Uber-Chef Travis Kalanick:Großmaul ganz leise

FILE PHOTO Uber CEO Kalanick speaks to students during an interaction at IIT campus in Mumbai

Uber-Chef Travis Kalanick

(Foto: REUTERS)

Die Gesetze einhalten? Solche Vorsätze hat man von Travis Kalanick bisher nicht gehört: Der Uber-Chef ist bei seinem Deutschland-Besuch ungewohnt zahm. Zugleich kündigt er an, seine Uber-Taxis in Dutzende deutsche Städte schicken zu wollen.

Von Ulrich Schäfer und Jan Willmroth

Travis Kalanick ist reich, jedenfalls auf dem Papier. Der von ihm gegründete Taxidienst Uber wird mit mehr als 41 Milliarden Dollar bewertet, doch Kalanicks einziges Privatauto steht seit zwei Jahren in der Garage: ein silberner BMW M3, Baujahr 1999. "Ich brauche den Wagen einfach nicht", sagt der Unternehmer beim Frühstück im Bayerischen Hof in München. Denn lieber fährt der 36-jährige Kalifornier im Uber-Taxi. Oder auch mit einem regulären Taxi.

So wie er werden künftig sehr viele Menschen leben, hofft Kalanick: Sie besitzen kein Auto mehr, sind aber viel unterwegs. Sie müssen keinen Parkplatz mehr suchen, sondern winken sich über eine App bei Bedarf ein Auto herbei.

Überzeugen statt provozieren

Kalanick ist in diesen Tagen in Europa unterwegs und präsentiert die neue Strategie von Uber. Er setzt nicht mehr so sehr auf die Konfrontation, sondern auf Kooperation. Er will nicht mehr provozieren, sondern überzeugen. Nur so, das hat er begriffen, kann er Europa erobern. Nur so kann er bis Ende des Jahres jene 50 000 zusätzlichen Jobs schaffen, die er versprochen hat.

Gern würde er dabei auch in Deutschland expandieren. "Wenn wir könnten, gäbe es Uber bald in mehr als 70 deutschen Städten. Jede Stadt ab 100 000 Einwohner ist interessant", sagt er im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Kalanick weiß, dass er dabei gegen heftige Widerstände kämpft. Denn Uber hat hierzulande bei seinen Kritikern ein nicht allzu gutes Image.

Milliarden-Wette

Gerade einmal viereinhalb Jahre ist es her, dass Travis Kalanick in San Fancisco mit Uber startete. Den Anfang machte der Limousinenservice Uber Black, bei dem Nutzer per App eine schwarze Nobelkarosse inklusive Chauffeur ordern können. Am bekanntesten ist der Dienst Uber X, den das Unternehmen hierzulande als Uber Pop in fünf Städten anbietet: Privatleute spielen dabei für sehr wenig Geld mit ihrem eigenen Pkw Taxi. Dieses Modell verfolgt Uber in mehr als 270 Städten weltweit. Unter anderem haben die Bank Goldman Sachs, Amazon-Chef Jeff Bezos und der Staatsfonds von Katar derart viel Geld investiert, dass Uber heute mit mehr als 41 Milliarden US-Dollar bewertet wird.

"Wir machen nicht den klassischen Taxis das Geschäft kaputt"

Und der Chef selber gilt als Großmaul. Noch im Frühjahr vorigen Jahres hat er getönt: "Wir befinden uns im Wahlkampf, und der eine Kandidat ist Uber und der andere ein Arschloch namens Taxi." Heute bereut er diesen Satz, heute würde er ihn so nicht wiederholen. Stattdessen sagt er: "Es ist nicht unser Ziel, das Taxigeschäft zu verdrängen - sondern wir wollen den Menschen eine Alternative bieten. Das nutzt den Bürgern, und das hilft den Städten dabei, ihre Verkehrsprobleme zu lösen."

Man darf annehmen, dass der Mann neben Kalanick ganz entscheidend zu diesem Strategiewechsel beigetragen hat: David Plouffe, einst Wahlkampfmanager von Barack Obama, arbeitet seit August 2014 für Uber.

