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Trubel um Weltbank:Wolfowitz: Medien sind schuld an meinem Rücktritt

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Er ist noch einen Monat lang Chef der Weltbank, doch Reue zeigt Wolfowitz nicht. In einem Intwerview sagte er, die Medien-Debatte um die umstrittene Beförderung seiner Lebensgefährtin sei "aus dem Ruder gelaufen". Unterdessen fordert nun die australische Regierung, der nächste Weltbank-Chef solle kein Amerikaner mehr sein.

Der scheidende Weltbank-Präsident Paul Wolfowitz hat die nach seinen Worten aus dem Ruder geratene Debatte über die umstrittene Beförderung seiner Lebensgefährtin für seinen Rücktritt verantwortlich gemacht.

Er habe sich zu seinem Rücktritt entschlossen, weil die "Emotionen bereits so übergekocht" gewesen seien, dass er seine Politik für die "Menschen, die mir wirklich wichtig sind", nicht mehr hätte durchsetzen können, sagte Wolfowitz in einem BBC-Interview, das am Montag ausgestrahlt werden sollte.

Auf seine Beziehung zum Weltbank-Personal und deren Rücktrittsforderungen an ihn wollte sich der Vertraute von US-Präsident George W. Bush nicht äußern. Die Vorgänge sagten mehr aus über die Medien als über die Bank selbst, sagte er: "Die Leute reagierten auf ein ganzes Bündel fehlerhafter Erklärungen, und zu dem Zeitpunkt, an dem wir uns den halbwegs akkuraten Informationen annäherten, spielten die Passionen bereits verrückt". Er gehe mit dem Gefühl, viel für die Bank erreicht zu haben.

Auf die Frage, ob der künftige Weltbank-Chef der Tradition folgend wieder aus den USA kommen sollte, äußerte sich Wolfowitz ausweichend. Er denke, es müsse etwas dagegen unternommen werden, dass die afrikanischen Staaten so unterrepräsentiert blieben. Es bleibe die größte Herausforderung der Weltbank, die Armut in Afrika zu verringern.

Wolfowitz sagte der BBC: "Wir müssen uns stärker gemeinsam bemühen, dass Afrikas Stimmen innerhalb des Weltbank-Personals deutlicher gehört werden". Wolfowitz hatte sich Mitte Mai erst nach langem Zögen und auf internationalem Druck hin bereit erklärt, sein Amt zum 30. Juni niederzulegen.

Australien fordert Reform des internationalen Währungssystems

Australien hat sich Forderungen angeschlossen, die Nachfolge des zurückgetretenen Weltbank-Präsidenten Paul Wolfowitz nicht länger US-Amerikanern vorzubehalten. Der Posten müsse auch Kandidaten aus anderen Ländern offen stehen, erklärte Finanzminister Peter Costello am Sonntag.

Seine Regierung hoffe, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank ihren Reformprozess fortsetzten und mit einer neuen Offenheit bei der Besetzung der Chefposten auf Bedenken vieler Mitgliedsländer reagierten. Traditionell wählen die USA den Weltbank-Präsidenten aus, der IWF wird traditionell von einem Europäer geführt.

Australien unterstütze mit Nachdruck die Haltung der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G-20), die Präsidenten der Weltbank und des IWF in einem offenen und transparenten Verfahren ohne Einschränkungen durch Nationalitäten auszuwählen, erklärte Costello.

Eine entsprechende Erklärung hatten die G-20 unter Vorsitz Australiens im vergangenen Jahr verabschiedet. Am Samstag hatten Südafrika als derzeitiger G-20-Vorsitzender und Mitgliedsland Brasilien gefordert, bei der Suche nach einem Wolfowitz-Nachfolger diese Position umzusetzen.

Wolfowitz hatte Mitte des Monats seinen Rücktritt zum 30. Juni angekündigt. Er zog damit die Konsequenzen aus dem Vorwurf, seine Lebensgefährtin bei einer Beförderung begünstigt zu haben. US-Präsident George W. Bush erklärte zuletzt, dass er sich wieder einen Landsmann als Weltbank-Chef wünsche.

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AFP
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