TUI und Bahn:Der Strippenzieher: Michael Frenzel

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Wie der Spitzenmanager den Aufsichtsrat der Bahn und den Touristikkonzern TUI leitet.

Meite Thiede

(SZ vom 23.05.2003) — Im Einflussbereich von Michael Frenzel hat es in jüngster Zeit mächtig gedonnert. Gleich zweimal in kurzer Folge ließ der Chef des Touristik-Konzerns TUI die Köpfe etablierter Vorstände rollen.

Hannover, 6. Mai: Frenzels Kollegen, die Touristik-Experten Ralf Corsten und Charles Gurassa, fallen völlig überraschend dem "Effizienzsteigerungsprogramm" bei TUI zum Opfer. Der Konzernchef kann die eigene Macht damit noch fester zementieren.

Berlin, 20. Mai: Als Aufsichtsratschef der Deutschen Bahn feuert Frenzel die Bahn-Vorstände Christoph Franz und Hans-Gustav Koch. Auch das ist eine Überraschung, denn im Zentrum der Kritik an der verfehlten Tarifpolitik des Staatsbetriebs hatte vor allem Bahn-Chef Hartmut Mehdorn gestanden.

Erfüllungsgehilfe

Frenzel, ein hart durchgreifender Manager? Die beiden Fälle gleichen sich nur scheinbar. Vorstandspersonalien sind zwar Sache des Aufsichtsrats, aber bei der Bahn war SPD-Mitglied Frenzel vor allem Erfüllungsgehilfe für Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Bei TUI liegen die Dinge etwas anders. Hartes Durchgreifen kann man Frenzel dort gewiss bescheinigen. Seit 1994 ist der Mann Vorstandschef; sein Vertrag wurde erst im vergangenen November vorzeitig bis 2008 verlängert.

Die unter Frenzel gefeuerten Vorstände, meist Experten im operativen Bereich, lassen sich kaum noch zählen. Sie alle waren Opfer eines beispiellosen Konzern-Umbaus, der niemals nach organischen, sondern ausschließlich nach visionären Aspekten durchgezogen wurde. Frenzel, der promovierte Jurist mit Bankerfahrung, ist kein operativer Manager, sondern ein Portfolio-Stratege. Das aber praktiziert er mit einer solchen Konsequenz, dass jeglicher Widerstand - ob in Form einer Person oder Sache - aus dem Weg geräumt wird.

Was der 56 Jahre alte Manager bei dem Hannoveraner Konzern geleistet hat, hat jahrelang enormen Respekt und große Begeisterung bei Analysten und Aktionären hervorgerufen.

Vor neun Jahren hieß TUI noch Preussag, und im Mittelpunkt der Geschäfte standen Stahl, Anlagen- und Schiffbau, Energie. Diese Branchen galten nicht als besonders zukunftsträchtig. Frenzel hatte einen Auftrag zum Komplettumbau.

Aus Preussag sollte der mächtigste Reisekonzern der Welt werden. Die Idee stammte von Frenzels Ziehvater Friedel Neuber, der als damaliger Chef der West-LB eine glücklose LTU im Industrie-Portfolio hatte und den Traum von einer integrierten Touristik-Gruppe hegte.

Sie sollte durch die Steuerung aller Stufen des Reisegeschäfts - vom Reisebüro über den Flugbetrieb und die Hotelbelegung bis zur Reiseleitung vor Ort - traumhafte Renditen hervorbringen. Neuber schickte Frenzel nach Hannover, wo er selbst als Aufsichtsratschef die Dinge unter Kontrolle hatte und noch heute hat.

Bei Preussag blieb kein Stein auf dem anderen. Das Konzept war in der Tat atemberaubend - weil es so simpel war: Fast alles aus den ungeliebten Branchen wurde verkauft, und mit dem Geld ging es auf Einkaufstour in der verheißungsvollen Touristik - manchmal zu Höchstpreisen.

So kam die "alte" TUI zu Preussag, die bei der Hapag-Lloyd angesiedelt war; Thomas Cook wurde gekauft und wieder abgestoßen, weil die viel interessantere Thomson Travel zu haben war. Heute ist TUI der weltgrößte Reise-Konzern mit einem Umsatzvolumen von 20 Milliarden Euro.

Reißbrett-Pläne

Organisch verlief der Umbau freilich nicht. Der Plan eines Portfolio-Austausches war am Reißbrett entworfen worden und wurde Zug um Zug in die Praxis umgesetzt. Frenzel bewies herausragende Qualitäten als Stratege, Theoretiker, Rechner.

Er wurde nicht müde, die Pläne in phantasiereichen Wortgebilden vor Anlegern, Journalisten und Aktionären zu beschreiben. Dabei halfen ausgefeilte Manuskripte ebenso wie aufwändige Charts - aber nicht Charisma. Der schlanke Manager und passionierte Jogger wirkt eher unauffällig und still, scheint öffentliche Auftritte nicht wirklich zu genießen, mehr zu erdulden. Öffentlich wird er niemals laut, und sogar wenn er einmal lacht, wirkt das gezwungen.

Natürlich ging der gewaltige Kraftakt in Hannover nicht immer ohne Widerstände ab. Nicht alles ließ sich nach Plan verkaufen, wie zum Beispiel der Anlagenbau (Noell). Diese Sparte war Mitte der Neunziger derart heruntergewirtschaftet worden, dass nur noch an Entsorgung zu denken war.

Das gelang mit Hilfe von Babcock - auch eine West-LB-Beteiligung. Schließlich war Neuber ja bei Preussag und bei Babcock Aufsichtsratschef. Doch diese Transaktion hatte Folgen, die das TUI-Management bis heute belasten. Denn mit dem Anlagenbau wurde auch ein Teil der Kieler Werft HDW zu Babcock geschoben; heute ist Babcock Pleite und HDW in amerikanischer Hand. Gegen Frenzel und seinen Finanzvorstand Rainer Feuerhake wie auch gegen Neuber läuft in diesem Zusammenhang ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue beziehungsweise Beihilfe dazu.

Auch zum Verkauf des Stahlbereichs (Salzgitter Stahl) brauchte es das Brecheisen. Nicht immer war bei Preussag genug Zeit, um den passenden Käufer zu suchen, denn die gewaltigen Summen, die in die Touristik investiert werden sollten, mussten ja finanziert werden.

Damals hatte Frenzel sich einen Feind auf Lebenszeit geschaffen: Der ehemalige Stahl-Manager Hans-Joachim Selenz nutzt noch heute jede Gelegenheit, um alte Ungereimtheiten, die den Preussag-Umbau flankierten, öffentlich zu machen. Selenz war damals so erbost über die Verschiebungen im Konzern, dass er sich sogar weigerte, als Preussag-Vorstand einen Jahresabschluss zu unterschreiben.

Operative Verluste wurden gelegentlich durch außerordentliche Erträge ausgeglichen, allerdings nicht immer sichtbar für die Öffentlichkeit. "Umrubeln" sei das intern genannt worden, sagt Selenz. Frenzel kämpft inzwischen an anderer Front: Das Touristik-Konzept scheint nicht aufzugehen, die TUI-Touristik steckt tief in den roten Zahlen, der Aktienkurs stürzt ab.

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