Trend im Wohnungsbau:Ein Öko-Viertel, bitte!

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Der ökologisch-soziale Siedlungsbau blüht und stets ist der schonende Einsatz von Ressourcen oberstes Prinzip.

Antje Rößler

Mit einer Wohnung könne man einen Menschen erschlagen wie mit einer Axt, sagte der Zeichner und Grafiker Heinrich Zille zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts. Richtig ist auch der Umkehrschluss: Kaum etwas vermag das Wohlbefinden so zu heben wie ein angenehmes Wohnumfeld.

Ökosiedlung Johannistal am Rande von Berlin. (Foto: Foto: Harald Zenke/ Planungsbüro BHZ)

Nach Maßstäben der Nachhaltigkeit errichtete Wohnviertel tragen zur Lebensqualität der Bewohner ebenso bei wie zum Schutz von Umwelt und Klima. Seit etwa 30 Jahren ist in Deutschland ein ungebrochener Trend zur ökologischen Bauweise zu verzeichnen. Dabei gibt es von der Solararchitektur bis hin zum Bauen mit natürlichen Materialien eine enorme Vielfalt. Stets ist der schonende Einsatz von Ressourcen oberstes Prinzip.

Für einige Kommunen sind ökologische Siedlungen ein wichtiger Faktor der Stadtentwicklung. In Köln-Nippes entsteht derzeit das "Stellwerk 60". "Hier wird die Autofreiheit Normalität", legt der technische Leiter Christoph Gaspers dar. "Das wichtigste Fortbewegungsmittel ist das Fahrrad. Statt breiter Straßen entstehen verkehrssichere Fuß- und Radwege." Die Nachfrage nach den vierhundert Wohneinheiten sei hoch.

Solartechnik und Isolierung machen die Gebäude zu so genannten Ein-Liter-Häusern, die pro Quadratmeter Wohnfläche nur einen Liter Heizöl jährlich verbrauchen. "Es sind Solarpassivhäuser geplant, die mit Dreifachverglasung und 20 Zentimeter dicker Wärmedämmung ausgestattet sind", sagt Christoph Gaspers.

Aber auch in Oberbayern gibt es zahlreiche Beispiele für Projekte dieser Art. So beschloss die Landeshauptstadt München Anfang 2005, die städtischen Grundstücke "Am Schnepfenweg/Am Blütenanger" in Feldmoching für eine ökologisch-ökonomische Studiensiedlung zu veräußern. "Derzeit finden die Beratergespräche mit den Architekten statt, Baubeginn ist im Juli 2007", berichtet Silke Pesik, Pressesprecherin des städtischen Kommunalreferats.

Auf einer Fläche von 2,1 Hektar sind an die 60 Reihenhäuser und acht Doppelhäuser geplant. "Es soll veranschaulicht werden, dass eine Öko-Siedlung nicht nur die Wohnqualität verbessert, sondern auch kostengünstig sein kann", sagt die zuständige Kommunalreferentin Gabriele Friderich. "Zwar verlangt eine ökologische Bauweise höchste Qualität bei Materialien, Gebäudestandards und Wärmesystemen", räumt sie ein, "die Baumehrkosten amortisieren sich jedoch in angemessener Zeit, da die Nebenkosten für Gas und Strom entsprechend günstiger ausfallen."

Angesichts steigender Energiepreise sind "Öko-Viertel" auch unter ökonomischen Gesichtspunkten sinnvoll. Überdies tragen sie zu einer entscheidenden Verbesserung der Lebensqualität bei. Faktoren wie autofreie Wege, eine grüne Umgebung oder nicht zuletzt gute nachbarschaftliche Beziehungen machen die Attraktivität solcher Wohngebiete aus.

