Transpazifisches Freihandelsabkommen:Wie China von Trumps TPP-Absage profitiert

Transpazifisches Freihandelsabkommen: Der Tiefwasserhafen Shanghai/Yangshan: Was den Handel angeht, ist China längst ein Riese, das Land exportiert mit Abstand die meisten Waren weltweit - vor den USA und Deutschland.

Der Tiefwasserhafen Shanghai/Yangshan: Was den Handel angeht, ist China längst ein Riese, das Land exportiert mit Abstand die meisten Waren weltweit - vor den USA und Deutschland.

(Foto: AFP)

Trump und TPP hatten ein gemeinsames Ziel: Chinas Wirtschaftsmacht einzudämmen. Mit dem Ausstieg der USA aus dem Freihandelsabkommen könnte das Gegenteil eintreten.

Von Kai Strittmatter, Peking, und Christoph Neidhart, Tokio

Es wirkt wie eine verkehrte Welt. Erst verhilft Donald Trump ausgerechnet China, dem weltgrößten Kohleverbrenner, zur Rolle des Vorreiters im Klimaschutz. Und jetzt darf das offiziell noch immer kommunistische China auch noch den mächtigsten Verteidiger von Freihandel und Globalisierung geben. Trump hat China im Wahlkampf einiges angedroht, unter anderem Strafzölle und einen Handelskrieg. Beginnen aber wird er seine Präsidentschaft mit einem Geschenk für China, wie es sich Peking schöner nicht hätte wünschen können: Trump lässt die Transpazifische Partnerschaft TPP sterben.

TPP hätte die größte regionale Freihandelszone der Geschichte geschaffen. Zwei Fünftel der Wirtschaftsleistung der Erde wären in einem Handelsraum vereint, der zwölf Pazifikanrainer umfasst, darunter Japan, Vietnam, Kanada und die USA. Am wichtigsten beim Blick auf die Liste war aber wohl der eine Staat, der fehlte: China sollte nicht dabei sein. Das war so gewollt. Später wollte man Peking hinzubitten, vielleicht, keinesfalls aber am Anfang.

TPP sei "so wichtig wie ein neuer Flugzeugträger"

Für Washington war TPP mehr als nur ein Freihandelspakt, der lediglich Zölle abbaut. Hier sollten die Regeln fürs 21. Jahrhundert mitgeschrieben werden, für den Schutz von Arbeitern, für Umweltstandards, für den Umgang mit geistigem Eigentum. Die Vereinigten Staaten wollten diese Regeln federführend schreiben. TPP sollte dazu dienen, die Länder der Region stärker an die USA zu binden; im Ausgleich würde Washington versichern, dass es sich in Asien engagiert. Einer Region, so dynamisch wie derzeit keine zweite auf der Welt. Aber auch instabil und verunsichert durch den Aufstieg der neuen Großmacht China.

Letztlich war TPP ein wichtiger Baustein der von Barack Obama versprochenen Hinwendung zu Asien. US-Verteidigungsminister Ashton Carter sagte einmal, TPP sei für ihn "so wichtig wie ein neuer Flugzeugträger". Trotz aller gegenteiligen Versicherungen Washingtons sah China in dem geplanten Handelsabkommen deshalb einen schlecht verhüllten Versuch, Chinas Rolle in der Region einzugrenzen.

Das Aus von TPP ist für Chinas Führer nun eine einmalige Chance. Amerikas Partner sind dagegen enttäuscht. Singapurs Premier Lee Hsien Loong hatte Washington schon im Sommer gewarnt, es setze "seinen Ruf aufs Spiel". Ein Ende von TPP würde Amerikas Freunde in Asien "sehr verletzen".

China wirbt nun für einen eigenen Freihandelspakt

Jetzt ist es da, das Ende. Schon auf dem Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft Apec am Wochenende in Peru war zu beobachten, wie mit einem Male sich alle nicht um US-Präsident Barack Obama, sondern um Chinas Parteichef und Staatspräsident Xi Jinping drängten, selbst die Nationen, die man bislang als Hinterhof der USA wahrgenommen hatte. Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua platzte vor Stolz. "Es erfüllt uns mit Optimismus zu sehen, dass China, eine der Weltmächte, an den Markt und an den Wettbewerb als Instrument der Entwicklung glaubt", zitierte Xinhua den Teilnehmer Mario Mongilardi, den Präsidenten der Handelskammer in Lima.

