Tsipras-Besuch in Berlin:Nichts als Ärger in Athen

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Griechenlands Premier Alexis Tsipras steht derzeit sowohl in Europa als auch daheim unter enormem Druck. (Foto: AFP)
  • Die Regierung in Athen steht zum Besuch von Premier Tsipras in Berlin sowohl finanziell als auch politisch unter enormem Druck.
  • Ursprünglich wollte der linke Politiker eigentlich ohne neue Reformliste nach Deutschland reisen - kurzfristig schwenkte man in Athen aber um.
  • Nun könnten das Rentenalter erhöht, Privatisierungen doch ermöglicht und Korruption bei Unternehmen härter bestraft werden.

Von Christiane Schlötzer

Am Montagmorgen geht ein kräftiger Regen über Athen nieder, wie eine kalte Dusche. Es passt zu diesem Tag, der eigentlich auf ein Fest vorbereiten sollte: auf die Parade zum Nationalfeiertag am Mittwoch. Gefeiert wird die Befreiung von der Turkokratie, der Türkenherrschaft vor knapp 200 Jahren. Von den blauen Baldachinen, die man vor dem Parlament aufgestellt hat, tropft das Wasser. Die griechische Sonne mag sich gar nicht zeigen an dem Tag, an dem auch schon wieder politische Stürme durch Athen fegen.

Verwaltungsminister unter Druck

Unweit des Parlaments hat Verwaltungsminister Giorgos Katrougalos sein Büro. Er muss sich seit dem Wochenende gegen den Vorwurf verteidigen, er könnte persönlich davon profitieren, wenn von der alten Regierung geschasste Beamte bald wieder eingestellt werden, wie Syriza versprochen hat. Der Grund: Katrougalos hat noch vor einer Weile entlassene Staatsdiener als Anwalt vertreten, wobei wie üblich ein Erfolgshonorar vereinbart wurde. Dazu gehören offenbar auch die zu Heldinnen gewordenen Putzfrauen des Finanzministeriums, die bis heute vor dem Gebäude ein Protestcamp unterhalten.

Die Zeitung Ta Nea kritisiert am Montag, selbst wenn der Reformminister rechtlich keinen Fehler begangen haben sollte, bestehe doch "ein Interessenskonflikt", die Sache sei also moralisch bedenklich. Ein Sprecher von Premier Alexis Tsipras will dagegen den Mann nicht allein im Regen stehen lassen und spricht von "verleumderischen Berichten". Die sollten nur dazu dienen, so der Sprecher, den ersten offiziellen Besuch von Tsipras bei Kanzlerin Angela Merkel in Berlin zu vermasseln.

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Der ganze Vorgang zeigt, dass auch die neue Linksregierung in Gefahr ist, sich mit den alten Krankheiten des griechischen Staates zu infizieren. Zu den Leuten, denen Katrougalos einst wie heute helfen wollte, gehören auch 41 000 Bedienstete, deren befristete Verträge vor rund zehn Jahren in feste Anstellungen überführt worden waren und über deren Qualifikation teils bis heute gestritten wird. Verantwortlich als Innenminister dafür war der konservative Politiker Prokopis Pavlopoulos. Er blähte damals den öffentlichen Dienst besonders stark auf. Nun ist er Staatspräsident - auf Wunsch und gewählt von Syriza.

Nur wenige Schritte vom Verwaltungsressort entfernt befindet sich das Außenministerium. Auch da herrscht am Montag Aufregung, weil griechische Medien gemeldet hatten, die Regierung habe einen Emissär nach Teheran geschickt, um dort für den Ankauf griechischer Staatsanleihen zu werben. Die konservative Opposition reagiert sofort mit beißendem Spott. Ihr Sprecher twittert: Die Regierung sei offenbar so deprimiert, dass sie bei den Iranern betteln gehe.

