Süddeutsche Zeitung

Elon Musk:Bei Twitter herrscht Chaos

Der Ausblick für 2023 ist düster: Finanziell läuft es mies, inhaltlich leidet Twitter an den Massenentlassungen, und menschlich brüskiert Elon Musk Angestellte.

Von Simon Hurtz

Seit Montag bietet Twitter wieder ein Bezahlmodell an - und bislang sind keine Pannen bekannt. Das ist ein Erfolg, nachdem der erste Anlauf im Desaster endete. Viel Spott und ein halbes Dutzend Verschiebungen später scheint der Neustart geglückt zu sein. Damit hören die guten Nachrichten für Twitter aber auch schon auf. Seit Elon Musk das Unternehmen Ende Oktober übernommen hat, ist Chaos die einzige Konstante. Doch was in den vergangenen Tagen geschah, stellt selbst für Twitters Verhältnisse einen neuen Tiefpunkt dar.

Für den Kauf hat Musk sich 13 Milliarden Dollar bei Banken geliehen. Bereits nach anderthalb Monaten stellen sich die Geldinstitute darauf ein, dass sie bestenfalls einen Teil des Geldes zurückbekommen werden. Reuters berichtet, dass Morgan Stanley und andere Banken mit Milliardenverlusten rechnen, weil sie nicht davon ausgehen, dass sie ihre Anteile an Investoren verkaufen können.

Mehr als die Hälfte der 100 wichtigsten Werbekunden hat alle Buchungen bei Twitter storniert, der Ausblick für 2023 ist düster. Auf einer Plattform, die Verschwörungsideologen hofiert und massenweise rechtsradikale Konten reaktiviert, will niemand werben. Teils liegt das direkt an Musks Entscheidungen, der persönlich eine Amnestie für gesperrte Accounts verkündete. Teils rächen sich die radikalen Sparmaßnahmen, die Twitter zu einem unsicheren Ort für Nutzerinnen und Nutzer machen.

Musk duldet keinen Widerspruch

Mehr als zwei Drittel der einst 7500 Angestellten wurden gefeuert oder haben freiwillig gekündigt. Wichtige Abteilungen sind dezimiert oder komplett verschwunden. Musk, der den Kampf gegen die Ausbeutung von Kindern zur "Priorität Nummer eins" erklärte, hat das zuständige Team fast vollständig aufgelöst. Zuvor verloren bereits Tausende Menschen ihren Job, die im Auftrag von Twitter illegale Tweets sichteten und löschten.

Wer es wagt, sich für gefeuerte Kollegen einzusetzen, wird einen Tag später selbst vor die Tür gesetzt. Der neue Twitter-Chef war mit dem Versprechen angetreten, radikale Transparenz herzustellen. Einerseits gibt er selbst interne Dokumente an rechte Reporter weiter, die aus den sogenannten Twitter Files einen vermeintlichen Skandal konstruieren - tatsächlich aber nichts Neues enthüllen. Andererseits droht er Angestellten, die mit Medien sprechen und Interna verraten, mit Schadenersatzklagen.

Am deutlichsten zeigt sich die Verachtung, mit der Musk Menschen behandelt, die ihm widersprechen, an Yoel Roth. Im November kündigte der damalige Twitter-Sicherheitschef und begründete seine Entscheidung in einem Gastbeitrag für die New York Times. Jetzt unterstellt ihm Musk fälschlicherweise Sympathie für Pädophile und machte mehrere Anspielungen, die Anhänger der rechtsextremen und gewaltbereiten QAnon-Bewegung aktivierten. Binnen Stunden erhielten Roth und seine Familie so viele Morddrohungen, dass sie ihr Haus verlassen mussten.

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