Trump-Berater gegen Deutschland:Deutschland muss Trumps Vorwürfe ernst nehmen - auch wenn sie falsch sind

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Viele von Trumps Vorwürfen gegen politische Gegner sind absurd - und trotzdem ernst zu nehmen. (Foto: REUTERS)

Trumps Berater Navarro wirft Deutschland vor, die Euro-Partner zu übervorteilen. Hinter dem absurden Angriff steckt ein reales Problem - und eine Gefahr für die EU.

Kommentar von Cerstin Gammelin

Bemerkenswert systematisch arbeitet die Trump-Truppe sich an Ländern ab, die nicht in die Kosten-Nutzen-Rechnung ihres Präsidenten passen: America first. Zuerst knöpfte sie sich Mexiko vor. Dann China. Und jetzt Deutschland. Donald Trump gab den Ton an, als er der Bundesregierung vorwarf, Europa für egoistische Interessen zu missbrauchen. Ein Berater legte nun nach und behauptet, dass Berlin den Kurs des Euro bewusst niedrig halte, um Handelspartner zu übervorteilen und auszubeuten. Das ist die nächste Stufe der Eskalation in dem von Trump begonnenen globalen Währungs- und Handelskonflikt.

Die Argumente der US-Regierung sind überwiegend falsch, unsinnig und leicht zu widerlegen. Gerade Berlin kritisiert die lockere Geldpolitik in der Euro-Zone. Würde sie beendet, würde die Europäische Zentralbank also auf Berlin hören, dann stiege der Kurs des Euro, deutsche Waren würden im Ausland teurer. Trumps Logik ist also verquer: Dennoch ist die Bundesregierung gut beraten, die Kritik ernst zu nehmen.

Deutschland ist Weltmeister im Außenhandel - und das ist ein Problem

Erstens ähnelt sie im Grundsatz jenem Vorwurf, der seit Langem von US-Regierungen, europäischen Staaten, der Organisation der Industrieländer oder dem Internationalen Währungsfonds vorgetragen wird. Und zweitens muss Berlin verhindern, dass der Trump'sche Politikstil, erst zu polarisieren und dann Partner über bilaterale Deals auseinanderzubringen, am Ende die Europäische Union zerbrechen lässt. Der Vorwurf aus Washington birgt diese Gefahr.

Tatsächlich gibt es ein Problem. Deutschland produziert permanent beträchtlich mehr, als es konsumiert. Die Bundesrepublik ist Weltmeister im Außenhandel und bei allem berechtigten Stolz darüber, dass deutsche Unternehmer zu den besten weltweit gehören und vor allem Amerikaner verrückt nach deutschen Produkten sind, hat der anhaltend riesige Handelsüberschuss eine Kehrseite. Er spiegelt massive wirtschaftliche Ungleichgewichte wider. Die Überschüsse der Deutschen sind die Schulden anderer Staaten. Darauf spielt Trump an.

Um nicht missverstanden zu werden: In einer arbeitsteilig organisierten Weltwirtschaft wird es immer Staaten geben, die Überschüsse bilanzieren oder Schulden machen. Das funktioniert, solange es kein Dauerzustand ist und die Schuldner zahlen können, was sie kaufen. Wenn dieser Mechanismus nicht mehr funktioniert, dann exportieren Ausfuhr-Weltmeister wie Deutschland die Verschuldung gleich mit, die sie später mit Rettungsschirmen bekämpfen. Das bedeutet: Ein Land, das dauerhaft mehr produziert als konsumiert, gefährdet nicht nur andere, sondern sich selbst gleich mit.

Ungleichheit zwischen Unternehmensgewinnen und Arbeitergehältern

Deutsche Unternehmer sitzen auf sagenhaften 270 Milliarden Euro Investitionskapital. Das sind fast neun Prozent der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung. In alternden Gesellschaften kann es sinnvoll sein, das Geld teilweise in die Vorsorge zu stecken, solange das sicher und rentabel ist. Nullzinsen und Inflation sprechen aber gegen diese Strategie, zumal sie auch zu einer fatalen Exportabhängigkeit führt.

Das Problem des deutschen Überschusses ist mithin nicht, dass deutsche Unternehmer zu viele Waren exportieren, dass sie Handelspartner übervorteilen oder den Kurs des Euro manipulieren (wie Trump unterstellt). Das alles ist absurd. Das Problem liegt darin, dass zu wenig des im Ausland erwirtschafteten Geldes zurück nach Deutschland kommt und dort ausgegeben wird. Es fehlen staatliche und private Investitionen, mit denen in jetzigen wirtschaftlichen Glanzzeiten vorgesorgt wird für düstere Tage. Dies könnte gelingen, wenn mehr Geld in Bildung und Forschung fließt, in digitale Infrastruktur, nachhaltige Energiebetriebe, moderne Verwaltungen und natürlich in Straßen, Brücken und Schienen.

Nötig ist es auch, die Ungleichheit zwischen riesigen Unternehmensgewinnen und gezahlten Arbeitsentgelten zu stoppen. Die Löhne der Arbeitnehmer sind in den vergangenen zehn Jahren deutlich geringer angestiegen als die Gewinne der Unternehmen. Besonders betroffen davon sind die Geringverdiener, also die Schwachen in der Gesellschaft.

Die Bundeskanzlerin hat die Eskalation mit dem bekannten Argument zu besänftigen versucht, dass die Euro-Geldpolitik unabhängig sei. Auf Dauer reicht das Argument nicht aus. Trumps Leute werden nicht lockerlassen, Deutschland zu attackieren. Ihnen zur Seite stehen werden jene Länder, denen der deutsche Überschuss ohnehin seit Langem missfällt. Diese punktuelle Übereinstimmung ist für den Zusammenhalt in Europa gefährlich. Die Gefahr des Zerfalls kann Deutschland nur bannen, in dem es systematisch Ungleichgewichte im eigenen Land abbaut.

© SZ vom 02.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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