Beginnen wir mit Agnes Ziegleder-Weiß aus Wittibreut. Wittibreut liegt in Niederbayern zwischen Rott und Inn, nur ein paar Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt und ist an sich kein Ort, von dem eine Revolution ausgeht. Aber Agnes Ziegleder-Weiß ist an sich ja auch keine Revolutionärin.
Als ihre Kinder, ein Mädchen und ein Junge, noch in die Grundschule gingen, holte sie die beiden häufig ab. Dabei fielen ihr auf dem Schulhof die überfüllten Papierkörbe auf, in denen - oft aber auch daneben - die Reste dessen lagen, was die Eltern ihren Kindern für die Pause zum Trinken mitgegeben hatten: Capri-Sonne-Tüten, Tetra-Packs, Dosen.
Agnes Ziegleder-Weiß ist keine gelernte Umweltschützerin, sie hat Schreinerin gelernt und später den Betrieb ihres Vaters übernommen. Der Müll störte sie trotzdem. Sie fand ihn unnötig. Warum den Kindern nicht eine Flasche mitgeben, die sie wieder mit nach Hause bringen können und die man dort für den nächsten Tag befüllt?
Kurz darauf kamen ihre Kinder mit einer Trinkflasche in die Schule, die man nirgends kaufen konnte; sie war selbst gemacht. Eine handelsübliche Glasflasche mit Schraubverschluss, eingewickelt in ein Stück Heizkörperisolation, damit sie beim Runterfallen nicht zerbricht, und eingepackt in ein selbstgenähtes Stoffsäckchen, das alles zusammenhält und mit dem man die Flasche gut tragen kann.Schnell bekam Agnes Ziegleder-Weiß Anfragen von anderen Eltern, und bald lieferte ihr Mann, der als Tierarzt arbeitete, die Trinkflasche auf seinen Touren über die Dörfer an Schulen und Kindergärten aus. Es waren Schüler, die sich einen Namen für sie ausdachten. Seitdem gibt es "Emil, die Flasche zum Anziehen".
Das ist jetzt achtundzwanzig Jahre her.Wer heute in einen Laden oder ins Internet geht, um eine ganz normale Trinkflasche zu kaufen, der sieht sich einer derart großen Auswahl gegenüber, dass es von vornherein unmöglich zu sein scheint, die richtige zu finden, denn ganz normal ist keine davon. Es gibt Trinkflaschen aus Plastik, aus Glas oder Edelstahl. Mit Verschlüssen zum Drücken, Klappen oder Schrauben. Mit Wasserfiltern, innen liegenden Schläuchen oder Einsätzen für frisches Obst. Von mehr als einem Dutzend verschiedener Firmen. In allen Farben, Formen und Designs. Für Preise von fünf bis 50 Euro - oder auch für 150 Euro, dann ist es eine Trinkflasche, die mit Swarovski-Kristallen besetzt ist und in London bei Harrods angeboten wird.
Verglichen damit wirkt die Flasche, die sich Agnes Ziegleder-Weiß 1990 ausgedacht hat wie das Urpferd, bevor sich die Evolution darauf stürzte. Auf jedem Spielplatz in Berlin-Prenzlauer Berg sieht man inzwischen mehr Arten von Trinkflaschen, als damals überhaupt auf dem Markt waren.
Die Trinkflasche - war das nicht gerade noch ein Alltagsgegenstand?Was ist da eigentlich passiert?
Berlin-Tempelhof. Zwischen einer Mozzarella-Käserei und einem Jalousien-Händler liegt in einer riesigen Lagerhalle die Zentrale von Soulbottles. Dem Unternehmen, das nacheigenen Angaben "die wohl sauberste Trinkflasche der Welt" produziert. Paul Kupfer, einer der beiden Gründer, ist gerade aus Sri Lanka zurückgekehrt, wo er eine Plantage besucht hat, die den Kautschuk für den Dichtungsring der Flasche liefert. Er wollte sehen, ob die Umweltstandards eingehalten und die Arbeiter fair bezahlt werden. "Das sollte man schon machen, wenn man die Welt retten will", sagt Paul Kupfer. "Und das war ja von Anfang an unser Main Issue."
Paul Kupfer ist Ende 20, und obwohl er an diesem Montag noch eine Spur Glitzer im Gesicht hat, die von einem Clubbesuch am Wochenende stammen könnte, führt er aufgeräumt und wach durch seine Firma. Da ist die Sofaecke, in der sie mittags auch essen. Sie kochen selbst, weil die Gegend noch so abgelegen ist, dass es in der Nähe keinen Imbiss gibt. Da ist die Tischtennisplatte, da sitzen die Leute von Einkauf, Vertrieb und Marketing. Den Raum dahinter vermieten sie an eine Trommelgruppe, und in dem Raum, der dann kommt, hat eine Elektrorollervermietung ihre Fahrzeuge untergestellt.
"Wir mussten in den letzten Jahren immer wieder umziehen, weil der Platz nicht reichte", sagt Paul Kupfer. "Das sollte uns nicht so schnell wieder passieren."Er steht im Erdgeschoss der Lagerhalle, wo die "Soulbottles" zusammengesetzt und von Hand verpackt werden. Eine zylindrige Glasflasche in verschiedenen Designs, mit einem Bügelverschluss, für den der Draht in Deutschland gebogen und der Keramikpfropfen in Deutschland gebrannt wird. Ein Industrieprodukt, das wie eine Handarbeit wirkt und inzwischen sogar in Buchhandlungen angeboten wird. Vergangenes Jahr haben sie fast 180 000 Flaschen verkauft, sechsmal so viel wie drei Jahre zuvor. Eine "Soulbottle" kostet 25 Euro, aber dafür wird man Teil einer Philosophie. "Wir sind kein Konzern, der auf Hippie macht", sagt Paul Kupfer. "Wir sind ein Unternehmen, gegründet von Hippies."