SZ DigitalgipfelWie Trump, Vance und Musk die KI in Deutschland retten könnten

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Rolf Schumann bedankte sich beim „SZ Digitalgipfel“ bei seinen neuen „Vertriebsmitarbeitern“ Trump, Vance und Musk.
Rolf Schumann bedankte sich beim „SZ Digitalgipfel“ bei seinen neuen „Vertriebsmitarbeitern“ Trump, Vance und Musk. (Foto: Robert Haas)

Deutschland hat sie miterfunden, gebaut haben sie dann andere. Spätestens bei der Anwendung der künstlichen Intelligenz wollen deutsche Unternehmen wieder mitspielen. Wie das klappen soll? Es herrscht das Prinzip Hoffnung.

Von Max Muth

Die Ausgangslage ist vergleichsweise niederschmetternd. Als Russland die Ukraine 2022 überfiel, kamen rund 55 Prozent des deutschen Erdgases aus Russland. Bei den digitalen Diensten ist die Abhängigkeit heute noch viel massiver. Mehr als 90 Prozent der digitalen Dienstleistungen kommen von Anbietern aus den USA, sagte Rolf Schumann, Co-Chef der Digitalsparte von Schwarz, beim „SZ Digitalgipfel“ am Dienstag in München.

Bei KI-Anwendungen könnte sich das Spiel wiederholen. Alle reden über Chat-GPT, Meta, Anthropic und Perplexity, kaum jemand über Aleph Alpha. Nur, dass sich Europa und Deutschland das in einer Zeit, in der das transatlantische Verhältnis bedenklich wackelt, nicht leisten können. Können wir verhindern, technologisch abgehängt zu werden? Zumindest herrscht ein wenig Hoffnung.

Denn „First Mover“ seien nicht immer im Vorteil, heißt es von Experten beim Digitalgipfel beispielsweise über die Dominanz, die bei Sprachmodellen für KI, den sogenannten Large Language Models (LLMs), herrscht. Die Modelle kommen nämlich bis auf sehr wenige Ausnahmen aus den USA. China ist auch dabei, aber klar in der Verfolgerrolle. Deutschland hat sich 2023 aus diesem Rennen verabschiedet, als unter anderem die Schwarz-Gruppe massiv in Aleph Alpha investierte und das deutsche KI-Start-up in der Folge den Fokus von den LLMs auf Anwendungen von KI verschob. Die Basismodelle können Gedichte schreiben und allgemeine Fragen oft richtig beantworten, halluzinieren aber auch gelegentlich. Das macht sie zu akzeptablen Gesprächspartnern, für die hohen Anforderungen von Unternehmen reicht das aber nicht. Hier braucht es speziell gesicherte KIs, trainiert mit den Daten der Unternehmen selbst. Auf solche Szenarien setzt künftig Aleph Alpha, aber auch viele andere Unternehmen.

Ob dieser Schachzug langfristig aufgeht, wird sich noch zeigen, vor allem jedoch war er alternativlos. Denn das LLM-Modelltraining verschlingt viel Geld. Aleph Alpha sammelte viele Millionen Euro ein, aber eben keine Milliarden.

Der LLM-Zug ist abgefahren. Aber wer steuert den KI-Express?

Deutschland ist also in diesem Bereich der Grundlagenmodelle derzeit abgehängt, oder wie es Rolf Schumann ausdrückte: „Der LLM-Zug ist abgefahren.“ Der KI-Express allerdings, um im Bild zu bleiben, steht noch im Bahnhof, und zahlreiche Experten glauben, dass noch unklar ist, welche Länder in diesem Schnellzug ans Steuer dürfen. Deutsche Zugführer sind in diesem zweiten Rennen um KI-Anwendungen in Firmen weniger deutlich ausgeschlossen, als man denken könnte, glaubt Schumann. Der Schlüssel für einen Erfolg in dieser zweiten Stufe der KI-Entwicklung sind laut Schumann die europäischen Datenschätze.

Seit der Frage nach geeigneten Trainingsdaten für KI hätten es jetzt tatsächlich alle kapiert: Daten seien das, was auch in den Jahren vor generativer KI immer gebetsmühlenartig wiederholt wurde, nämlich „das Öl des 21. Jahrhunderts“. Ein Rohstoff, der praktischer- und womöglich eher zufälligerweise mit ungeliebten Verordnungen wie der DSGVO geschützt ist. Weil diese Daten jetzt für das Training der KIs sehr wertvoll seien, interessierten sich auch die Amerikaner für die europäischen Daten. Das erkläre zum Teil die Vehemenz, mit der Trump, Musk und Vance die Europäer beim Thema Datenschutz unter Druck setzten. Für Schumann sind die Pöbeleien aus den USA deshalb beinahe ein Kompliment: „Ich habe noch selten erlebt, dass beim Fußball jemand umgehauen wurde, der nicht den Ball hat.“ Europa hat also den – oder aber zumindest einen – Ball. Und solle sich bemühen, ihn nicht leichtfertig zu vertändeln. Deshalb, so der Appell des Schwarz-Digits-Chefs: Es gelte, sich gut zu überlegen, ob die eigenen Unternehmensdaten in den Clouds der US-Hyperscaler wie AWS, Microsoft und auch Google so gut aufgehoben seien.

Alternativen gibt es, zwar noch wenige, aber es gibt sie. Rolf Schumanns Unternehmen entwickelte etwa die Cloud Stackit, ursprünglich nur für die Unternehmen der Schwarz-Gruppe wie Lidl und Kaufland. Dazu kaufte Schwarz vor ein paar Jahren den israelischen Cybersicherheitsanbieter XM Cyber. Wer will, kann noch die KI von Aleph Alpha nutzen, um Prozesse zu automatisieren. Möglich, dass sich die Schwarz-Gruppe mit diesem neuen Geschäftsfeld ähnlich entwickelt wie Amazon in den USA, das sich vom Onlinehändler mit Cloud-Geschäft zum Cloud-Unternehmen mit Versandhandel entwickelte.

Die Nachfrage zumindest wäre jetzt da, seit Trump, Vance und Musk täglich bedrohliche Botschaften über den Atlantik schicken. Bessere Vertriebsmitarbeiter könne man sich eigentlich nicht wünschen, scherzt Schumann.

Aber ob das bedeutet, dass Deutschland auch bei der KI mithalten kann? Es ist heute wenigstens wahrscheinlicher, dass Firmen auf der Suche nach KI-Anbietern nicht über den Atlantik schauen. Und dass KI-Start-ups die Förderung bekommen, die sie benötigen, und einige bürokratische Hürden abgebaut werden. Oder anders ausgedrückt: Donald Trump hat Deutschland vielleicht den Ball zugespielt, das Tor schießen muss es selbst.

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