Es ging um Grundsätzliches: Sind die Fahrer von Uber oder Lyft, des Essenslieferdienstes Doordash und vieler anderer vergleichbarer Plattformen Selbständige? Oder müssten sie nicht eigentlich Angestellte sein? In Kalifornien, der Heimat vieler dieser Unternehmen, ist die Sache nun letztinstanzlich entschieden. Die Mitarbeiter gelten weiter als Selbständige, wodurch ihnen viele Leistungen entgehen, die ihnen als Angestellte zustehen würden.
Der Oberste Gerichtshof des US-Bundesstaates erklärte die sogenannte Proposition 22 für rechtmäßig, und das bedeutet, dass die Mitarbeiter weiter als Selbständige gelten. Die Proposition 22, eine Gesetzesinitiative, war bei der Wahl 2020 in Kalifornien mit 59 Prozent Zustimmung angenommen worden. Ihr zufolge gelten die Mitarbeiter der Plattformen als Selbständige, erhalten aber einige Vergünstigungen. Sie bekommen beispielsweise einen zwanzigprozentigen Aufschlag auf den örtlichen Mindestlohn für jede gefahrene Stunde, eine Entschädigung bei Verletzungen, die bei der Arbeit entstanden sind, und einen fixen Geldbetrag für eine Krankenversicherung.
Die Initiative für diesen Vorschlag war von den Unternehmen mit Hunderten Millionen Dollar vorangetrieben worden, es war die bisher bestfinanzierte in der Geschichte des Landes. Für die Ubers und Lyfts ging es auch um viel, womöglich sogar um alles. Denn ihr Geschäftsmodell beruht gerade darauf, auf ein Heer von Gelegenheitsarbeitern zurückgreifen zu können. Das verschafft ihnen einerseits Flexibilität und spart auf der anderen Seite Kosten.
Während die Firmen entsprechend über das Urteil frohlockten, zeigten sich die Gegner von Propostion 22 verärgert. Gewerkschaftsfunktionärin Lorena Gonzalez, Präsidentin der kalifornischen Vereinigung von Gewerkschaften, teilte in einer online veröffentlichten Stellungnahme mit: „Wir sind tief enttäuscht, dass der Oberste Gerichtshof des Landes es zugelassen hat, dass sich Tech-Firmen von grundlegenden Arbeitsrechten freikaufen können, obwohl Proposition 22 nicht der Verfassung des Landes entspricht.“ Die Firmen hätten „unseren Gesellschaftsvertrag auf den Kopf gestellt, die Mitarbeiter und die Öffentlichkeit müssten das Risiko tragen, das von dieser Arbeit ausgehe, wohingegen sie profitieren“.
In Europa sieht man die Sache vielerorts anders. Großbritanniens höchstes Gericht etwa stufte Uber-Fahrer als Scheinselbständige ein. In Deutschland ist es ebenfalls nicht mehr erlaubt, dass Privatpersonen mit ihrem eigenen Auto Taxidienste anbieten. Sie müssen bei einer Firma angestellt sein und einen Personenbeförderungsschein haben.
Auch viele Lieferdienste arbeiten zumindest teilweise mit Selbständigen. Diese stehen unter großem Druck, im Verkehrsgewühl der Städte mit Fahrrad oder E-Bike die Speisen oder Lebensmittellieferungen so schnell zu den Kunden bringen, wie die Plattformen das vorschreiben. Bei manchen wie Lieferando sind die Fahrerinnen und Fahrer aber mit allen damit verbundenen Leistungen angestellt, seit 2021 auch unbefristet.