Kühlschränke schaden dem Klima, weil sie ohne gefährliche Treibhausgase nicht auskommen. Die fallen nicht nur bei der Stromerzeugung an, sie spielen auch eine wichtige Rolle im Kühlsystem. Die EU will deshalb fluoride Treibhausgase aus Kühlschränken verbannen. Das könnte man für eine gute Entscheidung halten, nicht so in den USA. Dort gilt die geplante Regulierung als unfair. Besonders verärgert ist man darüber, dass die EU den Kältemitteln den Kampf ansagt, ohne vorher mit der US-Industrie geredet zu haben.
Solche Verstimmungen sollen künftig verhindert werden - mithilfe der "regulatorischen Zusammenarbeit": Amerikaner und Europäer wollen mit TTIP nicht nur Handelshürden abbauen und Standards angleichen. Sie wollen verhindern, dass überhaupt erst Regeln und Standards entstehen, die den Handel behindern. Kein Gesetz, kein Umweltstandard, keine Verbraucherschutzregel soll mehr erlassen werden, ohne dass der Partner vorher einen Blick darauf geworfen hat. Amerikaner sollen also mitreden dürfen, wenn Europäer Gesetze machen. Dazu könnten künftig eben auch einheitliche Standards für Kühlschränke gehören.
Eine Expertenkommission mit Abgesandten beider Seiten soll umfassende Kompetenzen bei künftigen Gesetzesvorhaben oder Vertragsänderungen bekommen, ohne Zustimmung der Politik. Ein besonders umstrittenes Vorhaben - Kritiker warnen vor einer Teilentmachtung der Parlamente. Die vorliegenden Dokumente zeigen, wie sehr die USA darauf drängen, ihre Vorstellungen durchzusetzen.
Fest steht, dass TTIP-Verhandler auf beiden Seiten eine solche regulatorische Kooperation grundsätzlich wollen. Sie begründen das mit unsinnigen Doppelprüfungen, die etwa Pharmaunternehmen über sich ergehen lassen müssten, weil diesseits und jenseits des Atlantiks verschiedene Regeln gelten. Ziel sei es, "unnötig beschwerliche, doppelte oder abweichende regulatorische Erfordernisse" abzubauen, heißt es im entsprechenden Kapitel.
Der Völkerrechtler Markus Krajewski ist skeptisch
Geht es nach den USA, müssten neue Regeln "transparent entwickelt" werden. Nicht nur der Text der beabsichtigten Gesetze und Verordnungen müsse für alle Welt sichtbar werden, sondern auch eine Erklärung, warum sie überhaupt eingeführt werden sollen, samt "wissenschaftlichen und technischen Analysen".
Am deutlichsten werden die Differenzen dort, wo sich europäische und amerikanische Textvorschläge direkt gegenüberstehen. Im Regulierungskapitel etwa sind Brüssel und Washington unterschiedlicher Meinung, was die Folgenabschätzung von neuen Regeln angeht. Da verlangt die amerikanische Seite die ausführliche Prüfung von Alternativen, "inklusive der Option, nicht zu regulieren". Auch müssten Kosten und Nutzen gegenübergestellt werden, wenn möglich mitsamt den sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen und gesundheitlichen Folgen. Den Europäern geht das zu weit. Sie bekräftigen lediglich ihre "Absicht", eine Folgenabschätzung vorzunehmen. Abgeschlossen sind die Gespräche zwischen beiden Seiten noch nicht, es wird weiter verhandelt.
Umstritten ist, inwieweit sich durch die neuen Regeln tatsächlich die eine Seite in die Gesetze der anderen einmischen kann. "Gesetze werden auch künftig von Parlamenten erlassen", sagt etwa Matthias Machnig, für TTIP zuständiger Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. "Zu sagen, durch regulatorische Kooperation würde die Gesetzgebung ausgelagert, ist Unsinn." Der Völkerrechtler Markus Krajewski ist skeptisch. Sollten sich die USA mit ihren Forderungen durchsetzen, "dann würde das die europäische Gesetzgebung in Umwelt- und Verbraucherfragen erheblich erschweren. Das ist die große Gefahr der regulatorischen Kooperation."