Die Chinesen werben nun für ihren eigenen Freihandelspakt, die "Umfassende Regionale Wirtschaftspartnerschaft" RCEP. Die RCEP baut auf die bisher lose Vereinigung "Asean plus Sechs" auf und soll auch Indien einbeziehen. Dieser Pakt würde damit fast ganz Südost- und Ostasien wirtschaftlich einbinden. Bei RCEP sind die USA nicht dabei. Anders als TPP will sich die RCEP auf den Freihandel beschränken, Umwelt-, Arbeits- und Patentrecht sollen nicht vereinheitlicht werden. Die hohen Standards auf diesen Feldern, welche die Unterhändler der USA in TPP eingebaut hatten, seien für Entwicklungsländer ohnehin "nicht unbedingt gut", sagte am Rand des Apec-Gipfels Tan Jian, ein hoher Beamter der chinesischen Delegation.

China ist Japans bedeutendster Handelspartner

Spannend ist, wie sich Japan nun verhält. Dort kann man sich ein Mitmachen bei RCEP durchaus vorstellen. Japans Premier Shinzo Abe hatte gehofft, TPP retten zu können. Er hatte sich sehr für das Abkommen eingesetzt und die Ratifizierung gegen eine Mehrheit in der eigenen Partei durchs Parlament geboxt. Auch für ihn sollte TPP ein Bollwerk gegen China sein.

Doch nun hat er schnell geschaltet. Abe scheint einen Spagat zwischen der Militärallianz mit Washington und einer wirtschaftlichen Annäherung an Peking zu erwägen, ähnlich wie Südkorea ihn bereits praktiziert. Schon vor seiner Reise nach New York hatte er angekündigt, falls TPP scheitern sollte, könnte der Freihandels-Pakt RCEP an ihre Stelle treten.

Denn nach Trumps Ankündigung sieht er keine Perspektive mehr für TPP. Ohne die USA habe die TPP keinen Sinn, sagte Abe in Buenos Aires, wo er zurzeit auf Staatsbesuch ist. Japan sei auch nicht bereit nachzuverhandeln. Dass Chinas RCEP sich auf den Abbau von Zöllen konzentriert, kommt zudem Japans Reflex gegen Einmischungen entgegen, etwa in seine Gesetze zu Pharmaerzeugnissen. Weitere gewichtige Argumente kommen hinzu: China ist Japans größter Handelspartner, zudem sind einige Asean-Staaten wichtige Produktionsstandorte für Japanische Unternehmen. RCEP könnte sich daher schneller positiv auf Japans lahmende Wirtschaft auswirken als TPP.

Japans Premier Abe könnte innenpolitisch von Trump profitieren

Nach Abes Treffen mit Präsident Xi Jinping beim Apec-Gipfel sagten beide, sie wollten enger zusammenarbeiten. Abe werde versuchen, in den Verhandlungen eine Führungsrolle zu übernehmen, sagt der Japanologe Gerald Curtis von der Columbia-University in New York. Wenn es Abe gelingt, das Scheitern von TPP als Schritt zu einem stärkeren Japan in Asien zu verkaufen, dann könnte er auch innenpolitisch von Trumps Absage profitieren.

Japan hat sich trotz der großen Unsicherheit rasch vom Trump-Schock erholt. Japans Premier Abe war als erster ausländischer Regierungschef zu Trump geflogen. Dabei habe ihn Trump als Partner auf Augenhöhe empfangen, sagt Curtis. Das beeindruckte Abe sichtlich. Eine gewisse Emanzipation Japans von den USA wäre nach Einschätzung von Curtis auch unter einer Präsidentin Hillary Clinton gekommen.

Japans Linke und mehr noch die Rechtsnationalisten, zu denen Abe gehört, haben sich schon immer an der angeblichen Bevormundung durch die USA gestört, sich aber militärisch auf sie verlassen. An der amerikanischen Truppenpräsenz werde Trump jedoch nicht rütteln, so Curtis, sie sei für die Vereinigten Staaten selbst wichtig. Zudem trage Tokio bereits heute 75 Prozent der Kosten, Südkorea für die dortigen US-Truppen nur 30 Prozent.

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