Einzelhandel:Wie Kioske ins 21. Jahrhundert gelangen

Einzelhandel: "Die kleinen Händler arbeiten am meisten und verdienen am schlechtesten. Sie sind das schwächste Glied in der Wertschöpfungskette", sagt Uwe Hölzer.

"Die kleinen Händler arbeiten am meisten und verdienen am schlechtesten. Sie sind das schwächste Glied in der Wertschöpfungskette", sagt Uwe Hölzer.

(Foto: privat)

Handelsprofi Uwe Hölzer bringt kleine Händler und große Markenhersteller zusammen.

Von Michael Kläsgen

Auf die Idee muss man erst mal kommen: die schätzungsweise gut 40 000 Kioske in Deutschland quasi einzeln davon zu überzeugen, vom analogen ins digitale Zeitalter zu wechseln. 2000 Kioskbetreiber haben die Bestell-App Magaloop bisher heruntergeladen. Monat für Monat würden es gut 100 mehr, sagt Uwe Hölzer, 56, der, wie er selber sagt, nicht mehr ganz junge Start-up-Gründer. Vieles laufe inzwischen über Mund-zu-Mund-Propaganda. Aber oft bedeutet das für ihn: Stundenlang mit den nicht selten türkischen oder vietnamesischen Inhabern im Büdchen sitzen, je nach Region auch Trinkhalle, Späti oder anders genannt, literweise Tee trinken und vor allem: Vertrauen schaffen. Dazu muss man wahrscheinlich einer sein wie er, ein Händler durch und durch, empathisch, einer mit Durchblick und durchaus wechselvoller Erfahrung.

Vor dem Mauerfall fing Hölzer, das BWL-Studium hinter sich, als Trainee bei Rewe in Köln an, saß dann bei Aldi an der Kasse, wurde nach der Wende Geschäftsführer von Aldi Nord im Osten mit Sitz in Wittstock an der Dosse. Dann der Karrieresprung: Chef der SB-Warenhauskette Real, die damals noch zu Metro gehörte. Danach der Knick: Hackfleischskandal. Die Metro reagierte und entsandte ihn erst nach Ho-Chi-Minh-Stadt, dann nach Warschau, schließlich Shanghai. Überall, wo er war, fiel im auf: "Die kleinen Händler arbeiten am meisten und verdienen am schlechtesten. Sie sind das schwächste Glied in der Wertschöpfungskette."

Nach einem nicht sehr beglückenden Ausflug in den Mittelstand als Geschäftsführer eines Möbelhändlers machte er sich selbständig und traf zufällig seinen heutigen Partner Michael Högemann. Der hatte Dawanda mitgegründet, den inzwischen an Etsy verkauften Marktplatz für Handgemachtes. Der Jüngere überzeugte den Älteren, gemeinsam ein Start-up zu gründen: Magaloop. Einen Marktplatz, auf dem sich kleine Händler wie Kioskbetreiber, Imbisse oder Bäckereien mit Getränkekühlschrank und große Markenhersteller treffen. Im März 2018 ging es los, 2020 bestellten die Händler Waren im Wert von 75 Millionen Euro über die App, dieses Jahr soll es doppelt so viel werden. Geordert wird Kioskware: Spirituosen, Tabak und Süßigkeiten.

Die 40 000 Einzelkämpfer, die untereinander nicht kommunizieren, sagt Hölzer, erhalten dank der App einen Überblick im Dschungel Tausender Lieferanten, deren Preise, Sonderangebote und Produktneuheiten. Dadurch könnten sie ihre Verkaufspreise besser kalkulieren; gezielter gegen den nahe gelegenen Supermarkt konkurrieren und von Werbeaktionen der Hersteller profitieren. Bestellt etwa ein Händler einen Kasten des von einer Brauerei beworbenen Biers, erhält er zur Belohnung Geld. So verdient der Händler zusätzlich an den Einnahmen von Lieferanten und Händlern.

Diese wiederum haben eine zusätzliche Verkaufsstelle, bewerben ihr neues Produkt und erhöhen im Idealfall ihren Umsatz. Vor allem haben sie über die App einen direkten Zugang zu den kleinen Händlern. Jeden einzelnen als Kunden zu akquirieren wäre aufwendig, sagt Hölzer. Die Marken wüssten aber, dass die Kleinhändler in ihrer Gesamtheit einen großen Markt mit 15 Milliarden Umsatz bilden, zudem einen mit großen Margen - jetzt erreichbar, zum Teil jedenfalls, über die App. Auch Dutzende Großhändler nähmen Bestellungen über die App entgegen, weil sie die Vorteile sehen.

Magaloop verdient nicht an Provisionen oder Handelsmargen, sondern an den Vermarktungsaufträgen. Zahlen sollen die großen, internationalen Marken, nicht die schwächsten Glieder in der Kette. Eine Idee, die Hölzer ins Ausland tragen will.

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