Ein erfahrener Lobbyist. Älter, reifer, gelassener als Kalanick. Aber auch, wenn Kalanick sich geläutert gibt: Das Taxigewerbe ist nach wie vor sein Gegner. Er kritisiert im Gespräch immer wieder, wie sehr die Branche reguliert sei, ja, er spricht von "Protektionismus", weil Behörden die Zahl der Taxis begrenzen. Es ärgert ihn, dass "bei der bestehenden Regulierung mit zweierlei Maß gemessen" wird. So erzählt er, dass er am Tag zuvor auch in München inkognito mit dem Taxi gefahren sei. Am Ende erklärte ihm der Fahrer, dass er leider keine Kreditkarten nehme, die Maschine sei kaputt. Also Bargeld. Das fand Kalanick nicht so lustig. Denn schließlich ist ihm bekannt, dass manche Taxifahrer auch deshalb Bares nehmen, weil sie einen Teil der Einnahmen lieber schwarz kassieren. "Bei Uber dagegen werden alle Fahrten elektronisch abgerechnet, sie laufen über das Bankkonto der Fahrer", sagt Kalanick. "Uns ist es wichtig, dass die Steuergesetze eingehalten werden."

Uber verstößt ganz bewusst gegen Gesetze

Die Gesetze einhalten? Solche Sätze hat man von Kalanick bisher nicht gehört. Denn das Geschäftsprinzip war eindeutig: Das Unternehmen aus San Francisco, präsent in 53 Ländern, verstößt ganz bewusst immer wieder gegen die Gesetze für das Fahrgastgewerbe. Deshalb wurde Uber in vielen Städten verboten, in Spanien ist es gar nicht erlaubt. Auch deutsche Gerichte stoppten den Betrieb in einigen Städten.

Um solchen Ärger künftig zu verhindern, setzt Kalanick auf Partnerschaften mit den Städten. In den USA hat Uber im vergangenen Jahr 22 Städte und Verwaltungsbezirke davon überzeugen können, das Fahrgastgewerbe zu öffnen. Das nütze allen, Städten wie Fahrgästen, glaubt Kalanick: "Unsere Erfahrungen in den USA haben gezeigt, dass wir nicht den klassischen Taxis das Geschäft kaputt machen." In San Francisco hätten die Taxis, als Uber gestartet sei, einen Umsatz von 120 Millionen Dollar gemacht; heute sei es nicht sehr viel weniger. Zugleich nutzten die Menschen Uber und geben dafür pro Jahr 500 Millionen Dollar aus. Auch in Frankreich und Großbritannien floriert das Geschäft.

In Deutschland dagegen ist Uber nirgendwo profitabel. Auch die Schnelligkeit lässt zu wünschen übrig: "Wir garantierten in anderen Ländern eine Abholzeit von maximal drei Minuten, aber in Deutschland ist das bisher nicht möglich", sagt Kalanick. Der Grund ist aus seiner Sicht, dass Uber ungerecht behandelt wird. Niemand rege sich auf, dass über Mitfahrzentralen jedes Jahr Millionen Fahrten vermittelt würden, keiner der Fahrer aber überprüft werde. Uber dagegen checke alle Fahrer, bevor sie zugelassen werden.

Was treibt Kalanick an?

Zehntausende hat das Unternehmen weltweit schon abgelehnt. "Uber wird anders behandelt als andere Wettbewerber", klagt er. Deshalb will Kalanick nun eine "Pilot-Stadt" finden, um mit dieser - ähnlich wie in den USA - Regeln auszuarbeiten, wie das Fahrgastgewerbe dort anders reguliert werden kann. Notwendig sei ein "flexibler Zugang" für jeden, der dies wolle, außerdem ein "flexibles Preissystem". Wenn in Stoßzeiten der Preis nach oben schnellt, sei das gewünscht. Dann hätten nämlich mehr Fahrer einen Anreiz, Fahrten anzubieten. Das sorge dafür, "dass der Markt geräumt und jeder Kunde bedient wird". Im klassischen Taxigewerbe dagegen sei die Zahl der Anbieter begrenzt - weshalb man eben manchmal lange auf einen Wagen warten müsse. So gebe es etwa in New York heute noch genauso viele Taxilizenzen wie vor sechs Jahrzehnten, gut 13 600.

Uber soll weiter wachsen, das ist klar. Aber was treibt Kalanick bei all dem an? "Ich bin mit Leib und Seele Unternehmer. Ich will Ideen verwirklichen. Es geht nicht ums Geld." Deshalb mag er sich derzeit auch nicht allzu viel mit der Idee eines Börsengangs auseinandersetzen. Fragen danach weicht er aus. Eine allerdings stellt sich schon: Ist Uber wirklich über 41 Milliarden Dollar wert? "Eine Reihe smarter Finanzleute findet, dass das der richtige Preis für das Unternehmen ist", sagt er und lacht. Dann schultert er seinen Rucksack und geht davon. Und das Frühstück? Hat er nicht angerührt. Nicht einmal den Kaffee.

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