Turbinen-Werk:Siemens schließt Kompromiss für Görlitz

Arbeiter protestieren vor dem Werk von Siemens aufgenommen in Goerlitz 17 11 2017 Laut Siemens so

Nachdem Siemens im vergangenen Herbst das Aus für die Werke in Görlitz und Leipzig verkündet hatte, wurde erst protestiert, dann verhandelt. Nun haben sich Gewerkschaft und Konzern geeinigt.

(Foto: imago/photothek)
  • Siemens will sein Turbinenwerk in Görlitz nun doch nicht komplett schließen.
  • Stattdessen soll dort nun die weltweite Zentrale für das Geschäft mit Industrie-Dampfturbinen aufgebaut werden.
  • Wie viele Mitarbeiter dort aber noch Arbeit bekommen und ob es betriebsbedingte Kündigungen geben wird, sagt der Konzern nicht.

Von Thomas Fromm

Manchmal passieren die Dinge so schnell hintereinander, dass man nicht an einen Zufall glauben möchte. Am Montag erst hatte Siemens zeitlich befristete Betriebsschließungen in seiner Kraftwerkssparte angekündigt - und dies mit einem "anhaltenden beispiellosen Markteinbruch" bei der Stromerzeugung gerechtfertigt. Zwangsurlaub in turbulenten Zeiten: Seit Monaten streiten Management und Betriebsräte über die Pläne von Konzernchef Joe Kaeser, weltweit 6900 Stellen in der Kraftwerkssparte zu streichen - die Hälfte davon in Deutschland. Werke wie Leipzig und Görlitz sollten geschlossen werden, die Lage schien aussichtslos.

Am Dienstag dann lud der Konzern zu einer spontanen Telefonkonferenz mit Personalvorstand Janina Kugel. Nach Schließungsplänen und Betriebsschließungen nun: ein Zukunftspakt von Unternehmensführung, Gesamtbetriebsrat und IG Metall. Die politisch heftig diskutierten Schließungspläne für das Werk im sächsischen Görlitz sind vom Tisch; das Werk soll nun zu einer weltweiten Zentrale für das Geschäft mit Industrie-Dampfturbinen ausgebaut werden, teilte der Konzern mit.

Ein Jobabbau ist in Görlitz nicht aus der Welt

Allerdings hat die frohe Botschaft auch einen Haken: eine "Restrukturierung", also ein Abbau von Jobs, ist in Görlitz damit nicht aus der Welt. Kugel spricht von einem "sehr guten Anfang", der sie "optimistisch" mache, und das sagt sehr viel über den Stand der Dinge: Die Einigung aus der vergangenen Nacht mögen Konzern und Betriebsräte als Verhandlungserfolg verbuchen. Die ganz heiße Phase ist überstanden - jetzt geht es ans Eingemachte.

Görlitz soll leben, aber der Standort Offenbach solle "perspektivisch aufgegeben" werden, heißt es. Ein Verkauf des Standorts in Leipzig wird geprüft, und ob es bei dem geplanten Abbau von 6900 Jobs bleibt, ob es weniger werden oder am Ende noch mehr, ist offen. Wichtig ist Kugel: Es soll ein "großer dreistelliger Millionenbetrag" eingespart werden. Um wie viele Stellen es am Ende genau gehen werde? Da müsse man sich noch gedulden, sagt die Managerin - man habe noch "sehr viel Arbeit" vor sich.

Sie zögert auch bei der Frage, ob Siemens betriebsbedingte Kündigungen aussprechen will. Dies sei "nicht das, was wir wollen", sagt sie. Aber: "Was sollen wir machen, wenn die freiwilligen Maßnahmen nicht ausreichen?" Was wohl viel heißt wie: Ja, alles ist möglich. Die IG Metall hatte übrigens den Erhalt der deutschen Standorte und einen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen gefordert, davon werden die Gewerkschafter nicht alles bekommen. Andererseits: Auch Kaeser und Kugel wollten Görlitz schließen. Der Zukunftspakt aus der Nacht ist also vor allem eines: Ein erster Kompromiss, der Spannung rausnehmen und etwas Ruhe bringen soll.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: