Süddeutsche Zeitung

Transrapid:Rechenkünstler Mehdorn

Der Bahnchef schwärmt von der Wirtschaftlichkeit einer Transrapid-Strecke - Experten sprechen von stark geschönten Zahlen

Dominik Hutter

Bahnchef Hartmut Mehdorn, ein kühl kalkulierender Manager und daher der Mann, der einst das Transrapid-Projekt Hamburg - Berlin zum Scheitern brachte, schwärmt heute gerne von den günstigen Wirtschaftsprognosen für die Münchner Magnetbahn-Strecke.

Auf den 37Kilometern zwischen Hauptbahnhof und Flughafen ließe sich, so die Hoffnung Mehdorns, ein erklecklicher Gewinn für den Konzern einfahren - genug, um den Betrieb ohne staatliche Zuschüsse am Laufen zu halten und außerdem den 185-Millionen-Euro-Beitrag des Konzerns zum Bau der Strecke zu refinanzieren.

Eine verlockende Rechnung, wären da nicht die Kritiker, die erhebliche Zweifel an den Zahlen der Bahn haben. Und vor allem die Unvollständigkeit der konzerninternen Bilanz betonen: Denn die Bahn kalkuliert zwar die Refinanzierung ihrer eigenen Investitionskosten ein.

Die sehr viel höheren Beiträge aus den Kassen von Bund und Freistaat werden dagegen als "nicht rückzahlbare Zuwendungen'' verbucht. Salopp gesagt: als Geschenk eingesackt. Die Bahn will die Strecke zudem "ergebnisneutral'' nach 20Jahren an den Staat zurückgeben. Zu diesem Zeitpunkt werden die ersten größeren Sanierungsarbeiten an den Anlagen erwartet.

Der Konzern, der bekanntlich sein Schienennetz so gerne mit an die Börse nehmen möchte, beruft sich dabei auf die Aufgabe des Staates als Finanzier jeglicher Verkehrsinfrastruktur. Dies sei beim Transrapid nicht anders als bei einer Autobahn, einer Wasserstraße oder einem Schienenstrang.

Mit welchem konkreten Gewinn die Transrapid-Strategen rechnen, streut die Bahn nur ungern in die Öffentlichkeit. DB-Magnetbahn-Sprecher Josef Schäfer räumte jedoch gegenüber der Süddeutschen Zeitung ein, dass sich seit 2005 keine wesentlichen Änderungen mehr ergeben haben.

Aus diesem Jahr liegt der SZ ein internes Bahn-Papier vor, das die Wirtschaftlichkeits- und Finanzierungsszenarien des Transrapid detailliert darstellt.

Demnach muss der Konzern jährlich etwa 41Millionen Euro in den Betrieb der Flughafenstrecke investieren - für Posten wie Personal, Energie, Instandhaltung oder auch Versicherung. Dem stehen Einnahmen von rund 63Millionen Euro gegenüber. Macht summa summarum einen Gewinn von 22Millionen Euro pro Jahr.

Eine in dem Papier enthaltene Risikoanalyse belegt jedoch: Größere Kostensteigerungen bei Bau und Betrieb der Strecke oder aber Mindereinnahmen, etwa durchs Ausbleiben der Fahrgäste, darf es nicht geben - dann kippt die Bilanz ins Negative.

Die Szenarien der Bahn gehen davon aus, dass die Trasse im besten Fall knapp 1,6Milliarden Euro, im ungünstigsten knapp 2,3Milliarden Euro kosten wird und dass der Konzern davon zehn Prozent übernimmt. Die offizielle Kostenschätzung für den Bau der Strecke liegt bei 1,85Milliarden Euro - eine Zahl, die letztlich auf Berechnungen des Jahres 2000 zurückgeht und 2004 an die aktuelle Preisentwicklung angepasst wurde.

Die Anfangsinvestition spielt für die spätere Betriebsbilanz eine entscheidende Rolle, da sie im Bahn-Etat jährliche Unkosten erzeugt. Die finanziellen Risiken bei Instandhaltung und Wartung von Strecke und Fahrzeugen will die Bahn an einen "Gesamtsystemverantwortlichen'' weiterreichen - was letztlich aufs Hersteller-Konsortium hinausläuft, mit dem es nach Bahn-Auskunft bereits entsprechende Verhandlungen gibt.

Bundesrechnungshof: Hohe Kostenrisiken

Dass es "erhebliche Kostenrisiken'' gibt, hat im Jahr 2002 auch der Bundesrechnungshof festgestellt und die Transrapid-Strecke zumindest aus der volkswirtschaftlichen Sicht als Zuschussgeschäft eingestuft. Dabei ging es sowohl um die Bau- als auch um die Betriebskosten.

Nach Ansicht der Experten sind die in einer Machbarkeitsstudie ermittelten Zahlen, die im Wesentlichen mit den Wirtschaftlichkeits-Szenarien der Bahn von 2005 übereinstimmen, nicht haltbar. Das Projekt sei daher "nicht realisierungswürdig''.

Dabei ging es um angeblich zu niedrig angesetzte Summen für Schallschutzwände oder das aufwendige System der Energieversorgung, aber auch um die Instandhaltung, die nach Ansicht des Bundesrechnungshofs wesentlich teurer werde als in der Studie vorhergesagt.

Fatal für die Anhänger des Transrapid fiel auch die Prüfung des sogenannten Kosten-Nutzen-Quotienten aus, mit dem aus volkswirtschaftlicher Perspektive über Sinn und Unsinn einer Investition geurteilt wird. 1,53 betrug dieser Wert laut Machbarkeitsstudie - was bedeutet, dass für jeden investierten Euro 1,53Euro in die Volkswirtschaft zurückfließen.

Nach den Korrekturen des Bundesrechnungshofs rutschte diese Zahl plötzlich unter 1, und das bedeutet ein Minusgeschäft. Moniert wurde unter anderem, dass die Verfasser der Machbarkeitsstudie angeblich eingesparte Reisezeiten auf der parallel verlaufenden Autobahn als volkswirtschaftliche Gewinne verbuchten, immerhin 621Millionen Euro jährlich.

Die Logik dahinter: Nach Eröffnung des Transrapid wird es auf der Straße leerer, so dass man schneller vorankommt. Methodisch nicht korrekt, urteilte der Bundesrechnungshof - so dürfe allenfalls beim Bau einer Umgehungsstraße, nicht aber bei Schienenprojekten gerechnet werden. Die Bedenken des Bundesrechnungshofs wurden vom Bundesverkehrsministerium nicht anerkannt.

Viele Experten vermissen in der Debatte zudem einen fairen Vergleich zwischen Transrapid und herkömmlicher Eisenbahn, die ja ebenfalls für den Münchner Airport-Transfer in Frage käme. Tatsächlich wurden die Projekte niemals in einem offiziellen Verfahren gegenübergestellt.

Der Freistaat Bayern hat einstige Planungen für eine Express-S-Bahn sehr rasch nach Aufkommen der Transrapid-Idee in seinen Schubladen versenkt. Wäre damals parallel weitergeplant worden, hätte sich nach Einschätzung des Eisenbahn-Ingenieurs Rudolf Breimeier sehr schnell die herkömmliche Eisenbahn durchgesetzt.

Denn die gerne verbreitete Behauptung, der Betrieb eines Transrapid sei deutlich günstiger als der einer Eisenbahn, halte gründlichen Untersuchungen nicht stand. Alles in allem seien Bau und Betrieb des "Energiefressers'' Transrapid deutlich teurer als ein Flughafen-Express per ICE oder S-Bahn.

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Quelle:
SZ vom 05.09.2007
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