US-Handelspolitik:Zölle sind unter Trump zur plumpen Waffe verkommen

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Trump droht den meisten Ländern nicht, weil er Handelsprobleme lösen wollte - sondern weil ihm irgendetwas nicht passt. (Foto: AP)

Gegen seine Drohgebärden hilft nur ein europäischer Schulterschluss - denn die Position des US-Präsidenten ist viel schwächer als er vorgibt.

Kommentar von Claus Hulverscheidt

Man kann Donald Trump sicher vieles vorwerfen, was seinen Handelsfeldzug gegen China angeht. Das Hin und Her aus Zollankündigungen und Verzichtserklärungen etwa. Die Märchen darüber, wer die Zeche zahlt. Die verbalen Ausfälle gegen seinen Kollegen Xi Jinping, die sich mit devoter Bettelei um dessen Zuneigung abwechseln. Man kann aber nicht sagen, dass der Präsident im Falle Chinas keinen Punkt hätte: Peking führt die Handelspartner in aller Welt seit Jahren an der Nase herum, und dagegen darf man sich mit allen handelspolitischen Mitteln wehren - auch mit Zöllen.

Doch es geht ja nicht nur um China. Trump droht vielmehr auch Deutschland und Frankreich, Argentinien und Brasilien, der Türkei, Guatemala und anderen mit Zöllen - aber nicht, weil er Handelsprobleme lösen wollte, sondern weil ihm sonst etwas nicht passt: Frankreichs Digitalsteuer etwa oder mittelamerikanische Flüchtlinge. Zölle sind unter ihm zur plumpen Waffe verkommen, zu einer Drohgebärde mit dem Ziel, Amerikas wirtschaftliche Macht in ein paar billige politische Tagessiege für den Staatschef umzumünzen. Trump agiert dabei oft nicht besser als ein mieser, kleiner Mafia-Erpresser.

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Für Donald Trump geht es nicht nur um Soja-Exporte, sondern auch um seine Wiederwahl. Sein chinesischer "Freund" ist darauf nicht angewiesen - und kann das Problem einfach aussitzen.

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Dabei ist weder Freund noch Feind vor ihm sicher. Diese Erfahrung musste etwa Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro machen, jener Mini-Trump, der wahrlich alles unternommen hat, um sich bei seinem Vorbild anzubiedern. Dennoch hat Trump nun Stahlzölle gegen Brasilien und Argentinien verhängt, weil beide angeblich die Wechselkurse ihrer Währungen zugunsten der heimischen Bauern manipulieren. Belege dafür gibt es nicht, im Gegenteil: Dass etwa China Sojabohnen heute statt in Nord- in Südamerika kauft, hat nichts mit Währungen zu tun, sondern ist die Vergeltung für die US-Importabgaben.

Noch abstruser ist Trumps Drohung, Frankreich wegen der Einführung einer Digitalsteuer mit Zöllen zu belegen. Seit Jahren wird in der OECD, dem Club der Industrieländer, diskutiert, wie man verhindern kann, dass sich große Konzerne wie Google und Amazon weltweit vor dem Steuernzahlen drücken. Auch die USA sahen hier stets Handlungsbedarf. Nun kann man darüber streiten, ob es klug von den Franzosen war, schon einmal vorzupreschen. Das rechtfertigt aber nicht jene 180-Grad-Wende, die Trump nach dem Motto "Wenn hier einer amerikanische Firmen besteuert, dann ich" jetzt vollzogen hat. Die Aussage, getätigt am Rande des Nato-Gipfels, ist von einer intellektuellen Schlichtheit, die wahrlich haarsträubend ist. Denn denkt man sie zu Ende, dann müsste die Bundesregierung umgehend Daimler, BMW und Siemens auffordern, in den USA keine Steuern mehr zu zahlen.

Angela Merkel muss Emmanuel Macron daher zur Seite springen und Trump klarmachen, dass Zölle kein Mittel sind, um Steuer- oder andere globale Fragen zu lösen. Der Schulterschluss ist schon deshalb nötig, weil der US-Präsident auch die angedrohten Zölle auf EU-Autoexporte jederzeit wieder aus der Gruft holen könnte und Deutschland dann auf Frankreichs Solidarität angewiesen wäre. Vor allem aber: Was Trump viel mehr beeindruckt als jede Duckmäuserei, ist Härte - zumal zu einem Zeitpunkt, da seine Verhandlungsposition viel schwächer ist, als sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Bricht nämlich die US-Konjunktur ausgerechnet im Wahljahr 2020 ein, weil Trump die Zollkeule einmal zu oft geschwungen hat, dann ist er die längste Zeit Präsident gewesen.

© SZ vom 05.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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