Süddeutsche Zeitung

Uber:Einfach mal das Richtige tun

Der umstrittene Fahrdienstleister will die Vergangenheit hinter sich lassen: die hohen Verluste, den vertuschten Hackerangriff, die rüden Methoden gegen Mitbewerber, die Fälle sexueller Belästigung.

Von Kathrin Werner, New York

Die Benimmregel ist kurz und knapp: "Tut das Richtige. Punkt." Dara Khosrowshahi hat seinen Mitarbeitern die neue Devise bei seinem Antritt vorgegeben. Sie klingt wie eine Floskel. Doch bei einem Unternehmen, das so lange das genaue Gegenteil getan hat, ist sie alles andere als selbstverständlich. Khosrowshahi ist seit August Chef von Uber, dem Fahrdienstvermittler und Taxi-Schreck aus San Francisco. Und damit von einem Unternehmen, das sehr viel falsch gemacht hat.

Einerseits ist Uber ein beispielloser Erfolg. In nur sieben Jahren ist das Start-up von null auf einen Marktwert von 69 Milliarden Dollar angeschwollen - höher als bei den US-Autoherstellern Ford und General Motors. Uber fährt in 76 Ländern, vermittelte 2016 etwa 5,5 Millionen Fahrten pro Tag, zwei Milliarden pro Jahr. Uber ist in den USA wie Google zum Verb geworden: "I'm ubering." Andererseits ist Ubers Weg mit Skandalen gepflastert: Rechtsstreits, Regelbrüche, Sexismus, Angebereien, Vertuschungen, Betrügereien und vor allem sehr, sehr hohe Verluste. Gut zehn Milliarden Dollar hat der Fahrdienst seit Gründung verbrannt. Allein im dritten Quartal dieses Jahres schrieb Uber einen Verlust in Höhe von fast 1,5 Milliarden Dollar - bei rund zwei Milliarden Dollar Umsatz.

Uber, sagt Adam Lashinsky, der dieses Jahr ein Buch über die Firma veröffentlicht hat, ist inzwischen eine "Karikatur der Kultur des Silicon Valleys". Das Jahr 2017 war das Jahr der Katastrophen bei dieser "Karikatur der Kultur des Silicon Valleys". Es war das Jahr, in dem sich Fehler der Vergangenheit offenbarten. Zusammen ergeben sie das Bild eines Niedergangs, den Khosrowshahi noch nicht stoppen konnte. Lange sah es so aus, als würden Ubers Skandale nie bestraft werden. Doch das Jahr 2017 hat gezeigt, dass selbst der Liebling der wichtigsten und reichsten Wagniskapitalgeber nicht unantastbar ist. Vielleicht kommen Khosrowshahis Versuche, ab jetzt das Richtige zu tun, schlicht zu spät.

"Ich kann den Worten der Uber-Anwälte in diesem Fall nicht mehr vertrauen."

Ubers derzeit größte Baustelle ist ein aufsehenerregender Rechtsstreit. Die Google-Schwesterfirma Waymo klagt, weil Uber angeblich von ihr gestohlene Technologie für selbstfahrende Autos nutzt. Waymo behauptet, der frühere Entwickler Anthony Levandowski habe vertrauliche Informationen von Google zu Uber mitgenommen. Er soll vor seinem Weggang 14 000 Dateien heruntergeladen haben, darunter geheime Technik eines Schlüsselelements der Roboterautos. Levandowski hatte nach dem Weggang von Google das Start-up Otto gegründet, das Uber für 680 Millionen Dollar kaufte. Ende Mai wurde Levandowski gefeuert. Der Prozess sollte in diesen Tagen beginnen, doch der Richter hat den Auftakt auf Februar verschoben. Er habe Zweifel, ob Uber alle relevanten Informationen herausgerückt hat, sagte Richter William Alsup bei einer Anhörung. "Ich kann den Worten der Uber-Anwälte in diesem Fall nicht mehr vertrauen."

