TV-Aussteiger Kofler:"Ich kann auch in anderen Branchen etwas reißen"

Mehr als 20 Jahre Privatfernsehen waren genug für den Südtiroler Georg Kofler. Der Premiere-Chef will seine Millionen nun in alle möglichen Geschäfte stecken, zum Beispiel in erneuerbare Energien.

Hans-Jürgen Jakobs

Es soll ein klarer Schnitt sein, ein radikales Ende nach über 20 Jahren Fernsehleben. Natürlich werde er seinen Bekannten aus der Medienbranche noch die Hand schütteln, aber einmischen wolle er sich wirklich nicht mehr, sagt Georg Kofler.

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Georg Kofler Kofler ist überraschend zurueckgetreten.

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Den Fehler hätten andere gemacht. Man merkt, dass er dabei an den RTL-Vater Helmut Thoma, 68, denkt, der spöttisch nach wie vor vieles kommentiert. Der kernige Südtiroler Kofler war jahrelang der Münchner Antipode des barocken Österreichers Thoma.

Für den gescheiterten Medienunternehmer Leo Kirch baute er die Pro-Sieben-Gruppe auf und war dann seit 2002 "Mister Premiere" - der Mann, der das Bezahlfernsehen in Deutschland nach vielen Flops endlich zum Erfolg führen sollte. Es reichte zum Börsengang der Premiere AG. Der spielte viel Geld in die Kassen und brachte dem Vorstandschef und Großaktionär endlich jene Millionen, die er zur Tilgung von Altlasten dringend brauchte.

Koflers Leben ist eine Achterbahn. Im April ist er 50 geworden, und da hat sich der Jubilar in größerer Ruhe mit den nächsten Jahren beschäftigt und mit den nächsten Branchen. Er spricht nun von "Strukturen aufbauen", von "profitablen Investments in Wachstumsmärkten", von "Nachhaltigkeit". Künftig wolle er Mitbesitzer und Aufsichtsrat in vielversprechenden Firmen sein, von Biotechnologie bis zum Umweltmarkt - also wenn es zum Beispiel um erneuerbare Energien geht.

Der Überlebenskünstler vom TV

Auf Mittelständler, die expandieren, hat es der Überlebenskünstler aus der TV-Branche abgesehen, "Größenordnung 100 Millionen Euro Umsatz plus X". Das reizt ihn.

Er will weiter in München und am Tegernsee mit seiner Lebensgefährtin Christiane zu Salm leben und auch im Ausland investieren, hauptsächlich aber in Deutschland. Nein, "auf die faule Haut legen will ich mich nicht", sagt er, andererseits heißt es: "Es gibt jetzt einen gestiegenen Freiheitsgrad für Privatleben."

Georg Jakob Kofler, der Sohn der Südtiroler Berge, der einmal Journalist werden wollte und in der Schule heimlich während des Unterrichts den deutschen Spiegel verschlang, handelt ganz nach Instinkt. So wie in 25 Jahren zuvor. Er schreibe nie ein Konzept auf Papier, erzählt er, "ich habe das Konzept immer im Kopf". So einer braucht den Adrenalinschub des Kletterers auf den Drei Zinnen.

Über die deutsche Medienwirtschaft, die sich in seiner Zeit von einer wilden zu einer eher bedächtigen Branche entwickelte, verliert Kofler kein schlechtes Wort. Immer höflich bleiben, bis zum Schluss. Premiere sei natürlich in guter Verfassung, es handele sich um eine "vorbildliche Übergabe" an seinen Stellvertreter, den Finanzchef Michael Börnicke.

Was wird aus Premiere?

Dass nun ein Zahlenfex ordnen soll, was der Bergfex so aufgewühlt hat, wie Beobachter verbreiten, dementiert Kofler. Nein, verborgene Risiken, die aufbrechen könnten, gebe es nicht: "Alles Blödsinn".

Was wird aus den Premiere-Zahlen? Von 1,2 Millionen TV-Empfangsgeräten, die 2006 für eine phantasiereiche, aber zukunftsarme Kooperation mit der Deutschen Telekom gekauft wurden, sei das Meiste verkauft worden, sagt Kofler.

Die Kooperation mit dem Konkurrenten Arena und dessen Mutterfirma Unity Media, die die begehrten Fußball-Bundesliga-Rechte an Premiere abtraten, belaste die Bilanz netto nur mit 100 Millionen Euro - ein Großteil bezahlte Kofler mit eigenen Aktien.

In der Branche rätselt man zudem, wie viele der insgesamt ausgewiesenen 3,4 Millionen Abonnenten denn nur ab und zu mal etwas bestellen und wie viele echte Vollzahler sind. Manche versteifen sich deshalb auf die Spekulation, der knochentrockene Börnicke werde die Bilanz herausputzen für die Übernahme durch einen reichen Prinzen.

In der derzeitigen Finanzkrise kommen Private-Equity-Firmen hierfür kaum in Frage, und auch eine Verbindung mit einer Kabelfirma ist auf Sicht kartellrechtlich unmöglich. Was bleibt, ist der Einstieg von Pay-TV-Branchengrößen wie Canal plus (Frankreich) oder BskyB (Großbritannien), mit denen es nach Informationen aus Finanzkreisen in den vergangenen Monaten immer wieder mal Gespräche gegeben hat.

Kofler wird da nicht mehr dabei sein, er wird nicht mehr gefragt werden. Er hat auch seine letzten Premiere-Aktien versilbert.

Als Höhepunkt seines persönlichen TV-Vierteljahrhunderts nennt der Aussteiger nicht die Zeit bei seinem Mentor Kirch, verbunden mit der Blüte der New Economy. Nein, er gibt das Abenteuer Premiere an, die Tätigkeit bei der letzten, nicht insolvent gegangenen Hinterlassenschaft aus dem Fundus des Pleitiers Kirch.

Der Premiere-Börsengang sei "die größte Herausforderung" gewesen, er habe aber auch die "größte Befriedigung" verschafft, gibt Kofler zu Protokoll: "Das war am stärksten meins". Er kaufte auf Pump 20 Prozent der Aktien - und wurde reich. Auch, weil er in einem Moment verkaufte, als der Premiere-Kurs durch unrealistisch gute Nachrichten so richtig hochgejazzt war.

Auf die Frage, mit welchem Vermögen er nach mehr als 20 Jahren deutsches Privatfernsehen die Landschaft verlasse, zögert Kofler. Sind es 50 Millionen Euro? Nein, mein Lieber, sagt er, das reiche nicht. Es soll sich, so viel ist herauszubekommen, um einen dreistelligen Millionenbetrag handeln. Da melden sich dann Firmen mit freundlichen Grüßen von ganz alleine.

Wo die Millionen landen werden, das dürfte vermutlich ein paar Agenturmeldungen wert sein. Wie drückt es der verhinderte Journalist Kofler so schön aus: "Ich kann auch in anderen Branchen etwas reißen!"

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