhe der Kfz-Steuer aus, bei einigen Modellen sogar drastisch. Bei technisch identischen Modellen kann es künftig also passieren, dass sie unterschiedlich besteuert werden - je nachdem, ob sie vor oder nach dem 1. September neu zugelassen wurden.

Was kostet WLTP die Autofahrer?

Nach ADAC-Berechnungen steigt die Kfz-Steuer für einzelne Modelle um mehr als 70 Prozent. Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Center an der Uni Duisburg-Essen sagt, gängigen Prognosen zufolge sei beim WLTP-Test mit einem 20 Prozent höheren Treibstoffverbrauch und damit 20 Prozent höheren Werten beim Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids zu rechnen. Im Durchschnitt erwartet der Branchenexperte 50 Euro mehr Kfz-Steuer.

Profitiert der Bund vom neuen Verfahren?

Ja, und zwar nicht unerheblich. Experte Dudenhöffer schätzt, dass in den nächsten 15 Jahren, bis die gesamte heutige Fahrzeugflotte ausgetauscht ist, durch die strengeren Grenzwerte 2,5 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich in die Kasse des Bundes gespült werden. Das Finanzministerium will die Folgen des WLTP für die Kfz-Steuer zwölf Monate lang prüfen. Bisher bringt die Kraftfahrzeugsteuer dem Bund knapp neun Milliarden Euro pro Jahr.

Worauf müssen Verbraucher beim Fahrzeugkauf achten?

Auf dem Energielabel von Neufahrzeugen in der Werbung und in den Verkaufsunterlagen müssen die Verbrauchswerte zunächst weiterhin in NEFZ-Werten angegeben werden. Gleichzeitig geben viele Hersteller aber auch schon die WLTP-Werte an, wodurch es für das gleiche Fahrzeug unterschiedliche Verbrauchswerte gibt. Im ersten Quartal 2019 will die Bundesregierung eine neue Verordnung für die Kennzeichnung von Autos erlassen, die dann WLTP umfasst. In den Fahrzeugpapieren werden bis Ende 2020 WLTP- und NEFZ-Werte parallel ausgewiesen. Für Fahrzeuge, die bereits nach WLTP gemessen wurden, werden die NEFZ-Werte zurückgerechnet oder physisch gemessen. Beim Zurückrechnen können die Werte etwas höher ausfallen.

Wie reagieren die Hersteller?

Für Lagerfahrzeuge (End-of-Series), die nach NEFZ typgenehmigt wurden, kann der Hersteller beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Wird diese zugelassen, wird weiterhin der CO₂-Wert nach NEFZ für die Steuerbemessung verwendet. Wie viele Hersteller diese Ausnahmegenehmigung in Anspruch nehmen, ist noch nicht absehbar.

Was gilt für Fahrzeuge, die derzeit auf Halde stehen?

Weil einige Autobauer mit der Zertifizierung ihrer Autos nicht hinterherkommen, könnte der Markt in den kommenden Wochen mit jungen Gebrauchtwagen geflutet werden. Die Autohersteller und Händler lassen noch schnell ihre Wagen aus Lagerbeständen zu und bringen sie dann vergünstigt auf den Markt. Für Autokäufer entsteht durch die fehlende Zertifizierung kein Nachteil. Wer allerdings unbedingt einen Neuwagen will, muss sich vor allem bei den Marken des Volkswagen-Konzerns auf längere Wartezeiten einstellen. Alleine bei VW müssen mehr als 260 Getriebe-Motorkombinationen neu gemessen und zugelassen werden. Audi und Porsche nennen überhaupt keine Liefertermine mehr, VW stellt vage Ende des Jahres in Aussicht.

Was ist mit Autos, die vor dem 1. September zugelassen worden sind?

Für Autos, die vor dem Stichtag bereits zugelassen worden sind, muss keine höhere Kfz-Steuer bezahlt werden, erklärt der Auto Club Europa (ACE). Auch nicht mehr bezahlen muss, wer einen vor dem 1. September erstmalig zugelassenen Gebrauchtwagen danach wieder zulässt.

Wo sind die Angaben zum Schadstoffaustoß im Fahrzeugschein zu finden?

Den CO₂-Wert nach WLTP kann man in der Zulassungsbescheinigung Teil I im Feld V.7 ablesen, der korrelierende CO₂-Wert nach NEFZ steht im Feld 22. Weisen Händler beziehungsweise Hersteller den WLTP-Wert noch nicht aus, sollten Autokäufer dringend nachfragen.

© SZ vom 31.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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