Transparenz gegen Lobby-Vorwürfe:Wirtschaftsforscher legen ihre Konten offen

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Sind die Ökonomen Schuld an der Finanzkrise? Ihnen wurde vorgeworfen, Lobbyismus statt unabhängiger Forschung zu betreiben, weil sie oft auch bei Wall-Street-Firmen auf der Gehaltsliste stehen. Ein renommierter Ökonomen-Verband verpflichtet jetzt seine Mitglieder, sämtliche Geldgeber offenzulegen.

Um sich die Finanzkrise erklären zu lassen, luden US-Abgeordnete in den Monaten nach dem Kollaps jede Menge Wirtschaftswissenschaftler ein. Als unabhängige Experten sollten sie die Implosion des Finanzsektors deuten und den Politikern Rat geben, was jetzt zu tun sei. Nur waren die Forscher nicht so unabhängig - jeder dritte Wissenschaftler sagte den Abgeordneten nicht, dass er nebenbei noch Geld von einer Wall-Street-Firma bekam oder ähnliche Interessenskonflikte hatte, wie Reuters recherchierte.

Absturz an der Börse - was bedeutet das? Finanzforscher sollen helfen, die Krise zu erklären. (Foto: Michel Euler/AP)

Ökonomen treten auch in Funk und Fernsehen als unabhängige Experten auf und beeinflussen die öffentliche Debatte, beispielsweise darüber, wie viel Regulierung der Finanzsektor braucht. Der Forscher Gerald Epstein hat in einer Studie untersucht, wann seine Kollegen Interessenkonflikte offenlegen. Sein Urteil: viel zu selten.

Das soll sich nun ändern. Die renommierte American Economic Association hat 17.000 Mitglieder und gibt eine Reihe wichtiger wissenschaftlicher Zeitschriften heraus, die die akademische Debatte prägen. Wer hier nun veröffentlichen will, muss ab sofort viel offenlegen: Geldgeber der Studie, sowie alle Einkommen durch Stipendien und Berater-Jobs der letzten drei Jahre, wenn sie über 10.000 Dollar lagen, Posten und Titel bei NGOs, Think Tanks oder Forschungsgremien. Auch der Ehepartner soll seine Beziehungen nennen, um potentielle Interessenskonflikte aufzudecken. Radikale Transparenz.

Kritiker Epstein, der eine Debatte um die Ethik der Ökonomen angestoßen hatte, ist zufrieden: "Die neuen Richtlinien gehen in Teilen darüber hinaus, was ich erwartet habe", sagte er dem Blog Economics Intelligence. So sei die Offenlegung jetzt Pflicht und nicht freiwillig. Die Regeln der American Economic Association könnten der neue Standard für die gesamte Branche werden, sodass auch in den Medien keine nur vermeintlich unabhängigen Experten mehr auftauchen.

Andere Ökonomen argumentieren, dass durch solche Transparenz keine Probleme gelöst werden. Nie könnten alle Beziehungen und Freundschaften offengelegt werden. Der Harvard-Professor Lant Pritchett schlug stattdessen vor, die Studien in den wissenschaftlichen Zeitschriften anonym zu veröffentlichen - damit die Argumente im Vordergrund stünden.

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