Trend Sharing Economy:Teilst du schon?

Trend Sharing Economy: Illustration: Hassân Al Mohtasib

Illustration: Hassân Al Mohtasib

Ein neuer Trend verändert die Wirtschaft: Sharing Economy. Menschen wollen Dinge nicht mehr haben, sondern an ihnen teilhaben. Darauf muss die Politik reagieren.

Von Kathrin Werner

Wer in Innenstädten bei der Suche nach einem freien Parkplatz verzweifelte und all die leeren Privatparkplätze gesehen hat, wird sich diesen Service schon herbeigewünscht haben: parkatmyhouse.com. Bei der App für das Smartphone kann man seinen Garagenplatz, der tagsüber sowieso frei ist, stundenweise vermieten und damit auch noch Geld verdienen. Es ist nur ein Beispiel von Hunderten.

Sharing Economy - ein neuer Trend verändert die Wirtschaft. Das Prinzip ist einfach: Menschen wollen Dinge nicht mehr haben, sondern an ihnen teilhaben. Den Konsumenten geht es nicht mehr um Eigentum, sondern um Zugang zu Dingen und Dienstleistungen. Man will keinen eigenen Parkplatz haben mitten in der Stadt, aber man will dort parken, wenn man ihn braucht. Der Konsument kauft nicht, er leiht - und am liebsten von Menschen, nicht von anonymen Großkonzernen. Das ist effizienter und macht Spaß. Und es hat eine große Kraft: Alte Geschäftsmodelle werden obsolet, neue profitieren. Die Entwicklung ist auch ein Prozess der schöpferischen Zerstörung. Und der macht Angst.

Man mietet Bohrmaschinen, Batterie-Starterkabel oder Hobbyköche

Die Ökonomie des Teilens hat alle Lebensbereiche erfasst. Wer in den Urlaub fährt, kann mithilfe von AirBnB einen Fremden in seinem Bett schlafen lassen - und sich selbst auf der Internetplattform ein Zimmer suchen in fast jeder Stadt der Welt. Bei den meisten Menschen stehen Autos die meiste Zeit unbenutzt herum - stattdessen kann man sie doch über die Internetplattform RelayRides für den Tag oder ein paar Stunden vermieten. Statt ein teures Taxi heranzuwinken, kann man über die Apps von Lyft, Sidecar oder Uber in Privatautos von fremden Privatleuten steigen, die einen für niedrigere Gebühren zum Flughafen fahren. Bei Zilok.com kann man Nachbarn aufstöbern, die ihre Bohrmaschine oder ihr Batterie-Starterkabel billig vermieten. In mehreren Metropolen an der amerikanischen Westküste kann man sich über City Dog Share sogar einen Hund teilen. Über Lending Club kann man einem anderen einen Kredit vergeben oder einen Kreditgeber finden. Und die Website Feastly vermittelt fremde Hobbyköche, in deren Wohnzimmer man sich gegen kleines Geld zum Dinner einladen kann.

Im weiteren Sinne gehören auch Car-Sharing und Leihrad-Systeme dazu. Oder das Start-up Pley, bei dem sich Lego-Sets für einen Monat ausleihen lassen - schließlich wird den Kleinen das Lego-Piratenschiff ohnehin nach ein paar Tagen langweilig. Das New Yorker Unternehmen Little Borrowed Dress vermittelt Kleider für Bräute und Brautjungfern, Glanz für einen Tag. Der neue Zeitgeist ist nicht rein amerikanisch, aber er fing hier an und ist hier am weitesten verbreitet, vor allem in den Großstädten. Grundsätzlich betrachtet ist das Phänomen auch nicht neu. Menschen haben schon immer Dinge miteinander geteilt. Wer in Dörfern, Vororten oder Kleinstädten lebt, fragt eben beim Nachbarn nach, wenn er ein Handrührgerät braucht. Nur: Wer seinen Nachbarn nicht mehr kennt, möchte ihn um nichts bitten.

