Transrapid:Nur fliegen ist schneller

Seit 20 Jahren fährt die Magnetbahn im Emsland. 600.000 Menschen sind schon mitgerast - doch ob sich mit Zügen auf Stelzen jemals Geld verdienen lässt, ist fraglich.

Arne Boecker

Im gerade angebrochenen Jahr entscheidet sich, ob der Transrapid zu einem Wahrzeichen Münchens wird wie Olympiastadion, Frauenkirche und Englischer Garten. Der Münchner, der den Transrapid probefahren möchte, könnte nach Schanghai fliegen. Das ist teuer.

Transrapid: "...ein  bisschen wie Kopfsteinpflaster, oder?"

"...ein bisschen wie Kopfsteinpflaster, oder?"

(Foto: Foto: dpa)

Günstiger ist die Variante, sich von der guten, alten Bahn ins emsländische Lathen expedieren zu lassen. Die einfache Fahrt mit Umsteigen in Dortmund und Münster macht 115 Euro (Normalpreis), dauert allerdings lange 7 Stunden 57 Minuten. Am Ziel wartet die Zukunft des Menschenmassentransports. Das glauben jedenfalls die, die an den Transrapid glauben.

Motor in der Strecke

"In Lathen steht die Kinderstube des Transrapid", sagt Detlev Schubsky, der für die Transrapid Versuchsanlage Emsland (TVE) arbeitet. Auf der Karte sieht sie wie eine Acht aus. Der obere Kringel sitzt allerdings nicht auf dem unteren, dazwischen liegt eine Gerade.

Insgesamt durcheilt der Transrapid 32 Kilometer Emsland. Das ist nur etwas weniger als die Entfernung zwischen dem Hauptbahnhof München und dem Flughafen im Erdinger Moos. Für diese Strecke brauchen die S-Bahnen derzeit 45 Minuten. "Der Transrapid schafft das in zehn Minuten", sagt Schubsky.

In diesem Jahr soll die Planung abgeschlossen werden, 2010 könnte der Transrapid losschweben. In Bayern hat er viele und starke Gegner, richtig begeistert ist wohl nur die Staatsregierung. Auch der Münchner Stadtrat stellt sich dem rasenden Ding in den Weg.

Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) zweifelt, ob sich Bau und Betrieb rechnen. TVE-Mann Schubsky im fernen Emsland nennt den OB deshalb nur spitz "den Herrn Dr. Ude". Der Herr Ude kann allerdings darauf verweisen, dass sich der Transrapid bislang auf dem Markt nicht durchgesetzt hat; auch mehr als 20 Jahre Testerei in Lathen haben daran nichts geändert.

Die Stadt mit seinen 11.000 Einwohnern liegt zwischen Leer und Meppen, Holland ist nah. Der Gäste-Info-Service hat eine Broschüre mit "Hier wächst die Zukunft" überschrieben.

Neben einem Transrapid, der sich schnittig in die Kurve legt, zeigt das Titelblatt noch eine umwölkte Windmühle und einen knallroten Klatschmohn. Nach der Achter-Bahnfahrt servieren Lathener Gastwirte das "Schwebebahnmenue": Rinderbraten, Salzkartoffeln und braune Soße.

Als der Transrapid vorbeirauscht, raunen die Menschen, die gleich einsteigen wollen in das mattsilberne Ding. Für Transrapidler ist Tempo alles. "The Spirit of Speed" steht auf dem T-Shirt, das in der Wartehalle verkauft wird.

Auf der Frisbee-Scheibe wird verkündet: "Boah, geht das ab!" Aus Gladbeck ist ein Kegelklub angereist, holländische Fischfabrikfrauen auf Betriebsausflug, Kinder fragen Väter Löcher in Bäuche. "In 20 Jahren hatten wir 600.000 Gäste", sagt Schubsky. 18 Euro kostet das Ticket in die Zukunft.

Derzeit ist die Bahn AG noch Besitzerin der Teststrecke, will sich allerdings aus dem Emsland zurückziehen. Stelzen hieven die Strecke über das platte Land.

Von außen und innen ähnelt die Magnetschwebebahn dem ICE, nur die Räder fehlen. Das "Unterwerk" birgt Magneten.

