Süddeutsche Zeitung

Handelsstreit:Sind Trumps Autozölle vom Tisch?

  • US-Präsident Donald Trump ließ die Frist für Verhandlungen über Zölle auf importierte Autos aus der EU verstreichen.
  • Führende Handelsexperten glauben, dass er damit das Recht verwirkt hat, diese Zölle zu verhängen.
  • Doch es gibt ein gut hundert Jahre altes Gesetz, auf das sich Trump unter Umständen berufen könnte - das "Gesetz über den Handel mit dem Feind".

Von Claus Hulverscheidt, New York

Fast drei Jahre lang hat Donald Trump die deutsche Autoindustrie mit seiner Drohung in Atem gehalten, Pkw-Lieferungen in die USA mit hohen Importzöllen zu belegen - und nun löst sich die gesamte Geschichte über Nacht in Luft auf? Glaubt man führenden US-Handelsexperten, könnte tatsächlich genau das passiert sein. Ihrer Ansicht nach hätte der Präsident spätestens am Donnerstag vergangener Woche mitteilen müssen, ob er die Zölle nun einführt. Stattdessen habe er die Frist verstreichen lassen und damit das Recht verwirkt, Abgaben nach Abschnitt 232 des Gesetzes über den Ausbau des Handels von 1962 zu verhängen, sagte etwa Clark Packard vom Beratungshaus R Street der Nachrichtenagentur Reuters.

Ein endgültiger Verzicht auf die Zölle wäre für die deutsche Autoindustrie eine große Erleichterung. VW, BMW, Daimler, Audi und Porsche exportieren allein aus ihren heimischen Werken pro Jahr rund 500 000 Wagen in die USA. Die Verkaufspreise hätten sich bei Verhängung der Strafabgaben um je Tausende Dollar erhöht. Trumps Drohung hatte daher die gesamte Wirtschaftsentwicklung in Deutschland belastet.

Im Mittelpunkt des Streits steht jener Gesetzesabschnitt 232, der dem Präsidenten ohne Konsultation des Kongresses Importrestriktionen gestattet, wenn die Einfuhr eines Guts die nationale Sicherheit gefährdet. Im Mai 2018 hatte Trump Wirtschaftsminister Wilbur Ross angewiesen zu prüfen, ob das bei Autos der Fall sei. Ross lieferte das gewünschte Ergebnis: Die hohen Importe sind demnach ein Sicherheitsrisiko, weil sie heimische Hersteller in ihrer zivilen wie militärischen Innovationskraft schwächen. Selbst viele Republikaner halten die Argumentation für abwegig.

Statt jedoch zu entscheiden, setzte der Präsident der EU im Mai eine letzte sechsmonatige Frist für Verhandlungen. Diese lief vergangene Woche ab, ohne dass sich Trump äußerte. "Aus meiner Sicht gibt das Gesetz dem Präsidenten keine andere Option, als entweder gegen Importe vorzugehen oder aber zu entscheiden, dass nichts unternommen wird", sagt Jennifer Hillman, Professorin an der Georgetown-Universität in Washington und einst Richterin bei der Welthandelsorganisation. Im letzteren Fall sei "der Fall abgeschlossen".

Diese Auffassung wird durch ein Urteil des US-Gerichtshofs für Internationalen Handel gestärkt, der sich mit Klagen gegen amerikanische Zölle befasst. Er gab in einem am Montag veröffentlichten "232-Urteil" der Beschwerde des Importeurs Transpacific Steel statt, der Trumps Beschluss vom August 2018 angefochten hatte, Stahllieferungen aus der Türkei aus politischen Gründen mit einem Zoll von 50 Prozent zu belegen. Dabei hatte der Konzern unter anderem argumentiert, der Präsident habe die gesetzlichen Fristen nicht eingehalten. Dem folgten die Richter: Trump habe seine 232-Befugnisse "in unzulässiger Weise" überinterpretiert, hieß es in dem Urteil.

Das "Gesetz über den Handel mit dem Feind" könnte Trump nutzen

Manche Fachleute sind sich dennoch unsicher, ob die Gefahr für die Autofirmen tatsächlich vorüber ist. Gary Hufbauer vom renommierten Peterson-Institut etwa sagte der SZ, ihm sei nicht klar, ob Trump vergangene Woche tatsächlich eine Entscheidung hätte verkünden müssen. Vielleicht habe er einen Zoll-Beschluss gefasst und im Weißen Haus hinterlegt, mit dem er jetzt den deutschen Herstellern weitere Investitionszusagen abzuringen versuche und den er wegwerfe, wenn er seinen Willen bekomme. "Das wäre bizarr - aber was ist nicht bizarr an dieser Regierung", so Hufbauer.

Zudem gibt es weitere Vorschriften, die Trump nutzen könnte, sollte er die EU weiter attackieren wollen. Eine davon ist das "Gesetz über den Handel mit dem Feind" von 1917, das es Amerikanern verbietet, Geschäfte mit Firmen zu machen, deren Eigentümer aus einem Staat kommen, den das die USA als Feind betrachten. Den Weg für eine Nutzung der mehr als 100 Jahre alten Verordnung hatte Trump schon vor 18 Monaten bereitet - wenn auch damals vielleicht unbewusst: Schaue man sich an, was Europa den USA beim Thema Handel antue, so der Präsident seinerzeit in einem Fernsehinterview, "dann kann man, glaube ich, sagen: Die Europäische Union ist ein Feind".

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SZ vom 21.11.2019/mxh
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