Wie so oft schafft dann aber das Internet Abhilfe gegen die Anonymität (siehe Online-Partnersuche). Angefangen hat das moderne Teilen mit Ebay, der Flohmarkt ist ins Internet abgewandert. Moderne Technik macht es leicht herauszufinden, ob der Nachbar im dritten Stock seinen Schlagbohrer wohl verleiht. Man kann übers Internet bequem mit Paypal oder Kreditkarte zahlen, ohne Mitmenschen peinlich berührt Geldscheine zuzustecken. Und die vielen Bewertungen und Kommentare in den Onlineforen, die andere Nutzer von AirBnB, Lyft oder Feastly hinterlassen haben, geben gute Anhaltspunkte, dass der Kurzzeit-Untermieter kein Dreckspatz ist, dass der Laienchauffeur Auto fahren kann und der Hobbykoch die Suppe nicht versalzt. Das Internet ersetzt Vertrauen zwischen Menschen, die einander kennen.

Das amerikanische Internetkultur-Magazin Wired hat dem Vertrauen und der Sharing Economy kürzlich die Titelgeschichte gewidmet. Die Sharing Economy habe es geschafft, dass Amerikaner einander wieder vertrauen, dass sie wieder an das Gute im Menschen glauben, schreibt das Magazin: "Wir beginnen eine neue Ära der Intimität, die das Internet ermöglicht." Arun Sundararajan, der an der New York University zu dem Thema lehrt, bestätigt: "Menschen sind heute weniger miteinander verbunden, als sie das eigentlich brauchen. Teil der Anziehungskraft der Sharing Economy ist, dass sie diese Kluft überbrückt." Das mag stimmen, es gibt diese Sehnsucht - aber sie hat nicht die entsprechenden Konsequenzen.

Menschen vertrauen einander nicht mehr, sondern deutlich weniger als früher. Wired zitiert die Studie selbst: Eine groß angelegte Umfrage des National Opinion Research Center kam 2012 zu dem Ergebnis, dass nur 32 Prozent der Amerikaner glauben, dass man anderen Menschen generell trauen kann; 1972 waren das noch 46 Prozent. Andere Umfragen bestätigen das Bild. Das Internet schafft kein Vertrauen, es macht Vertrauen überflüssig. Man muss sich nicht mehr kennen, und man braucht auch keine großen Marken mehr, auf die man bauen kann. Man braucht nicht die Garantie der gelben Taxis, sondern kann online überprüfen, ob der Fahrer fahren kann. Wer ein Zimmer reserviert, schaut im Internet nach, wie andere Gäste das Etablissement bewertet haben. Man vertraut nicht mehr dem Einzelnen, sondern der Masse der Kommentatoren. Das nennt man: Schwarmintelligenz.

Für die alten Marken ist Sharing Economy ein Drama

Dieser Vertrauenswandel ist auch eine Erklärung für den riesigen Erfolg der Unternehmen, die die Sharing Economy vorantreiben. Unter ihrem Dach sammelt sich die Schwarmintelligenz, sie verwalten den Ersatz des Vertrauens. Nach Bewertungen von Private-Equity-Firmen ist AirBnB inzwischen zehn Milliarden Dollar wert, mehr als Hotelketten wie Hyatt, obwohl der Internetfirma kein einziges Bett gehört. Und Lyft hat in einer neuen Finanzierungsrunde kürzlich 250 Millionen Dollar von Wagniskapitalgebern bekommen.

Für die alten Marken ist das Ganze ein Drama. Der Car-Sharing-Service Zipcar geht gern damit hausieren, dass jedes der geteilten Fahrzeuge 15 Autos ersetzt. Die Hersteller von Autos, Brautkleidern oder Schlagbohrern wollen natürlich, dass Leute kaufen, nicht teilen und leihen. Für die Volkswirtschaft und die Umwelt wird das Phänomen mittelfristig aber gut sein. Wenn Menschen weniger Krempel anhäufen, muss weniger produziert werden. Wenn mehr Leute in fremder Leute Betten übernachten, müssen weniger Hotels gebaut werden. Das klingt erst einmal so, als würde der Konsum schrumpfen. Aber das Geld, das der Einzelne spart, weil er den Bohrer nicht kaufen muss, ist für die Volkswirtschaft nicht verloren. Es wird an anderer Stelle ausgegeben, an der es sinnvoller ist. Und der Verbrauch von Energie und anderen Ressourcen sinkt pro Konsumgut. Viele Konsumenten finden es übrigens positiv, wenn ihr Geld bei Mitmenschen landet statt bei Großkonzernen. Die Sharing Economy trägt zur Demokratisierung der Wirtschaft bei.