Das Zittern bei Uber dauert also noch länger an. Es geht um riesige Schadenersatzsummen. Uber zu trauen, fällt vielen schwer, auch den Kunden und Investoren. Zuletzt musste der neue Chef zugeben, dass das Unternehmen ein Jahr lang einen Hackerangriff verschwiegen hat. Die Hacker hatten Daten von 57 Millionen Nutzern und Fahrern gestohlen. Anstatt die Betroffenen zu informieren, zahlt Uber den Angreifern 100 000 Dollar für die Vernichtung der Informationen. All die Skandale haben dazu geführt, dass viele Kunden vor allem in den USA, dem wichtigsten Markt, statt mit Uber mit dem Rivalen Lyft fahren. Uber verliert Marktanteile, die das Unternehmen oft nur durch verlustträchtige Rabatte wieder zurückholen kann. Immer wieder gab es Boykottaufrufe. Viele Kunden löschten nach den Eskapaden ihre Uber-App, der Hashtag #DeleteUber verbreitete sich rasch im Internet. Das erklärt einen Teil der hohen Verluste.

Inzwischen ist es so schlimm, dass selbst die Investoren, die Uber unterstützt und zum höchstbewerteten Start-up der Welt gemacht hatten, fürchten, ihr Geld nicht wieder zurückzubekommen. Ein Börsengang ist angesichts der vielen Probleme im Moment ausgeschlossen. Das will nun Softbank für sich nutzen und sich mit Rabatt bei Uber einkaufen. Der japanische Technologiekonzern will bis zu 14 Prozent der Uber-Anteile kaufen und bietet einen Abschlag von rund 30 Prozent auf die bisherige Bewertung. Softbank setzt nur noch einen Firmenwert von 48 Milliarden Dollar an. Trotzdem sollen einige Aktionäre dazu bereit sein, zu dem Preis zu verkaufen.

Kaum eine Woche verging, in der nicht ein neuer Skandal öffentlich wurde

Fast all die Skandale der Firma gehen auf eine Figur zurück: Travis Kalanick, Chef von den Anfangstagen bis zum vergangenen Sommer, Khosrowshahis Vorgänger. Er hat Uber geprägt wie nur wenige große Gründerfiguren - wie Steve Jobs Apple, Mark Zuckerberg Facebook, wie Bill Gates Microsoft oder Jeff Bezos Amazon. Lautstärke und Aggressivität waren von Anfang an Kalanicks Stil und stecken tief in Ubers DNA. Das Start-up fragte nicht um Erlaubnis, bevor es die Privat-Taxis in neue Städte schickte, es eroberte sie per "Guerilla-Attacke, ohne den Feind vorher zu warnen", schreibt Lashinsky in seinem Buch "Wild Ride". Uber erklärte den Regelbruch zum System. Wenn Uber gegen Arbeitsgesetze und Beförderungsbestimmungen verstieß, stritt man sich vor Gericht, ignorierte Beschlüsse, spielte Politiker gegeneinander aus und nötigte Behörden, die Regeln zu ändern.

Uber brach mit Dumping-Preisen den Taxi-Markt auf. Die Firma konnte es sich erlauben, denn die Investoren machten mit, die Wagniskapital-Schatulle erlaubte Jahre mit Verlusten. Doch nach und nach drang nach außen, wie Uber arbeitete. Als Lyft auf den Markt kam, startete Uber die "Operation Slog", bestellte bei Lyft mit anonymen Telefonen Autos und stornierte sie wieder, warb Lyft-Fahrer teuer ab. Uber belog Beamte von Aufsichtsbehörden, indem in die App falsche Daten eingespielt wurden. "Greyball" heißt das Programm, US-Staatsanwälte ermitteln deswegen. Kaum eine Woche verging, in der nicht ein neuer Skandal öffentlich wurde. Anfang 2017 schrieb Susan Fowler, eine ehemalige Uber-Programmiererin, in einem Blogeintrag über systematische Diskriminierung von Mitarbeiterinnen. Gleich nach ihrem Start hatte ihr Chef sie per Firmenchat zum Geschlechtsverkehr eingeladen. Fowler beschwerte sich, aber die Personalabteilung spielte das Ganze herunter. Nach und nach verließen fast alle Frauen das Team. Uber warf später 20 Mitarbeiter wegen Belästigung, Diskriminierung und unangemessenen Verhaltens raus. Und am Ende sogar den Chef, Kalanick. Khosrowshahi soll nun aufräumen. Es gibt viel zu tun. 14 Unternehmenswerte hatte Kalanick für seine Firma formuliert, darunter "anderen auf die Zehen treten" und "charakterstarke Konfrontation". Khosrowshahis "Tut das Richtige. Punkt." ist für Uber nicht selbstverständlich.

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SZ vom 12.12.2017
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