In der öko-sozialen Landschaftssiedlung im oberfränkischen Velburg wird das Gemeinschaftsleben groß geschrieben. Der vom Stadtrat eingesetzte Berater Christian Walter betont, dass dieses nur funktioniere, wenn gleichzeitig Rückzugsorte zur Verfügung stünden. "Deshalb hat bei uns jedes der bislang 16 Häuser einen Innengarten mit Sichtschutz. Dadurch wird die versiegelte Fläche möglichst klein gehalten", erklärt er.

Eine günstige Energiebilanz lässt sich jedoch nicht nur durch moderne Bautechnik, sondern auch durch den Rückgriff auf traditionelle Baustoffe erreichen. Diese sind mit geringem energetischen Aufwand herstellbar und biologisch abbaubar.

Insbesondere Lehm hat das Nischendasein längst verlassen. Das Klima in Lehmgebäuden ist vorteilhaft, da das Material ein hohes Wärmespeicherungsvermögen aufweist und somit temperaturausgleichend wirkt. Die Luftfeuchtigkeit wird stabilisiert, da Lehm Feuchtigkeit speichert.

Im brandenburgischen Schöneiche bestehen die Reihenhäuser einer Öko-Siedlung aus Holzständern mit Zellulosedämmung; die Dächer sind aus Gras. Die Hauswände des Landhofs Schöneiche wurden innen mit Lehmziegeln, außen mit Holz verschalt. Schilfbeet-Kläranlage und Torf-Toiletten führen den Grundsatz der Nachhaltigkeit fort.

In Berlin-Adlershof will man der großstädtischen Vereinsamung entgegentreten und Jung und Alt zusammenbringen. Die neue Siedlung Johannisthal ist autofrei geplant und wird nach ökologischen Kriterien gebaut. Einige Bewohner sind schon eingezogen - nun soll ein neues Grundstück erschlossen werden, um die Siedlung zu erweitern. Der bewussten Gestaltung der Privat- und Gemeinschaftszonen kommt hier große Bedeutung zu. Der Rückzug wird ebenso gewährleistet, wie die Begegnung mit anderen. Die Kosten werden durch Vorfertigung der Baukörper gering gehalten.

Dieses Prinzip perfektioniert die so genannte Cohousing-Siedlung in Landsberg am Lech. Hier sind die qualitativ hochwertigen und kostengünstigen Ein- und Zweifamilienhäuser für insgesamt 30 Familien aus vorgefertigten Haustypen zusammengesetzt. Diese bestehen aus Fertigteilen in Liapor. Der innovative Baustoff ist ein tonhaltiger Leichtbeton mit guter Wärmedämmung. Egal ob Singlehaus, barrierefreies Haus oder Domizil mit zwei Wohnungen, die Bewohner konnten es sich aussuchen. Ergänzungsmodule wie Wintergarten, Carport, Kamin oder Fußbodenheizung lassen individuellen Vorstellungen freien Raum.

Bereits 1986 wurde in Bamberg die erste Öko-Siedlung errichtet. "Hier am Cherbonhof liegt der Fokus insbesondere auf der Verwendung biologischer Baumaterialien sowie einem intensiven Gemeinschaftsleben", sagt Baudirektor Gerhard Henzler. "Die gemeinsame Nutzung der Ressourcen, der Heizung sowie der Installationen zur Regenwasser- und Sonnenenergienutzung bringen uns eine ausgezeichnete Energiebilanz."

In den vergangenen Jahren wurde die Technologie nachhaltigen Bauens - Lüftungsanlagen, Wärmepumpen, Solartechnik - enorm verbessert. In Bamberg-Gaustadt sollen diese Möglichkeiten nun Anwendung finden: Das öko-soziale Wohnprojekt Eichhornhof ist in der Planungsphase; es umfasst zehn Passivhäuser, die Sonnenenergie und auch Regenwasser nutzen. Angesichts der Vorteile nachhaltigen Bauens kann Baudirektor Henzler Vorbehalte nicht verstehen. "Es liegt nur am guten Willen", sagt er. "Welche Priorität sollte denn wichtiger sein als ein gesundes Wohnumfeld?" Heinrich Zille hätte er wohl auf seiner Seite.

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