Kurz vor dem Start geht ein sanfter Ruck durch den Transrapid. "Jetzt haben die Magneten das Fahrzeug an die Strecke herangezogen", spricht Schubsky in das Bordmikrofon. Tragmagneten bringen die Bahn zum Schweben, Führmagneten halten sie seitlich in der Spur.

"Unser 'Motor' steckt in der Strecke", sagt Schubsky. "Es ist immer nur der Teil in Betrieb, über den wir gerade fahren." Einen "Lokführer" braucht der Transrapid nicht. Gladbecker Kegelbrüder und holländische Fischverarbeiterinnen nicken anerkennend.

Die Idee, Fahrzeuge mit Hilfe von Magneten zum Schweben zu bringen, geht auf Hermann Kemper zurück, der aus dem Emsland stammt.

Heute vermarktet das Konsortium Transrapid International (TRI) die Magnetschwebebahn. Siemens packt die Elektronik in den Fahrweg, Thyssen-Krupp baut die Fahrzeuge. "Wir fahren in Lathen den TR 08, der für Langstrecken konzipiert ist", sagt Schubsky.

Zehn wichtige Millimeter

"In München käme der TR 09 zum Einsatz, der hätte auch Stehplätze". Der Transrapid ist schnell, leise, sauber und gilt als besonders sicher, weil Elektronik Mechanik ersetzt; Zugräder verschleißen schließlich. "Landgebundene Verkehrsmittel rüttelt es durch, wenn die Strecke schlecht wird", erläutert Schubsky. "Unsere Technik ist viel gutmütiger, weil der Abstand zwischen Bahn und Fahrweg immer zehn Millimeter beträgt."

Das "Stelzenmonster" Transrapid muss jedoch mit dem Verdacht leben, er locke zu wenige Passagiere an, um die Investitionen wieder einzuspielen. Vor sechs Jahren kam das Aus für das Projekt Hamburg-Berlin. Diese Strecke sei nicht rentabel zu bewirtschaften, meinten Fachleute.

Jedenfalls nicht, wenn man die Subventionen auf drei Milliarden Euro beschränkt, wie das die Regierung von Helmut Kohl getan hat. Bislang fährt der Transrapid nur in China. In Schanghai verbindet die Bahn den Flughafen mit dem etwa 30 Kilometer entfernten Finanzdistrikt.

China allerdings ist eine Diktatur, die sich mit der Einführung brandneuer Technik auch deswegen leicht tut, weil sie weder Gewerkschaften noch strenge Umweltgesetze kennt. Auf Interesse stößt der Transrapid auch in den USA, Großbritannien, Katar und Bahrain, aber die Pläne liegen seit langem in den Schubladen.

Nun lässt Detlev Schubsky das starten, was er "Flug auf Höhe Null" nennt. Im Sauseschritt wächst die grüne Zahl an, die das Reisetempo verrät. In gerade mal zwei Minuten geht es von 0 auf 300.

Bei 303 rät Schubsky, mit dem Fotografieren der Digitalanzeige zu warten: "Gleich haben wir 390 Sachen drauf." Bis zu 450 Kilometer pro Stunde schafft der Transrapid im Emsland. Für die Bögen der Acht bremst er auf Tempo 230 runter. Die Welt wird dann zur schiefen Ebene, Bäume, Felder und Strommasten scheinen ins Wageninnere zu stürzen.

Die meiste Zeit schwebt der Transrapid jedoch unspektakulär dahin. Nur wenn es rumpelt, merken Kegelbrüder und Fischfrauen auf. "...ein bisschen wie Kopfsteinpflaster, oder?" fragt Schubsky. Das sei gewollt, beruhigt er. "Die Stahl-/Betonmischungen, aus denen die Träger bestehen, eignen sich nicht alle gleich gut."

Lathen sei schließlich ein Labor. Selbst wenn in zwei Sektionen des Transrapid Passagiere sitzen, wird in der dritten Sektion pausenlos gemessen und geprüft. Als die Fahrt zu Ende geht, bittet Schubsky die Schwebebahngäste, so lange sitzen zu bleiben, "bis wir gelandet sind". Die spielen das Spiel mit: Sie klatschen, als hätten sie gerade im Flug Mallorca erreicht; dabei sind sie doch nur ein paar Meter über Lathen im Emsland geschwebt.

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