Regulierung:Trump-Regierung will Banken entfesseln

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Donald Trump wird aller Erwartung nach die Banken wieder machen lassen, was sie wollen. (Foto: Evan Vucci/dpa)

Der künftige US-Präsident Trump könnte die Regeln für den Finanzsektor lockern. Die Bankenlobby frohlockt bereits.

Von Meike Schreiber, Markus Zydra, Frankfurt

Es gehört zu den Konstanten der Wirtschaftsgeschichte, dass Bankenchefs jammern, sobald die Volksvertreter strengere Regeln einführen möchten. Insofern war die fortwährend scharfe Kritik Jamie Dimons an den Plänen der Biden-Administration, die Kreditinstitute strenger zu regulieren, keine Überraschung. Zuletzt blies der Chef der weltgrößten Bank JPMorgan Chase zum Aufstand, als er sagte, es sei an der Zeit „zurückzuschlagen“. Mit der baldigen Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus würden die Erwartungen von Dimon und seine Branchenkollegen erfüllt, auch wenn Dimon als Anhänger der Demokraten gilt und als Finanzminister unter Kamala Harris gehandelt wurde. Trump wird aller Erwartung nach die Banken wieder machen lassen, was sie wollen – entsprechend schreiben die Kreditinstitute schon eifrig ihre Wunschlisten. Bereits am Tag nach der Wahl schnellten die Aktien der großen Wall-Street-Banken deutlich in die Höhe.

Ob Verbraucherschutz, Übernahmen, Krypto-Währungen, Bankenaufsicht oder Private-Equity-Deals: Mit seiner Mehrheit im US-Kongress kann der Republikaner Trump die Uhr zurückdrehen, um die Lehren aus der globalen Finanzkrise 2008 endgültig dem Vergessen preiszugeben. Auch Gary Gensler, der strenge – aber in der Finanzbranche unbeliebte – Chef der US-Börsenaufsicht SEC könnte bald seinen Job verlieren. Am liebsten würde Donald Trump auch die Kontrolle über die von der Politik seit jeher unabhängige US-Notenbank Fed übernehmen, was ein weiterer Tabubruch wäre. Im Rennen als mögliche Finanzminister sind der Milliardär Scott Bessen, aber auch Howard Lutnick, Chef der Wall-Street-Bank Cantor Fitzgerald, der gerade mit Äußerungen auffiel, wonach Impfungen generell gefährlich seien. In den Handelsräumen der großen Banken herrscht derzeit jedenfalls Jubelstimmung.

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Lobbyisten haben bereits unter Biden viel erreicht

In Sachen Aufweichung der Bankenregulierung haben die Lobbyisten schon unter US-Präsident Joe Biden viel erreicht. Der Streit entzündete sich unter anderem an den globalen Regulierungsvorschlägen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht. Das Gremium, angesiedelt bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), ist als „Zentralbank der Zentralbanken“ für die internationale Bankenregulierung zuständig. Die Experten aus 28 Ländern beschlossen 2017 auf Basis der Erfahrungen aus der globalen Finanzkrise 2008 das sogenannte Basel-III-Reformpaket: Banken müssen mehr Eigenkapital vorhalten, um im Ernstfall Verluste ohne Zuschuss des Steuerzahlers abfedern zu können. Diese Vorschläge sollen nun in Gesetze gegossen werden. In den USA spricht man vom „Basel III endgame“.

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Die US-Notenbank Federal Reserve hat im September nach heftigem Lobbydruck aus dem Bankensektor eine abgeschwächte Version ihres endgültigen Reformpakets vorgelegt, in der die zusätzlichen Eigenkapitalanforderungen um mehr als die Hälfte gekürzt und die Zahl der Banken, für die es gelten würde, verringert wurden. Die USA haben die Einführung des Regelwerks zudem auf 2026 verschoben, Großbritannien und die EU haben sich angeschlossen. Mit Trump könnten die ohnehin verwässerten Regeln ganz kippen – der Druck auf die Politiker im Rest der Welt, die Reformen auszuhebeln, dürfte wachsen. Banken würden Konkurrenznachteile mit den US-Instituten geltend machen. „Es wird Stimmen in der EU und in Großbritannien geben, die eine Pause oder Änderungen der Regeln fordern“, sagte Sebastien de Brouwer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Europas größter Bankenlobby, der European Banking Federation.

