Süddeutsche Zeitung

Transrapid: Weiter im Betrieb:Mit Tempo am Markt vorbei

Der Transrapid geht in die Verlängerung - doch ernsthafte Interessenten für die Magnetschwebetechnik gibt es offenbar nach wie vor nicht. Jetzt wird die Zeit knapp.

R. Wiegand

Hermann Bröring, Landrat des Landkreises Emsland, ist frustriert. "Man kann eine Sache auch totmachen", sagt der Kommunalpolitiker, in dessen Kreis das Örtchen Lathen liegt. Dort saust seit mehr als 20 Jahren der Transrapid auf einer schmalen Schiene über ostfriesische Baumwipfel, und dass er das seit dem 30. Juni noch immer darf, war auch Brörings Verdienst. Er hat für die Verlängerung des Testbetriebs, dessen Ende beschlossene Sache schien, gekämpft wie ein Löwe.

Nun fährt der Transrapid bis April 2010 weiter - doch ernsthafte Interessenten für die Magnetschwebetechnik gibt es offenbar nach wie vor nicht.

Bei Niedersachsens Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), ebenfalls ein Förderer der Galgenfrist für Lathen, wo im September 2006 bei einem schweren Unglück 23 Menschen im Wrack eines Transrapids starben, sind zumindest keine konkreten Kaufabsichten aufgelaufen. Es gebe zwar "Interessenten, unter anderem aus dem Bereich Brasilien", sagte Rösler am Wochenende nebulös, doch Testfahrten auf der hochsubventionierten Strecke im Auftrag eines potentiellen Käufers gebe nicht.

Das Land Niedersachsen hat für die Verlängerung des Betriebes wie der Landkreis Emsland 575.000 Euro beigesteuert. 2,05 Millionen kommen vom Transrapid-Konsortium, bestehend aus der Betreibergesellschaft IABG, Thyssen-Krupp, Siemens und Bögl, einem Bauunternehmen, das eine günstigere Unterkonstruktion erproben will. 2,2 Millionen zahlt der Bund.

Dass nun, kurz vor der Bundestagswahl, Fragen laut werden, wo denn die vielen Interessenten geblieben sind, mit denen die weiteren Investitionen in Lathen gerechtfertigt wurden, hält Landrat Bröring für "extrem unfair". Er bangt um 50 Arbeitsplätze in seinem Kreis und verlangt, "nicht schon in der sechsten Woche der Fristverlängerung Bilanz zu ziehen. Sieben Zehntel der Testzeit liegen noch vor uns." Erst bis dahin müsse sich das Interesse als belastbar erweisen.

Gegner erkennen klares Muster

Fragt sich nur, welches Interesse das ist. Noch vor zwei Monaten suggerierten vor allem die Politiker aus der Region, ein Verkauf der Transrapid-Technik stehe unmittelbar bevor. "Wir haben Anfragen aus der ganzen Welt", sagte damals etwa die Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann (CDU), die in Berlin den Wahlkreis Unterems vertritt, "eine Einstellung des Betriebs zum jetzigen Zeitpunkt hätte die mit Händen greifbaren Chancen für die Zukunft zerschlagen." Von Bröring kamen ganz konkret Länder wie die Schweiz, Großbritannien und die USA. Auch Korea wollte angeblich den Transrapid, und sogar der Iran plante, hieß es, eine 800 Kilometer lange Strecke für Pilgerreisende. Kanzlerin Merkel schaltete sich ein.

Kaum zwei Monate später bleibt davon also der "Bereich Brasilien". Bröring sagt, für Brasilien als Gastgeber der Fußball-WM 2014 sei die Transrapid-Technik geradezu ideal. Auch von England, der Schweiz und den USA wisse er, "das sind die großen vier". Aber es äußere eben keiner sein Interesse öffentlich.

Für die Gegner der Transrapid-Technik ist dagegen ein altbekanntes Muster erkennbar: "Das geht doch schon seit 20 Jahren so, dass die Technik immer kurz vor dem Durchbruch steht", sagt Enno Hagenah, Verkehrsexperte der Grünen im niedersächsischen Landtag. Aktuell habe der Testbetrieb irgendwie über die Bundestagswahl hinaus verlängert werden müssen, als kleines Konjunkturprogramm im Wahlkampf. Am 1. Mai 2010, prophezeit er, ist Schluss: "Dann sind nirgendwo Wahlen in Sicht."

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SZ vom 18.08.2009/mel
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