Die alte Wirtschaft kämpft um ihre Pfründe

Natürlich gibt die alte Wirtschaft nicht einfach so auf, sie kämpft um ihre Pfründe. Hotel-Lobbyisten versuchen, die Städte dazu zu bringen, Kurzzeit-Untermieten zu verbieten - mit teilweisem Erfolg. Taxigesellschaften kämpfen mit ähnlichen Mitteln gegen Uber und die anderen Taxi-Alternativen - in manchen Städten ebenfalls mit Erfolg. Die Einschränkungen für die Sharing Economy in vielen Städten gehen zu weit, sie blockieren eine sinnvolle Entwicklung. Anders als Hotel- und Taxi-Lobbyisten fordern, darf es bei den Regeln für AirBnB und die anderen Firmen nicht darum gehen, die alten Branchen vor neuem Wettbewerb abzuschirmen.

Die Regulierung muss so schlau sein wie die Sharing Economy, aber dazu müssen Behörden und Gesetzgeber sie erst einmal verstehen. Ein Großteil der bestehenden Gesetze ist auf ein Wirtschaftssystem ausgelegt, in dem Großunternehmen mit Verbrauchern Geschäfte machen, sie sollen Klein vor Groß beschützen. Wenn Klein mit Klein wirtschaftet, passen viele Regeln nicht. Die Gesetzgeber und Behörden sind mit dem schnellen Wachstum der Teil-und-Leih-Start-ups überfordert. "Manche Gesetze wurden für Unternehmen gemacht, manche für Menschen. Die Sharing Economy hat eine dritte Kategorie geschaffen: Menschen als Unternehmen", sagt AirBnB-Gründer Brian Chesky. "Sie wissen nicht, ob sie uns in die Kategorie Mensch oder Unternehmen stecken sollen."

Viele Menschen nehmen erst seit der langen Wirtschaftskrise an der neuen Ökonomie teil

Es ist auch Aufgabe der Regulierer sicherzustellen, dass die unternehmensinternen Systeme funktionieren. All die Sharing-Firmen haben ihre eigenen Wege gefunden, um Missbrauch zu verhindern und ihre Teilnehmer zu schützen. Bei Lyft müssen Fahrer zum Beispiel nachweisen, dass sie keine Verkehrssünder sind. Bei AirBnB gibt es Versicherungen für Vermieter, falls ein Untermieter die Wohnung verwüstet. All diese internen Systeme haben die Unternehmen übrigens erfunden, um das Vertrauen zu Fremden zu ersetzen.

Auch die Steuergesetze müssen angepasst werden. Wer mit der Sharing Economy zum Unternehmer wird, muss auch entsprechend Steuern bezahlen. Und die Behörden müssen aufpassen, dass sie nicht zum Ausbeutersystem wird. Viele Menschen nehmen erst seit der langen Wirtschaftskrise an der neuen Ökonomie teil, weil sie ihre Jobs verloren haben oder mit ihrem Job nicht mehr genug Geld verdienen. Gerade in Amerika gibt es seit der Krise immer weniger feste Vollzeitstellen. Viele Menschen werden nicht aus einer romantischen Idee heraus Fahrer bei Uber oder Lyft, sondern um zu überleben. Und laut AirBnB-Gründer Chesky brauchen 62 Prozent der AirBnB-Vermieter in New York das Extra-Einkommen, um ihre horrende Miete zu zahlen. Mit der Sharing Economy richtiges Geld zu verdienen, ist aber sehr schwer. Es muss eine Aufsicht geben, damit über solche Angebote nicht der Arbeitsschutz umgangen wird. Das Gleiche gilt für Bau- und Nachbarschutz-Vorschriften. Wer AirBnB nutzt, um zum modernen Slum Lord aufzusteigen, muss von den Behörden gestoppt werden.

Aber die Regulierer sollten lenken, nicht bremsen. Der Gesetzgeber muss berechtigte Interessen schützen, aber gleichzeitig dafür sorgen, dass ein paar schwarze Schafe nicht eine moderne, effizientere Volkswirtschaft bremsen.

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