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Eigentlich wollte Tsipras ohne Reformliste nach Berlin reisen

Eher still ist es dagegen nun seit Tagen um Finanzminister Yanis Varoufakis. Am Sonntagabend war Varoufakis noch bei einer kleinen Ministerrunde im Premiersamt dabei, die zur Vorbereitung der Berlin-Reise diente. Danach aber gab es keine Erklärungen. Wie dramatisch die Finanzlage für Athen aber ist, verrät ein Brief, den Tsipras schon vor einer Woche an Merkel schrieb. Der Brief, dessen Inhalt am Montag von der Financial Times veröffentlicht wurde, trägt das Datum vom 15. März. Einen Tag später hat Merkel dann Tsipras nach Berlin eingeladen. In dem Brief macht Tsipras klar, dass es für Griechenland "unmöglich" sei, seine laufenden Kreditverpflichtungen zu erfüllen, wenn das Land kurzfristig keine Hilfe erhalte. Er beklagt sich über die "besonderen Restriktionen" der Europäischen Zentralbank, weil sie die Höhe, bis zu der sich griechische Banken mit kurzfristigen Staatsanleihen verschulden dürfen, gedeckelt hat.

Ursprünglich wollte Tsipras in Berlin gar keine neue Reformliste präsentieren. Der Zeitung Kathimerini hatte er am Sonntag noch gesagt, er reise "ohne Verhandlungsdruck". Am vergangenen Freitag hatte Tsipras von einem Mini-Griechenland-Gipfel in Brüssel bereits den Auftrag erhalten, in den nächsten Tagen neue Reformversprechen vorzulegen als Voraussetzung für Finanzhilfen. Der politische Druck auf Athen ist aber so hoch, dass den Tsipras-Getreuen wohl noch kurz vor der Abreise klar geworden ist, dass es sich der griechische Regierungschef kaum leisten kann, in Berlin mit leeren Händen dazustehen.

Athen nun doch nicht alle Privatisierungsvorhaben stoppen

So kursierten am Montag einige neue und alte Ideen: ein späteres Rentenalter, höhere Steuern auf große Vermögen, eine Bestrafung von Firmen, die mit Korruption verdient haben, eine bessere Nutzung von EU-Strukturfonds. Da blieben unter der alten Regierung Milliarden ungenutzt, weil Projekte nicht in die Gänge kamen oder nicht rechtzeitig fertig wurden.

Auch sollen offenbar nicht mehr alle Privatisierungsprojekte gestoppt werden. So hat der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport weiter eine Chance, 14 Regionalflughäfen zu übernehmen, darunter den von Chania auf Kreta, das zu den wichtigsten Touristik-Zielen gehört. Bei Privatisierungsprojekten unter der Samaras-Regierung gab es, wie auch von Experten beklagt wird, teilweise wenig Transparenz. So ist beispielsweise unklar, warum ein so riesiges Areal wie der alte Athener Flughafen, in bester Küstenlage, in einem Stück angeboten wurde, und es am Ende nur einen Bieter gab.

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Viele Beamte haben sich zuletzt sehr früh pensionieren lassen, aus Furcht, die Bedingungen könnten sich in Zukunft verschlechtern. Dies will die Regierung nun beschränken, denn die vielen Frührentner belasten die Rentenkassen massiv. Der zuständige Minister wiederum sorgte in der vergangenen Woche für Erstaunen, als er im Parlament ankündigte, er wolle künftig wieder Staatszuschüsse an Berufsrentenkassen geben, wenn diese ihre Renten nicht voll auszahlen können. So war es früher, die großzügige Regelung wurde aber von der alten Regierung auf Druck der Troika abgeschafft. Die Änderung würde eine Milliarde Euro kosten, rechnete die Opposition vor.

Ärger könnte es auch mit der Nationalfeiertags-Parade am Mittwoch geben. Syriza-Anhänger haben sich schon in der Parteizentrale beschwert, weil die Linke doch eigentlich Militärparaden abschaffen wollte, aber die Kampfjets schon zu Übungszwecken über die Hauptstadt donnerten. Und regnen soll es auch wieder.

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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