TV-Aufsicht:Das ZDF hat jetzt Internet
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Von Jessica Binsch
Wenn sich an diesem Freitag der ZDF-Fernsehrat trifft, wird vieles anders sein. Der Rat war lange ein eher bürokratisches Gremium, Parteien und Politiker bestimmten die Debatten. Dabei soll der Fernsehrat eigentlich im Sinne aller Bürger die Arbeit des ZDF kontrollieren - und nicht Parteipolitik in den Sender tragen, wie es jahrelang der Fall war.
Das soll sich ändern, und dabei soll Leonhard Dobusch helfen. Dobusch ist Jurist und Wirtschaftswissenschaftler, er lehrt an der Universität Innsbruck. Nebenbei schreibt er für das Vorzeige-Blog der Netzaktivisten, Netzpolitik.org, und ab und zu auch für die Süddeutsche Zeitung. Dobusch erforscht, wie sich Bewegungen im Netz organisieren, zum Beispiel jene rund um die Online-Enzyklopädie Wikipedia.
Für das Internet als Ganzes spricht Dobusch eher selten. Von Freitag an ist das aber seine Aufgabe. Dobusch vertritt im Fernsehrat den Bereich "Internet". So steht es offiziell im Rundfunkstaatsvertrag. "Ich musste schon schmunzeln, als ich das gesehen habe", sagt der 36-Jährige.
Dass dieser vage Titel im Vertrag steht, hat einen Grund, und der liegt beim Bundesverfassungsgericht. Es ordnete 2014 an: Der Fernsehrat müsse reformiert werden. Der Einfluss von Parteien sei zu groß, prangerten die Richter an. Andere gesellschaftliche Stimmen müssten stärker vertreten sein. Im neuen Rat dürfen nur noch ein Drittel der Mitglieder aus Parteien und Regierungen kommen. Der Rest soll gesellschaftliche Gruppen vertreten. Da kommen das Internet und sein Abgesandter Dobusch ins Spiel.
"Es ist sehr wichtig, dass der Fernsehrat die Zivilgesellschaft insgesamt widerspiegelt", sagt Journalistik-Professorin Marlis Prinzing. Der Rat soll kontrollieren, dass das ZDF ordentlich arbeitet. Er prüft Beschwerden und muss wichtigen neuen Projekten zustimmen. "Der Fernsehrat ist im Grunde genommen die Interessenvertretung der Allgemeinheit gegenüber dem ZDF", sagt Prinzing. "Da kann man den Zangengriff von Parteien und Politik einfach nicht brauchen."
Mehr Creative-Commons-Lizenzen im ZDF
Neben Dobusch treten eine Reihe weiterer Mitglieder ihr Amt an. Sie vertreten Migranten, Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle, Menschen mit Behinderung oder diejenigen, die sich ehrenamtlich engagieren.
Dobusch sagt, er wolle sich ganz aufs Digitale konzentrieren. "Ich sehe meine Aufgabe darin, einen positiven, optimistischen Blick auf Digitalisierung als Chance und Aufgabe für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu vertreten", sagt er. "Vielleicht schaffe ich es, ein paar Themen voranzubringen, in denen bislang Ängste und Zurückhaltung vorherrschen."
Ein solches Thema könnten offene Lizenzen sein, bekannt als Creative Commons. Nutzer können Texte und Videos unter CC-Lizenz einfacher weiterverbreiten und selbst verwenden. Das ZDF setzt CC-Lizenzen bei einzelnen Projekten wie dem "Faktencheck" zu Wahlen ein, aber nicht im breiten Programm. Die Grafiken und Texte können also auch andere auf ihren Webseiten verwenden.
Dobusch will für mehr CC-Lizenzen werben. Solche Inhalte könnten auch auf Plattformen wie Wikipedia eingebunden werden, argumentiert er. Damit erreichten die Informationen mehr Menschen. "Man sollte doch meinen dass es das Beste wäre, was passieren könnte, das öffentlich-rechtlich finanzierte Inhalte dauerhaft in einer frei zugänglichen Enzyklopädie genutzt werden können", sagt er. "Das entspricht dem Informationsauftrag besser, als etwas nur in einem ZDF-Archiv vorzuhalten."
Offene Lizenzen sind nicht in allen Bereichen ohne Weiteres möglich. Die Rechte zu klären, ist aufwendig, besonders wenn Material von Nachrichtenagenturen oder Produktionsfirmen eingekauft wird. Aber für eigene Produktionen des ZDF, Nachrichten oder Sendungen zum Zeitgeschehen sollten CC-Lizenzen zum Standard werden, findet Dobusch. "Ich glaube, es ist meine Aufgabe als Fernsehrat, Dinge für die Allgemeinheit leichter nutzbar zu machen."
Dass er das nicht alleine durchsetzen kann, weiß der Universitätsprofessor. Fernsehräte können keine Veränderungen anordnen. Sie können dem ZDF aber Fragen stellen und Anregungen geben. "In welchen Bereichen wären CC-Lizenzen möglich, und wo nicht, und warum? Das sind Fragen, die werde ich sicher stellen", sagt Dobusch.
Zwei Vertreter für digitale Themen
Es gibt neben Dobusch noch einen Vertreter für digitale Themen. Der Freistaat Bayern kann ein Mitglied für den Bereich "Digitales" in den Rat schicken. Das soll ein Vertreter des Unternehmerverbandes Bitkom werden, sagt eine Sprecherin der Bayerischen Staatskanzlei. Bitkom spricht für große Unternehmen der Digitalbranche, Microsoft und IBM zählen zu den Mitgliedern. Somit ist nicht nur das Netz der Nutzer repräsentiert, sondern auch jenes der kommerziellen Interessen.
Auch bei der Auswahl von Dobusch durften Wirtschaftsvertreter mitreden, der Verband der Internetwirtschaft eco und der Medienverband media.net. Die mussten sich allerdings mit den Hackern des Chaos Computer Clubs und dem SPD-nahen Netzverein D64 einigen. Die Wahl fiel auf den österreichischen Professor.
Dobusch will das ZDF ermutigen, "sich mal was zu trauen". "Ich bin für Mut und Experimente", sagt er. Sein erstes Experiment betrifft den Fernsehrat selbst. Die Mitglieder diskutieren bisher zwar öffentlich, aber eine Live-Übertragung oder Berichte in Echtzeit gibt es nicht. "Ich habe im Gesetz nachgesehen, ob ich aus den öffentlichen Sitzungen twittern darf", sagt Dobusch. Aus seiner Sicht spricht nichts dagegen.