Die globale Finanzkrise 2008 ist vor allem durch ungezügelte Kreditgeschäfte ausgelöst worden. Die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers gab den Startschuss zu einem weltweiten Dominoeffekt. Zahlreichen Instituten drohte der Kollaps. Steuerzahler mussten geradestehen, allein in Deutschland zahlten die Bürger 70 Milliarden Euro für die Rettung vieler Kreditinstitute. Heruntergerechnet waren das 3000 Euro pro Familie. Der öffentliche Ärger war riesig, denn die Menschen litten unter der durch die Finanzschmelze ausgelösten Wirtschaftskrise mit Rezession und Arbeitslosigkeit. Nie wieder sollte sich das wiederholen, so das Mantra der Politiker damals: Die Experten in Basel machten sich an die Arbeit und erhöhten die Kapitalanforderungen für den Sektor.

Erleichterungen können Krisen nach sich ziehen

Doch inzwischen wurde das Paket in vielen Staaten völlig verwässert. Die Bankenlobby tat alles, um die strengeren Gesetze abzumildern. Die vollständige Umsetzung der Basel-III-Empfehlungen würde dazu führen, dass der deutsche Bankensektor knapp 20 Prozent mehr Kapital zurücklegen müsste, so Berechnungen der Bundesbank. Aufgrund zahlreicher Ausnahmeregeln beispielsweise bei der Finanzierung für Wohnimmobilien und im Derivategeschäft ist dieser zusätzliche Verlustpuffer nun auf vier Prozent abgeschmolzen. Ferner sollen bestimmte Maßnahmen erst von 2032 an vollständig gelten – vier Jahre später als vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht vorgeschlagen.

Einigen Wall-Street-Veteranen machte der neue Deregulierungs-Sound auch Sorgen. „Wenn man zu viel Regulierung aufhebt, gehen mehr Banken in Konkurs“, und das werde das Pendel wieder in die andere Richtung ausschlagen lassen, zitierte die Financial Times diese Woche einen Banker. Und auch nicht alle Republikaner wollen den Banken freie Bahn geben. „Wir sind fertig damit, die Wall Street zu bedienen. Wir werden uns für die Arbeiter einsetzen“, sagte noch im Juli der designierte US-Vizepräsident J. D. Vance.

Wie schnell Regulierungserleichterungen Krisen nach sich ziehen können, zeigt ein Beispiel aus der ersten Trump-Regierung aus dem Jahr 2018, als US-Regionalbanken mit einem Bilanzvolumen von bis zu 250 Milliarden Dollar von wichtigen Liquiditätsvorschriften befreit und von den als bürokratisch empfundenen Stresstests verschont wurden. Zudem hatten einige Geldhäuser teils noch nicht mal einen Risikochef. Dieses Laissez-faire ging nur wenige Jahre gut. Die Zinswende erwischte einige große Regionalbanken auf dem falschen Fuß, allen voran die Silicon Valley Bank (SVB). Ihr Zusammenbruch löste nicht nur die regionale US-Bankenkrise 2023 aus, sondern schwappte nach Europa und gab in der Schweiz der angeschlagenen Großbank Credit Suisse den Rest.

Die Chefin der EZB-Bankenaufsicht, Claudia Buch, warnte vergangene Woche vor schwerwiegenden Folgen, sollten Regulierung und Aufsicht gelockert werden. „Ein solcher Politikwechsel würde das hart erkämpfte Gleichgewicht zwischen Wachstum und Stabilität auf die falsche Seite kippen.“ Die Ökonomin befürchtet, zu lockere Kapitalregeln für Banken würden zu weniger Stabilität führen – ohne mehr Wachstum zu schaffen.

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