Twitter an der Börse:Bislang nur eine gute Story

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Twitter will an die Börse

(Foto: AFP)

140 Zeichen reichen, um einen Gang an die Börse zu verkünden. So hat es jedenfalls Twitter nun gemacht. Aber reichen die auch aus, um Geld zu verdienen und Tausende Anleger zu überzeugen?

Von Hans von der Hagen und Hakan Tanriverdi

Facebook dürfte gewirkt haben. Mehr als ein Jahr nach dem desaströsen Börsendebüt bekommt das soziale Netzwerk derzeit die Schlagzeilen, die es sich schon im Mai 2012 gewünscht hatte."Facebook-Aktie erreicht Rekordhoch" heißt es da, oder: "Facebook ist so wertvoll wie nie." Das weckt Begehrlichkeiten bei der Konkurrenz - vor allem bei Twitter.

Schon lange erwägt das Unternehmen den Gang an die Börse, nun scheint die Zeit gekommen: "We've confidentially submitted an S-1 to the SEC for a planned IPO", zwitschert Twitter fröhlich in die Welt. S-1: Das ist das berühmte Formular, mit dem Unternehmen bei der Börsenaufsicht SEC den Gang an die Aktienmarkt initiieren.

Die Anleger freut es, weil es nun wieder eine gute Geschichte für die Börse gibt, eine Story, wie Anleger das so nennen. Der Begriff machte zu Zeiten des Internetbooms Ende der neunziger Jahre Karriere, als viele Unternehmen ohne jeden Leistungsausweis an die Börse gingen und jubelnd empfangen wurden. Einfach nur, weil "die Story stimmte".

400 Millionen Tweets

Eine Story - die hat Twitter auch: Mehr als 200 Millionen Menschen veröffentlichen und lesen dort Kurzweiliges, Belangloses und Wichtiges. Die einzige Gemeinsamkeit aller Mitteilungen: Sie haben nicht mehr als 140 Zeichen. Veröffentlicht im Sekundentakt, packt Twitter so die ganze Welt in Tweets, angeblich mehr als 400 Millionen täglich.

Kann man so Geld verdienen? Das ist die Frage, über die nun allenthalben diskutiert wird. Zahlen veröffentlicht Twitter bislang nicht, weil es die Gesetze kleineren Unternehmen mittlerweile erlauben, die Dokumente für den Börsengang unter Verschluss zu halten.

Darum ist nicht bekannt, ob Twitter gesund ist oder Verluste schreibt, ob es schnell oder kaum noch wächst.

Alles Wissen beschränkt sich auf Spekulationen: Das Unternehmen könnte nach Angaben des Wall Street Journal derzeit mehr als neun Milliarden Dollar wert sein. Jedenfalls legten das die Angaben über private Verkäufe von Twitter-Mitarbeitern nahe, die Anteile am Unternehmen an den Finanzinvestor Black Rock verkauft hätten. Auch berichtet das Blatt, dass voraussichtlich Goldman Sachs den bei Banken begehrten und Aufmerksamkeit sichernden Börsengang betreuen werde.

Trotz aller Unsicherheit überwiegt bei den Experten der Optimismus. Natürlich. Das Unternehmen eMarketer schätzt, dass Twitter im vergangenen Jahr knapp 290 Millionen Dollar durch den Verkauf von Werbung erlöst hat. 2013 sollen es gut 580 Millionen sein, im kommenden Jahr 950 Millionen und 2015 schon 1,3 Milliarden Dollar.

Zum Vergleich: Facebook, dass derzeit mit 100 Milliarden Dollar rund zehn Mal so teuer ist wie Twitter, nahm 2012 durch Werbung 5,1 Milliarden Dollar ein, Google 50 Milliarden Dollar.

Twitter will mobile Werbung und Fernsehen verbinden

Twitter-Chef Dick Costolo betont stets, dass Twitter Geld eher wie Sauerstoff betrachte: Es sei überlebenswichtig, aber kein Mensch wache morgens auf und überlege sich, mit wie viel Sauerstoff er über den Tag komme.

Schöne Worte. Doch nach sieben Jahren - so lange gibt es Twitter nun schon - braucht es für den Börsengang mehr als das.

Die Haupteinnahmequellen sind bei Twitter derzeit sogenannte "Promoted"-Angebote: Firmen oder Kunden zahlen dafür, dass ihre Tweets und Nutzerprofile beworben und so anderen Nutzern angezeigt werden. Bereits heute erwirtschaftet das Unternehmen laut Eigenaussage den Großteil der Einnahmen über mobile Geräte wie Smartphones und Tablets. In diesem Segment tun sich viele Unternehmen bislang schwer - der Absturz von Facebook nach dem Börsengang war zu einem guten Teil Zweifeln geschuldet, ob der Konzern genau dieses Problem in den Griff bekommt.

Welche Strategie hat nun Twitter, um seine Position weiter zu stärken? Das Unternehmen versucht, die Nutzer so lange wie möglich im Netzwerk zu behalten. Allein 2013 hat Twitter zwei Unternehmen aufgekauft, die sich mit dem Thema "Second Screen" befassen. Konkret: Menschen schauen eine Fernsehsendung, zum Beispiel den Tatort, und parallel dazu, wie die Sendung auf Twitter diskutiert wird.

An dieser Stelle will Twitter seine Nutzer packen und ihnen personalisierte Werbung anzeigen. Zu diesem Zweck haben die Kalifornier Anfang September das Unternehmen MoPub gekauft, einen Dienst, der sich auf diese Art der Werbung spezialisiert hat.

Branchenexperten wie Antonio Garcia, der mit Werbung auf Facebook betraut war, schreibt, dass Twitter durch den Deal mit MoPub zum aktuell interessantesten Unternehmen avanciere, was Werbung angeht. Twitter besitze die Daten, welcher Nutzer wann an welchem Ort mit welchem Gerät welche Seite besuche; und mit MoPub habe es nun das technische Vermögen, diese Daten zielgenau einzusetzen.

Gegründet wurde das Unternehmen zufällig. Vier Männer aus Kalifornien haben nach einem Weg gesucht, um über ihr eigentliches Projekt zu reden: eine Podcasting-Firma namens Odeo. Twitter war geplant als kleiner Unternehmens-Chat.

Einer dieser vier Männer ist Jack Dorsey, er ist in der Gründungsphase CEO von Twitter gewesen. 2009, der Dienst war inzwischen populärer, kam es zu einem Machtkampf zwischen zwei der Gründer und in der Folge musste Dorsey seinen Chefposten räumen. In der Zwischenzeit gründete er ein eigenes Unternehmen, Square. Heute arbeitet Dorsey wieder für Twitter. In was für einer Funktion, zeigt sich am ehesten daran, dass er nicht einmal einen eigenen Schreibtisch hat, wie er sagt. Der jetzige Chef, Dick Costolo, betont aber die gute Zusammenarbeit.

Möglich, dass das Geschäft einmal boomen wird. Doch zunächst ist die Frage, ob Unternehmensführung und Banken aus den Fehlern gelernt haben, die bei Facebook gemacht wurden. Die Aktien des Unternehmens kamen zu 38 Dollar an die Börse. Wenige Monate später, Anfang September 2012, notierten sie nur noch bei 17,73 Dollar - das scheinbar so lockere und jeansige soziale Netzwerk war durch den verkorksten Start zum Symbol für Gier und Kasse machen geworden.

Twitter, dessen Geschichte vor sieben Jahren mit dem Tweet "just setting up my twttr" seinen Anfang nahm, hat nun die Chance, alles besser zu machen.

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